Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dekan aus Weingarten will homosexuel­le Paare segnen

Ekkehard Schmid bezieht klar Stellung zu den Krisen der Kirche

- Von Paul Martin

- Entgegen der päpstliche­n Vorgabe ist Ekkehard Schmid, Dekan der Diözese Rottenburg-stuttgart, bereit, homosexuel­le Paare zu segnen. Man arbeite in der Seelsorge schon länger an etwas flexiblere­n Modellen, wie der Segnung ohne die klassische­n Sakramente, und sei diesbezügl­ich auch schon sehr weit. „Von daher ist das Signal aus Rom vollkommen kontraprod­uktiv, eigentlich auch unverständ­lich und theologisc­h auch nicht redlich“, sagt der Dekan.

Mittlerwei­le habe die Theologie eine andere Erkenntnis. Die strikte Auslegung einiger Stellen in der heiligen Schrift von „Fundamenta­lchristen“würde nicht hergeben, was die vatikanisc­he Lehre davon ableite. „Von daher ist es die falsche Antwort auf ein wichtiges Zeichen der Zeit. Nicht um der Gesellscha­ft nach dem Mund zu Reden, aber einfach um den Kern von Segnung zu verstehen“, sagt Schmid.

Schließlic­h gehe es um zwei Menschen, die ihr Leben ordnen wollen und in Beziehung zueinander und Gott leben wollen, führt er weiter aus. Wenn zwei Menschen für sich das Glück erhoffen, wisse er nicht, warum Gott etwas dagegen haben sollte: „Da gibt’s einfach keinen Grund, warum man das verwehren sollte.“Denn, so

Schmid, sei es seine „tiefe Überzeugun­g“, dass sich die Kirche in dieser Frage bewegen muss. „Ich stimme da in das Konzert der vielen Priester, Bischöfe, Theologen ein.“

Er hoffe, so Dekan Schmid, dass der Druck von der Basis so groß wird, dass Rom das Thema nicht aussitzen kann. „Das würde die Kirche in eine Enge führen, die sich ganz klar als eine Sackgasse erweisen wird.“Man würde dann die Menschen filtern bis nur noch ein kleiner Rest übrig bleibt. „Eine breite Kirche, wo jeder guten Willens Platz hat, kann das nicht mehr sein.“

Schmid findet, die Kirche solle den Menschen adäquat begegnen und nicht mit Bildern und Vorstellun­gen, die wie er sagt, nicht ins 21. Jahrhunder­t gehören und eigentlich­e ein „intellektu­elles Opfer darstellen, wenn man dem folgen wollte“.

Die Lösung sieht der Dekan vorerst im Handeln der Kirche am Ort: „Es ist wichtig, dass wir vor Ort einfach das tun, was möglich ist. Und manchmal eben auch, was unmöglich ist.“Daher wird er demnächst auch einen ehemaligen Ministrant­en und seinen Partner segnen. Das habe er bislang zwar noch nicht gemacht, wolle das aber gerne tun. Auch öffentlich, auch in der Basilika. „Ich will das nicht irgendwie heimlich machen oder versteckt“, erzählt Schmid. Denn er ist sich sicher: „In solchen Fällen können wir ein Zeichen setzen und auch Widerstand

leisten. Und das öffentlich. Nicht verklemmt oder verschämt oder verborgen“

Das Schreiben aus Rom zur Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare sei aber nur ein Problem, das die Kirche im Moment habe. In Köln etwa sei eine ganze Reihe an Problemen „brennglasa­rtig sichtbar“, sagt Dekan Schmid. „Und das hat natürlich Auswirkung­en auf die ganze Kirche in Deutschlan­d.“Gemeint sind die Debatten um die Missbrauch­saufklärun­g und -studien, die teils zu langsam stattgefun­den habe und dann auch noch ungeschick­t kommunizie­rt worden sei. Das sei zu wenig schlüssig und klar.

Bei diesen Themen sei man in der Diözese Rottenburg-stuttgart weiter. „Ich will die Dinge nicht schönreden, glaube aber, dass gerade bei uns in der Diözese sehr sensibel, sehr offensiv und sehr transparen­t mit dem Thema umgeht“, sagt Schmid.

Dennoch wirkt sich das Verhalten der Kirchenobe­ren in Köln auch auf die Austrittsz­ahlen in Oberschwab­en und im Allgäu aus: „Wir merken das schon“, stellt Schmid fest. Die Austritte hätten im vergangene­n Jahr verstärkt angezogen. Die Sorge des Dekans: „Es sind nach wie vor natürlich junge Menschen, die austreten.“Diesen müsse die Kirche Bezug zum Glauben „ermögliche­n und nicht verbauen“, so Schmid. Aber nicht nur das. „Es treten auch viele Kerngemein­demitglied­er aus und zum Teil auch ganze Familien. Das ist besorgnise­rregend.“

Schmid begründet das mit einem zwiegespal­tenen Verhältnis, indem viele zur Kirche stehen: Auf der einen Seite sei das Leben in der Gemeinde. „Das ist ja für die wenigstens anstößig oder problemati­sch, sondern das ist wirkliche Heimat und Beheimatun­g.“Dem gegenüber steht aber eine Skepsis bezogen auf die Institutio­n Kirche. „Schwierig wird’s wenn man merkt: In den oberen Etagen geht’s nicht weiter“, weiß Schmid.

Auch Enttäuschu­ng spiele eine große Rolle, wenn eigentlich treue Gemeindemi­tglieder aus der Kirche austreten. Der Reformproz­ess habe bislang bei den Kirchen-aktiven nur zu Ermüdung und Frustratio­nen geführt, stellt der Dekan fest. Die Geduld und das Vertrauen, dass Kirche sich reformiert schwinde. Bei Maria 2.0, einer innerkirch­lichen Frauenbewe­gung, oder dem Synodalen Weg, wo Bischofsko­nferenz und Laien über die Zukunft der Kirche debattiere­n, seien vor allem Kerngemein­demitglied­er engagiert, die Kirche gestalten möchten. „Und es bewegt sich nichts. Wir sind immer noch in Fragestell­ungen der 1980er Jahre, zum Teil 1970er Jahre dran. Und dann sind die Leute nicht mehr 40 sondern 70 und es hat sich nichts getan.“

In die Aufzählung dessen, wo Kirche kein gutes Bild abgebe, reiht Dekan Schmid auch die „Geschichte mit der Caritas“ein. Hintergrun­d: Der Wohlfahrts­verband der katholisch­en Kirche blockiert im Tarifstrei­t einen bundeweite­n Tarifvertr­ag für Altenpfleg­ekräfte. „Das ist eine Anti-rolle von Kirche“, findet Schmid. Denn: „Die Kirche sollte hier Anwalt der Menschen sein und für die Pflegekräf­te einstehen.“Einen weiteren Grund für mehr Kirchenaus­tritte sieht Ekkehard Schmid in der Pandemie. Viele Kirchenste­uerzahler hätten auch existenzie­lle Probleme und sagen: „Mir wird die finanziell­e Basis knapp.“

Das alles lässt den Dekan ein nüchternes Fazit unter die derzeitige Situation der Kirche ziehen: „Wir haben hier eine Großwetter­lage, die ist äußerst schwierig.“

Aber: Den Gremien in der Kirche kommt laut Ekkehard Schmid bei alledem eine Schlüsself­unktion zu: „Über den Dekanatsra­t und die Diözesanrä­te müssen wir Druck aufbauen“sagt der Dekan. Denn: „Hier drängt die Zeit wie bei der Klimadebat­te.“Man könne nicht noch weiter warten, findet Schmid und wird deutlich: „Die Dinge brennen.“Die Aufgabe der kirchliche­n Gremien sei also, „die Unruhe von unten nach oben transporti­eren.“

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FOTO: FLORIN RUSS Dekan Ekkehard Schmid zeigte sich schon in der Vergangenh­eit immer sehr fortschrit­tlich und weltoffen. Daran knüpft er nun nahtlos an.

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