Kröten auf Hochzeitsreise
Der vierjährige Christian rettet mit seiner Oma Amphibien, die zum Weiher wandern
- „Fiep, fiep“, klingt es aus dem weißen Eimer. 22 kupferfarbene Augenpaare schauen daraus hervor. Christian kann ihn gerade noch so tragen. Der Vierjährige und seine Oma Irmgard Rapp haben eben den Krötenzaun am Häfeleweg kontrolliert und die Kröten eingesammelt. Jetzt marschieren sie zum Geburtsweiher der Amphibien, der am Dorfplatz unterhalb der Pfarrkirche liegt. Dort setzen sie die Kröten direkt am Wasser ab.
„Heute ist Krötenwetter“, sagt Irmgard Rapp. Das heißt, es hat milde sieben Grad Celsius und es regnet. So mögen das die wechselwarmen Amphibien. Sie benötigen milde, feuchte Witterung, beenden ihre Winterstarre und gehen auf Wanderschaft – auf Hochzeitsreise sozusagen, die gleichzeitig die gefährlichste Zeit in ihrem Leben ist.
„Wenn kein Schnee mehr da ist, dann kommen die Kröten“, weiß Christian. Seit zwei Jahren zieht er mit seiner Oma während der Amphibienwanderung jeden Freitag-, Samstagund Sonntagmorgen los, um die Kröten, Frösche und Molche zu retten, die während der Nacht in die schwarzen Kübel am Krötenzaun geplumpst sind. Christian trägt den Eimer und zählt die Amphibien, die seine Oma behutsam hineinsetzt. Er hat eine wichtige Aufgabe, das weiß er. Denn die Zahl melden die Helfer an den Bund Naturschutz. Und Christian versteht auch, warum die Tiere seine Hilfe brauchen. „Sie müssen zu dem Weiher laufen, in dem sie zur Welt gekommen sind. Hier ist aber die Straße, das ist gefährlich. Autos überfahren sie, wenn wir sie nicht retten.“
Seine Oma hat einen dünnen Handschuh an – nicht, weil es sie vor den Tieren grausen würde, aber die Amphibien sind recht schlammig und in den schwarzen Eimern landet noch so manch anderes Getier. Es sei wichtig, früh am Morgen nach den Amphibien zu schauen, besonders wenn die Sonne scheint, denn die Kröten, Frösche und Molche trocknen ohne Schutz schnell aus.
Der Häfeleweg sei zwar nur eine kleine Verbindungsstraße, aber diese werde rege genutzt. „Früher hatten wir hier sehr viele überfahrene Kröten“, erzählt Irmgard Rapp.
Die Maria-thanner Amphibien haben ihr Winterschlafquartier südlich unterhalb der Straße in einem Wäldchen und in einer moorigen Wiese. Ihr Geburtsweiher liegt mitten im Dorf. Sie müssten nach dem Häfeleweg noch durch eine Siedlung, wo sie früher oft in Kellerschächte gefallen sind, und über eine weitere Straße wandern. Armin Woll, der die beiden heute begleitet, erzählt, dass es drei Familien sind, die sich in Maria-thann um den Krötenzaun kümmern. In den vergangenen zwei Wochen sei wenig los gewesen am Krötenzaun, da hatte es Nachtfröste gegeben. Dennoch wurden die Kübel jeden Morgen kontrolliert, damit auch ja kein Tier, das darin gelandet ist, umkommen konnte. „Es kommt uns auf jedes einzelne Tier an“, betont er.
Der Krötenzaun – der natürlich auch der Rettung anderer Amphibien wie Frösche, Lurche und Molche dient, die sich ebenso jedes Jahr im Frühjahr wieder an den Ort ihrer Geburt begeben – geht über gut hundert Meter der Straße entlang. In regelmäßigen Abständen sind die schwarzen Kübel direkt am Zaun in den Boden versenkt. Weil die Kröten in ihrer Zielrichtung nicht weiterkommen, gehen sie so lange seitlich am Zaun entlang, bis sie in einen der Kübel hineinplumpsen.
Nun gehen die drei Retter am Krötenzaun entlang von Kübel zu Kübel. In jedem wartet eine Überraschung auf sie. Im ersten sitzen vier Amphibien, die Irmgard Rapp vorsichtig heraushebt und in den weißen Eimer setzt, den Christian ihr hinhält. „Eins, zwei, drei, vier“, zählt der Vierjährige, der am Ende gezeigt haben wird, dass er mindestens bis 22 zählen kann. Im nächsten sitzt neben drei Kröten eine Feldmaus, die sich aufgeplustert hat und wie ein Fellknäuel aussieht. Beherzt greift Irmgard Rapp zu und rettet den kleinen Nager, der sich entsetzt wehrt, aber nicht beißt. Im dritten Kübel sitzt ein Pärchen. Das Männchen Huckepack auf dem Weibchen. Irmgard Rapp nimmt den Doppeldecker heraus und zeigt ihn Christian. „Da ist ja sogar eine Spinne“, sagt der Bub und zeigt auf den Achtbeiner am Handschuh von seiner Oma.
Sie sind am Ende des Zauns angelangt. In Christans Eimer sitzen 21 Tiere. Ein graubraune Masse, aus der die kugelrunden kupferfarbenen Augen herausschauen. Auf dem Weg zum Weiher kontrolliert Christian einen Kellerabgang und findet eine Minikröte, die dort sonst sicher vertrocknet wäre. Am Wasser angekommen, leert Irmgard Rapp die Amphibien direkt am Ufer aus. Die drei beobachten, wie die Tiere sich orientieren und nach einigen Minuten mit mehr oder weniger Platsch im Wasser verschwinden und mit kräftigen Schwimmstößen davonschwimmen. 22 Tiere sind es heute, die sicher in ihrem Geburtsgewässer angekommen sind.