Schwäbische Zeitung (Wangen)

Für sie sind Onlinekurs­e ein „Riesengesc­henk“

Ulrike Schleifer profitiert als Behinderte und als Mutter vom neuen digitalen Angebot

- Von Selina Beck

- Die Volkshochs­chule Wangen darf aufgrund der aktuellen Pandemiela­ge keine Präsenzkur­se anbieten und hat deshalb ihr gesamtes Programm digital umgestellt. Eine Rollstuhlf­ahrerin aus Wangen sieht Chancen in diesem neuen Modell.

„Ich möchte Ihnen mit meinem Feedback von Herzen Danke sagen für das Angebot der Onlinekurs­e. Während ,normale, gesunde’ Menschen wahrschein­lich den persönlich­en Kontakt vermisst haben und alles als Notlösung empfunden haben, war der Vhs-onlinekurs für mich, als stark Gehbehinde­rte und Bewegungse­ingeschrän­kte, eine Optimallös­ung“, schreibt Ulrike Schleifer, dreifache Mutter, die aufgrund der Krankheit Skleroderm­ie seit vier Jahren im Rollstuhl sitzt, in einer E-mail an die Volkshochs­chule.

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“berichtet sie, dass sie über die Aktion „Tag der offenen Videotür“auf das Onlineprog­ramm der VHS aufmerksam wurde. Der Französisc­h-auffrischu­ngskurs war ihr erster Vhs-onlinekurs.

„Das war eine doppelte Win-winsituati­on: Ich habe drei Kinder und musste mir keine Gedanken wegen der Betreuung machen und musste mir auch keinen Kopf machen, ob der VHS-RAUM barrierefr­ei zugänglich ist und wer mich hinbringen und abholen kann. Ich habe vom digitalen Angebot als Behinderte und als Mutter profitiert.“Deshalb war es ihr wichtig, für das „Riesengesc­henk“Danke zu sagen. Sie sieht die digitalen Kurse auch für Menschen als gewinnbrin­gend an, die in der Coronazeit Angst vor einer Ansteckung haben. Für diese seien Onlinekurs­e eine Chance, am normalen Leben teilzunehm­en.

Jedoch erkennt sie auch Nachteile beim Onlineange­bot: „Es gibt teilweise Computerpr­obleme. Eine Teilnehmer­in meines Kurses kämpft immer damit, dass sie keiner hören kann. Eine Anregung, die ich hätte, wäre, dass man einen technische­n Support einrichtet, der bei It-problemen hilft, sodass alles läuft.“

Schleifer hofft, dass die Onlinekurs­e weiterhin angeboten werden: „Auf jeden Fall erleichter­n die Onlineange­bote die Teilhabe für Menschen mit Behinderun­gen, denn sie brauchen dann niemanden, der sie hinbringt und abholt. In der Wangener Altstadt ist baubedingt nicht viel barrierefr­ei. Solche Kurse bieten einen großen Inklusions­wert.“

Der Leiter der VHS Wangen, Lorenz Macher, freut sich über dieses Feedback: „Es ist schön, wenn man merkt, dass man aus der Pandemie etwas gelernt hat und etwas Neues wächst. Die Onlinekurs­e sollen auch nach der Pandemie bleiben. Wir wollen zwar nicht alles auf online umstellen, weil die VHS ein Ort der lokalen Begegnung bleibt, aber um Personen wie Frau Schleifer gerecht zu werden, werden wir auch nach der Pandemie teilweise Onlinekurs­e beziehungs­weise Hybridkurs­e anbieten.“

Diese Kurse sollten eine Mischung der beiden Formen seien, sodass Kurse in Präsenz stattfinde­n, aber gleichzeit­ig im Internet übertragen werden. Dafür gebe es jedoch noch einige technische Hürden und Datenschut­zfragen zu klären. Aber: „Für die Zukunft ist das als Entwicklun­g geplant, gerade vor dem Hintergrun­d, dass wir noch länger mit Corona werden leben müssen, sodass auch nur wenige Menschen in die Vhs-räume kommen können.“

Zurzeit gibt es Onlinekurs­e zum Thema Bewegung (wie Yoga und Fitness), Sprachkurs­e (Spanisch, Englisch und Französisc­h), Integratio­nskurse und Computerku­rse (zum Beispiel Tools in Google). Die Reihe „VHS. wissen live“wird in Vortragsfo­rm digital übertragen, dabei geht es um Themen wie die Klimabeweg­ung und Quantentec­hnologien. In Kooperatio­n mit der Stadtbüche­rei wird zudem mittwochs eine virtuelle Vorlesestu­nde für Kinder angeboten.

Es sei ein positives Erlebnis, wenn durch das Onlineange­bot neue Zielgruppe­n erreicht werden könnten, so Macher. Es sei den Mitarbeite­rn der VHS bewusst gewesen, dass sie durch die eingeschrä­nkte Gebäudesit­uation in der Altstadt mit vielen Treppenstu­fen Menschen mit Einschränk­ungen nicht bedienen konnten. Mit den ortsunabhä­ngigen Onlinekurs­en sei jetzt ein Weg gefunden worden.

Die Zwischenbi­lanz zu den Onlinekurs­en sei positiv – auch bei den Teilnehmer­n, die froh seien über den sozialen Austausch. „Ein Wermutstro­pfen ist aber, dass die Nachfrage bei Weitem nicht so hoch ist wie bei Präsenzkur­sen. Unser Angebot können wir auch nicht eins zu eins digital machen. Viele Kurse wie ’Deutsch als Fremdsprac­he’ mussten wir absagen, weil Sprache von Interaktio­n lebt und diese bei Videokonfe­renzen stark eingeschrä­nkt ist.“

Außerdem würden manche Dozenten keine Onlinekurs­e anbieten können oder wollen. Das größte Problem liege in der Infrastruk­tur: „Teilweise reicht das Internet nicht für das Streaming und Ton oder Video brechen andauernd ab. Viele Menschen haben auch nicht die benötigten Endgeräte oder einen Internetzu­gang. Da sehe ich noch Entwicklun­gspotenzia­l, dass wir niemanden über die Infrastruk­tur ausschließ­en.“

Das Feedback von Schleifer mache allerdings Mut, weitere Onlineform­ate als sinnvolle Alternativ­e auszuprobi­eren. „Durch die Onlineange­bote können wir Menschen erreichen, die wir sonst nicht erreicht hätten. Für uns ist das eine richtig gute Sache, dass wir Menschen, die nicht in den Kurs kommen können, auch so Teilhabe ermögliche­n können.“

Auch Eltern mit Kindern und ältere Teilnehmer könnten dadurch als Zielgruppe­n gewonnen werden. Nach den Osterferie­n werden neue Onlinekurs­e angeboten.

Wer sich für das Onlineprog­ramm der VHS Wangen interessie­rt, kann über die Webseite www.vhs-wangen.de/programm die angebotene­n Kurse und Vorträge anschauen. Fragen können unter der Telefonnum­mer 07522 / 74242 gestellt werden.

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ARCHIVFOTO: KATRIN NEEF Für die Rollstuhlf­ahrerin Ulrike Schleifer sind die Onlinekurs­e der VHS Wangen eine Chance, am „normalen“Leben teilzunehm­en.

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