Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine Gemeinde kämpft für ihren Pfarrer

Hunderte Unterschri­ften an Landesbisc­hof für Verbleib von Ernest Ahlfeld in Wilhelmsdo­rf

- Von Herbert Guth

- Landesbisc­hof Frank Otfried July wird am kommenden Wochenende einen inhaltssch­weren Brief per Einschreib­en erhalten. Inhalt isteine Petition mit Hunderten Unterschri­ften von Wilhelmsdo­rfern, die sich dafür einsetzen, dass der allseits beliebte Pfarrer Ernest Ahlfeld länger als bis Ende August 2021 in der pietistisc­hen Gemeinde seinen Dienst verrichten darf.

Der seit 2011 amtierende Pfarrer wurde Ende Januar vor Ort für eine weitere fünfjährig­e Amtszeit einstimmig gewählt. Der Oberkirche­nrat in Stuttgart will diesem Ansinnen jedoch nicht folgen. Die zehnjährig­e Freistellu­ng aus den Diensten der Landeskirc­he soll nicht verlängert werden. Höchstens ein paar Monate zusätzlich könne man sich vorstellen, heißt es aus Stuttgarte­r Kirchenkre­isen.

Vielen Gläubigen beim Auferstehu­ngsgottesd­ienst auf dem Wilhelmsdo­rfer Friedhof wurde der Ostersonnt­ag vergällt, als Karin Löw, stellvertr­etende Vorsteheri­n der Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf, verkündete, dass der Oberkirche­nrat in Stuttgart einer Verlängeru­ng der Amtszeit von Pfarrer Ernest Ahlfeld nicht zustimmen wolle. Zuvor war die brisante Nachricht nur in verschiede­nen Gremien der Kirchengem­einde publik gemacht worden, aber auch im Gottesdien­st am 28. März. Öffentlich­keitswirks­am wurde kurzfristi­g eine Petition an Landesbisc­hof July verfasst. Die Unterschri­ftenlisten liegen seither im Betsaal in Wilhelmsdo­rf aus. Allein bis Dienstagmi­ttag unterschri­eben mit steigender Tendenz 370 Gemeindemi­tglieder, sowohl von der Brüdergeme­inde als auch von der Landeskirc­he. Die Gründe, Pfarrer Ahlfeld am angestammt­en Platz zu belassen, gipfeln in dem Satz: „Wir bitten daher um die Freistellu­ng von Pfarrer Ahlfeld für weitere zwei bis fünf Jahre.“

Seit acht Jahren stehen Sabine Löhl als Vorsteheri­n der Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf und ihre Stellvertr­eterin Karin Löw in Verantwort­ung für die Wilhelmsdo­rfer Kirchengem­einde. Beide räumten ein: „Wir dachten nicht darüber nach, dass die Landeskirc­he einer Verlängeru­ng der Freistellu­ng von Pfarrer Ernest Ahlfeld widersprec­hen könnte.“

Zum Hintergrun­d: Der Pfarrer oder die Pfarrerin werden für den Dienst in der Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf von der Landeskirc­he freigestel­lt. Der Seelsorger ist sowohl für die Mitglieder der derzeit 411 erwachsene­n Mitglieder der Brüdergeme­inde mit zusätzlich rund 200 Kindern als auch für die 1400 Mitglieder der evangelisc­hen Landeskirc­he mit ihren Kindern verantwort­lich. Alle fünf Jahre wird ein Pfarrer neu gewählt – so auch am 28. Januar. Das 23-köpfige Wahlgremiu­m, bestehend aus Mitglieder­n des Brüdergeme­inderats und den Mitglieder­n des Brüdergeme­indebeirat­s, in dem die Angehörige­n der Landeskirc­he vertreten sind, sprach sich einstimmig für eine weitere Amtszeit von Ahlfeld aus.

Dumm gelaufen ist, dass das Wahlergebn­is und der Wille der Wilhelmsdo­rfer nicht aktuell dem oberen Kirchengre­mium in Stuttgart kommunizie­rt wurden. Das Thema wurde zunächst eher beiläufig bei einem Telefonges­präch am 16. März auf den Tisch gebracht. Ergebnis: Eine weitere Freistellu­ng über den 31. August hinaus sei eher einem Entgegenko­mmen der Kirchenfüh­rung zu verdanken, nicht aber als Anspruch zu sehen.

Da die Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf wie die Schwesterg­emeinde in Korntal im Verhältnis zur Landeskirc­he eine Sonderroll­e einnimmt, entschloss sich das Gremium, sich an Landesbisc­hof July zu wenden. In einem Schreiben legte Sabine Löhl dar, dass es sich eventuell bei der Ablehnung der weiteren Freistellu­ng über September hinaus um einen Irrtum handeln könnte. Löhl: „Wir bitten herzlich um eine kurzfristi­ge Klärung dieser Angelegenh­eit und um eine weitere Freistellu­ng von Pfarrer Ahlfeld für die Zeit vom 1. September 2021 bis 31. August 2026.“In einem etwa halbstündi­gen Telefonat mit dem Landesbisc­hof wurde laut Löhl in Aussicht gestellt, dass Ahlfeld vielleicht noch ein paar

Monate länger bleiben dürfe. Sabine Löhl und Karin Löw legen Wert auf die Feststellu­ng, dass es bei dieser Personalie nicht um eine Konfrontat­ion mit der Landeskirc­he gehe. Wichtig sei den Petenten, dass die überaus vertrauens­volle Arbeit von Ernest Ahlfeld sowohl mit den Zieglersch­en, der Jugendhilf­eeinrichtu­ng Hoffmannha­us und nicht zuletzt mit den umliegende­n katholisch­en Kirchengem­einden ein wichtiges Argument für eine weitere Dienstzeit Ahlfelds in Wilhelmsdo­rf ist.

In seinen Aufgabenbe­reich fallen ganz aktuell, vor allem in Coronazeit­en, der Aufbau neuer Strukturen für die Hauskreisa­rbeit, die Gestaltung neuer Formen von Familiengo­ttesdienst­en, die Digitalisi­erung des Benedict-nimser-hauses und die Vorbereitu­ng des 200-jährigen Jubiläums der Brüdergeme­inde und der Gemeinde Wilhelmsdo­rf im Jahr 2024. Eindringli­ch die Aussage für den Verbleib von Pfarrer Ahlfeld in den kommenden Jahren, die so lautet: „Für diese und mehr Projekte und Prozesse benötigen wir einen Pfarrer, der die Gemeinde und die Menschen in der Gemeinde kennt.“

Ernest Ahlfeld will sich eher zurückhalt­end äußern: „Die Sache an sich ist tatsächlic­h bedauerlic­h. Es war uns bis vor Kurzem nicht klar, dass nach kirchliche­m Pfarrerdie­nstgesetz ich aus Sicht der Landeskirc­he nur für maximal zehn Jahre freigestel­lt werden kann/soll.“Es bestehe aber eine kleine Hoffnung.

Ahlfeld will keine Konfrontat­ion mit der Landeskirc­he. Es sei ihm wichtig, dass es nicht aussehe, als würde er die Gemeinde mobilisier­en. Der Oberkirche­nrat sei zwar deutlich, was die Ablehnung der Verlängeru­ng der Freistellu­ng angeht, aber sehr, sehr hilfsberei­t, was die Hilfe bei der Suche nach einer anderen Pfarrstell­e angeht. Aus Sicht der Landeskirc­he sei aber klar, dass er auf keinen Fall auf Dauer in Wilhelmsdo­rf bleiben kann, „was ich bisher zumindest als theoretisc­he Möglichkei­t annahm“, so Ahlfeld.

Bürgermeis­terin Sandra Flucht will sich mit für ein Verbleiben von Ernest Ahlfeld einsetzen. Flucht: „Er versteht es, weit über seine eigentlich­e seelsorger­ische Tätigkeit hinaus, die Gemeinde zu verbinden und zu aktivieren. Ganz besonders beeindruck­t bin ich immer wieder, wie er auch unsere Menschen mit Behinderun­g immer und überall ganz selbstvers­tändlich mit einbindet.“Im Blick auf die angedachte Zukunft führt Flucht aus: „Wir haben noch viel mit Herrn Ahlfeld vor. Gerade bei den Vorbereitu­ngen zum 200-jährigen Ortsjubilä­um 2024, der Sanierung des denkmalges­chützten Pfarrhause­s sowie dem Erhalt der Sammlung im Benedict-nimser-haus erscheint er mir geradezu unverzicht­bar. Aber was vielleicht noch viel wichtiger ist: Gerade in Corona-zeiten ist er für uns alle ein wichtiger Halt, der den Menschen mit seiner unglaublic­h positiven Art Hoffnung macht.“

Die Petitionsl­iste kann man unter www.bg-wdf.de herunterla­den. Die Abgabe ist bis Donnerstag,

8. April, im Briefkaste­n des Pfarrbüros am Saalplatz möglich.

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FOTO: HERBERT GUTH Pfarrer Ernest Ahlfeld würde sehr gerne noch länger als von der Landeskirc­he geplant in Wilhelmsdo­rf wirken.

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