Dekan aus Weingarten will homosexuelle Paare segnen
Ekkehard Schmid bezieht klar Stellung zu den Krisen der Kirche
- Entgegen der päpstlichen Vorgabe ist Ekkehard Schmid, Dekan der Diözese Rottenburg-stuttgart, bereit, homosexuelle Paare zu segnen. Man arbeite in der Seelsorge schon länger an etwas flexibleren Modellen, wie der Segnung ohne die klassischen Sakramente, und sei diesbezüglich auch schon sehr weit. „Von daher ist das Signal aus Rom vollkommen kontraproduktiv, eigentlich auch unverständlich und theologisch auch nicht redlich“, sagt der Dekan.
Mittlerweile habe die Theologie eine andere Erkenntnis. Die strikte Auslegung einiger Stellen in der heiligen Schrift von „Fundamentalchristen“würde nicht hergeben, was die vatikanische Lehre davon ableite. „Von daher ist es die falsche Antwort auf ein wichtiges Zeichen der Zeit. Nicht um der Gesellschaft nach dem Mund zu Reden, aber einfach um den Kern von Segnung zu verstehen“, sagt Schmid.
Schließlich gehe es um zwei Menschen, die ihr Leben ordnen wollen und in Beziehung zueinander und Gott leben wollen, führt er weiter aus. Wenn zwei Menschen für sich das Glück erhoffen, wisse er nicht, warum Gott etwas dagegen haben sollte: „Da gibt’s einfach keinen Grund, warum man das verwehren sollte.“Denn, so
Schmid, sei es seine „tiefe Überzeugung“, dass sich die Kirche in dieser Frage bewegen muss. „Ich stimme da in das Konzert der vielen Priester, Bischöfe, Theologen ein.“
Er hoffe, so Dekan Schmid, dass der Druck von der Basis so groß wird, dass Rom das Thema nicht aussitzen kann. „Das würde die Kirche in eine Enge führen, die sich ganz klar als eine Sackgasse erweisen wird.“Man würde dann die Menschen filtern bis nur noch ein kleiner Rest übrig bleibt. „Eine breite Kirche, wo jeder guten Willens Platz hat, kann das nicht mehr sein.“
Schmid findet, die Kirche solle den Menschen adäquat begegnen und nicht mit Bildern und Vorstellungen, die wie er sagt, nicht ins 21. Jahrhundert gehören und eigentliche ein „intellektuelles Opfer darstellen, wenn man dem folgen wollte“.
Die Lösung sieht der Dekan vorerst im Handeln der Kirche am Ort: „Es ist wichtig, dass wir vor Ort einfach das tun, was möglich ist. Und manchmal eben auch, was unmöglich ist.“Daher wird er demnächst auch einen ehemaligen Ministranten und seinen Partner segnen. Das habe er bislang zwar noch nicht gemacht, wolle das aber gerne tun. Auch öffentlich, auch in der Basilika. „Ich will das nicht irgendwie heimlich machen oder versteckt“, erzählt Schmid. Denn er ist sich sicher: „In solchen Fällen können wir ein Zeichen setzen und auch Widerstand
leisten. Und das öffentlich. Nicht verklemmt oder verschämt oder verborgen“
Das Schreiben aus Rom zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sei aber nur ein Problem, das die Kirche im Moment habe. In Köln etwa sei eine ganze Reihe an Problemen „brennglasartig sichtbar“, sagt Dekan Schmid. „Und das hat natürlich Auswirkungen auf die ganze Kirche in Deutschland.“Gemeint sind die Debatten um die Missbrauchsaufklärung und -studien, die teils zu langsam stattgefunden habe und dann auch noch ungeschickt kommuniziert worden sei. Das sei zu wenig schlüssig und klar.
Bei diesen Themen sei man in der Diözese Rottenburg-stuttgart weiter. „Ich will die Dinge nicht schönreden, glaube aber, dass gerade bei uns in der Diözese sehr sensibel, sehr offensiv und sehr transparent mit dem Thema umgeht“, sagt Schmid.
Dennoch wirkt sich das Verhalten der Kirchenoberen in Köln auch auf die Austrittszahlen in Oberschwaben und im Allgäu aus: „Wir merken das schon“, stellt Schmid fest. Die Austritte hätten im vergangenen Jahr verstärkt angezogen. Die Sorge des Dekans: „Es sind nach wie vor natürlich junge Menschen, die austreten.“Diesen müsse die Kirche Bezug zum Glauben „ermöglichen und nicht verbauen“, so Schmid. Aber nicht nur das. „Es treten auch viele Kerngemeindemitglieder aus und zum Teil auch ganze Familien. Das ist besorgniserregend.“
Schmid begründet das mit einem zwiegespaltenen Verhältnis, indem viele zur Kirche stehen: Auf der einen Seite sei das Leben in der Gemeinde. „Das ist ja für die wenigstens anstößig oder problematisch, sondern das ist wirkliche Heimat und Beheimatung.“Dem gegenüber steht aber eine Skepsis bezogen auf die Institution Kirche. „Schwierig wird’s wenn man merkt: In den oberen Etagen geht’s nicht weiter“, weiß Schmid.
Auch Enttäuschung spiele eine große Rolle, wenn eigentlich treue Gemeindemitglieder aus der Kirche austreten. Der Reformprozess habe bislang bei den Kirchen-aktiven nur zu Ermüdung und Frustrationen geführt, stellt der Dekan fest. Die Geduld und das Vertrauen, dass Kirche sich reformiert schwinde. Bei Maria 2.0, einer innerkirchlichen Frauenbewegung, oder dem Synodalen Weg, wo Bischofskonferenz und Laien über die Zukunft der Kirche debattieren, seien vor allem Kerngemeindemitglieder engagiert, die Kirche gestalten möchten. „Und es bewegt sich nichts. Wir sind immer noch in Fragestellungen der 1980er Jahre, zum Teil 1970er Jahre dran. Und dann sind die Leute nicht mehr 40 sondern 70 und es hat sich nichts getan.“
In die Aufzählung dessen, wo Kirche kein gutes Bild abgebe, reiht Dekan Schmid auch die „Geschichte mit der Caritas“ein. Hintergrund: Der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche blockiert im Tarifstreit einen bundeweiten Tarifvertrag für Altenpflegekräfte. „Das ist eine Anti-rolle von Kirche“, findet Schmid. Denn: „Die Kirche sollte hier Anwalt der Menschen sein und für die Pflegekräfte einstehen.“Einen weiteren Grund für mehr Kirchenaustritte sieht Ekkehard Schmid in der Pandemie. Viele Kirchensteuerzahler hätten auch existenzielle Probleme und sagen: „Mir wird die finanzielle Basis knapp.“
Das alles lässt den Dekan ein nüchternes Fazit unter die derzeitige Situation der Kirche ziehen: „Wir haben hier eine Großwetterlage, die ist äußerst schwierig.“
Aber: Den Gremien in der Kirche kommt laut Ekkehard Schmid bei alledem eine Schlüsselfunktion zu: „Über den Dekanatsrat und die Diözesanräte müssen wir Druck aufbauen“sagt der Dekan. Denn: „Hier drängt die Zeit wie bei der Klimadebatte.“Man könne nicht noch weiter warten, findet Schmid und wird deutlich: „Die Dinge brennen.“Die Aufgabe der kirchlichen Gremien sei also, „die Unruhe von unten nach oben transportieren.“