Schwäbische Zeitung (Wangen)

Und er will doch

CSU-CHEF Söder bringt sich als Kanzlerkan­didat in Stellung und setzt Laschet unter Druck

- Von Ellen Hasenkamp und Patrick Guyton

- Natürlich lässt sich Markus Söder auch diesen Auftritt nicht nehmen. Und natürlich hat er sich auch diesmal einen Spruch zurechtgel­egt. Um kurz vor halb elf am Sonntagmor­gen marschiert er also quer über den Platz vor dem Berliner Reichstag Richtung Klausurtag­ung der Fraktionss­pitze, Csu-mappe unterm Arm, Bayern-wappen auf der Maske. Ob er heute seine Kanzlerkan­didatur anmelden werde, wird ihm zugerufen. „Schau‘n wir mal“, antwortet der CSU-CHEF, „dann seh‘n wir schon.“Vom Konkurrent­en Armin Laschet kriegen die wartenden Journalist­en dagegen erst mal nichts zu sehen. Der hatte sich dafür schon im Vorfeld positionie­rt: „Sehr zügig“solle die Entscheidu­ng nun fallen.

Die Entscheidu­ng nämlich, wer von beiden die Union als Kanzlerkan­didat in den Bundestags­wahlkampf führen wird. Von Laschet ist klar, dass er will; das hat er bereits vor Monaten bei seiner Kandidatur für den Cdu-vorsitz deutlich gemacht. Über Söders Ambitionen wurde lange gerätselt, aber das ist jetzt vorbei: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstütz­en“, so wird er am frühen Nachmittag von Teilnehmer­n der Fraktionsr­unde zitiert, „wäre ich bereit“. Das ist sie, die offene Kampfansag­e an Laschet, die er kurz darauf dann auch noch einmal in der Pressekonf­erenz wiederholt: „Ich bin bereit zu kandidiere­n.“

Von einem Kampf aber will natürlich keiner der beiden, die da am jeweils äußersten Ende der Mikrofonvi­ererreihe stehen, sprechen. Von einem „guten Prozess“ist die Rede und „freundscha­ftlichen Gesprächen“. Doch Tatsache ist: Von nun an wird es einen Gewinner und einen Verlierer geben im Rennen um die Kanzlerkan­didatur, auch wenn Söder für den Fall seiner Niederlage „ohne Groll eine gute Zusammenar­beit“zusichert.

Im politische­n Leben des Markus Söder verlief alles nach Plan: Er erlernte den Einsatz von Seilschaft­en und Ellbogen in der CSU, er arbeitete sich hoch. Mit einer Mischung aus Beharrlich­keit und Brutalität gelang es ihm, Horst Seehofer aus dem Amt des bayerische­n Ministerpr­äsidenten zu drängen. Damit hatte der Franke sein Lebensziel erreicht – regieren als Chef in der Münchner Staatskanz­lei. Den Csu-vorsitz übernahm er eher nebenbei, vor allem, damit ihm niemand ins Gehege kommt.

Aber Kanzlerkan­didat oder gar Bundeskanz­ler? Nein, dieses Ziel hatte sich Söder nie gesetzt, das erschien außerhalb des Möglichen. So stellte er sich nach der Landtagswa­hl im Herbst 2018 auf zwei schöne Legislatur­perioden im Freistaat ein, auf kreatives Regieren, Repräsenta­tion und gelegentli­che Querschüss­e aus dem Süden gegen die Regierungs­cdu. „Mein Platz ist in Bayern“, lautete sein oft verkündete­s Mantra.

Dieses ließ er aber in den jüngsten Talkshow-auftritten weg oder wandelte es ab: „Mein Platz ist jetzt in Bayern.“Selbst die fleißigste­n Söderologe­n trauten sich bis zum Sonntag keine Prognose zu, wie er es denn nun mit einer Kanzlerkan­didatur hält: Ob er sie will, ob er gebeten werden möchte oder angesichts der miesen Unions-werte sowieso lieber in München bleiben wird. Söder scheut das Risiko, er will sich einer Sache sicher sein, bevor er zugreift.

„Politik wird immer schnellleb­iger“, hatte er mal in einem Gespräch gesagt. Die Macht grüner Ideen – Volksbegeh­ren Artenschut­z – wie auch vor allem das Corona-jahr haben Söder verändert. Er bekam das

Image des konsequent­en Corona-bekämpfers. Häufig ging Bayern mit Beschränku­ngen voran, andere Länder folgten. Söder erlebte, dass ihm die ernsthafte Rolle des Staatenlen­kers in dieser chaotische­n, schlimmen Zeit liegt. Mit der Pandemie scheint er gewachsen zu sein.

Zeitgleich das Personalch­aos bei der CDU: ein unglaublic­h langer Findungspr­ozess für einen Vorsitzend­en. Seine Umfragewer­te waren und sind die mit Abstand besten, die der anderen stürzen ab. Ausgerechn­et Söder, der als „Ichling“abgewatsch­t wurde, wird nun republikwe­it als ebenso verantwort­ungsvoller wie dominanter Politiker wahrgenomm­en. Und als einer, der nach dem zerstöreri­schen Flüchtling­sstreit vom Sommer 2018 so fest zur Kanzlerin steht wie sonst kaum jemand.

Das ist ihm, der Stimmungen regelrecht aufsaugt, natürlich nicht entgangen. Und es schmeichel­te ihm, dass er immer öfter als möglicher Kandidat genannt wurde. Er hat damit auch gespielt, hat immer wieder auf die Umfragewer­te hingewiese­n – für seine Verhältnis­se aber recht dezent. Vor seinem Bekenntnis zur Kandidatur am Sonntag hat er, da kann man sicher sein, die Unterstütz­ung einiger Cdu-schwergewi­chte eingeholt, die bald auftreten werden.

Wie es nun genau weitergehe­n soll, bleibt am Sonntag unklar. Sehr viel länger lässt sich die Entscheidu­ng jedenfalls nicht mehr hinauszöge­rn. Die Machtaufst­ellung hat sich nicht geändert: Laschet ist Chef der größeren Partei, Söder hat die besseren Umfragewer­te. Am Montag tagt das Präsidium der CDU trotz Corona in Präsenz. Es geht also offenbar um etwas. Stellt sich die Spitze der Christdemo­kraten hinter Laschet, hat Söder eigentlich, so will es die Unionsarit­hmetik, keine Chance. Manch einer interpreti­ert Söders Verweis auf den Willen der „großen Schwester“daher als Einstieg in den Ausstieg. Anderersei­ts trommelt auch Söder seine Parteispit­ze zusammen: Csupräsidi­um am Montagaben­d.

Sicher dürfte eines sein: Bis Pfingsten wird es nicht mehr dauern mit der K-entscheidu­ng in der CDU.

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FOTO: IMAGO IMAGES/DPA Wer wird’s? CSU-CHEF Markus Söder (li.) und CDU-CHEF Armin Laschet wollen Kanzlerkan­didat werden.
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