Und er will doch
CSU-CHEF Söder bringt sich als Kanzlerkandidat in Stellung und setzt Laschet unter Druck
- Natürlich lässt sich Markus Söder auch diesen Auftritt nicht nehmen. Und natürlich hat er sich auch diesmal einen Spruch zurechtgelegt. Um kurz vor halb elf am Sonntagmorgen marschiert er also quer über den Platz vor dem Berliner Reichstag Richtung Klausurtagung der Fraktionsspitze, Csu-mappe unterm Arm, Bayern-wappen auf der Maske. Ob er heute seine Kanzlerkandidatur anmelden werde, wird ihm zugerufen. „Schau‘n wir mal“, antwortet der CSU-CHEF, „dann seh‘n wir schon.“Vom Konkurrenten Armin Laschet kriegen die wartenden Journalisten dagegen erst mal nichts zu sehen. Der hatte sich dafür schon im Vorfeld positioniert: „Sehr zügig“solle die Entscheidung nun fallen.
Die Entscheidung nämlich, wer von beiden die Union als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen wird. Von Laschet ist klar, dass er will; das hat er bereits vor Monaten bei seiner Kandidatur für den Cdu-vorsitz deutlich gemacht. Über Söders Ambitionen wurde lange gerätselt, aber das ist jetzt vorbei: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen“, so wird er am frühen Nachmittag von Teilnehmern der Fraktionsrunde zitiert, „wäre ich bereit“. Das ist sie, die offene Kampfansage an Laschet, die er kurz darauf dann auch noch einmal in der Pressekonferenz wiederholt: „Ich bin bereit zu kandidieren.“
Von einem Kampf aber will natürlich keiner der beiden, die da am jeweils äußersten Ende der Mikrofonviererreihe stehen, sprechen. Von einem „guten Prozess“ist die Rede und „freundschaftlichen Gesprächen“. Doch Tatsache ist: Von nun an wird es einen Gewinner und einen Verlierer geben im Rennen um die Kanzlerkandidatur, auch wenn Söder für den Fall seiner Niederlage „ohne Groll eine gute Zusammenarbeit“zusichert.
Im politischen Leben des Markus Söder verlief alles nach Plan: Er erlernte den Einsatz von Seilschaften und Ellbogen in der CSU, er arbeitete sich hoch. Mit einer Mischung aus Beharrlichkeit und Brutalität gelang es ihm, Horst Seehofer aus dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zu drängen. Damit hatte der Franke sein Lebensziel erreicht – regieren als Chef in der Münchner Staatskanzlei. Den Csu-vorsitz übernahm er eher nebenbei, vor allem, damit ihm niemand ins Gehege kommt.
Aber Kanzlerkandidat oder gar Bundeskanzler? Nein, dieses Ziel hatte sich Söder nie gesetzt, das erschien außerhalb des Möglichen. So stellte er sich nach der Landtagswahl im Herbst 2018 auf zwei schöne Legislaturperioden im Freistaat ein, auf kreatives Regieren, Repräsentation und gelegentliche Querschüsse aus dem Süden gegen die Regierungscdu. „Mein Platz ist in Bayern“, lautete sein oft verkündetes Mantra.
Dieses ließ er aber in den jüngsten Talkshow-auftritten weg oder wandelte es ab: „Mein Platz ist jetzt in Bayern.“Selbst die fleißigsten Söderologen trauten sich bis zum Sonntag keine Prognose zu, wie er es denn nun mit einer Kanzlerkandidatur hält: Ob er sie will, ob er gebeten werden möchte oder angesichts der miesen Unions-werte sowieso lieber in München bleiben wird. Söder scheut das Risiko, er will sich einer Sache sicher sein, bevor er zugreift.
„Politik wird immer schnelllebiger“, hatte er mal in einem Gespräch gesagt. Die Macht grüner Ideen – Volksbegehren Artenschutz – wie auch vor allem das Corona-jahr haben Söder verändert. Er bekam das
Image des konsequenten Corona-bekämpfers. Häufig ging Bayern mit Beschränkungen voran, andere Länder folgten. Söder erlebte, dass ihm die ernsthafte Rolle des Staatenlenkers in dieser chaotischen, schlimmen Zeit liegt. Mit der Pandemie scheint er gewachsen zu sein.
Zeitgleich das Personalchaos bei der CDU: ein unglaublich langer Findungsprozess für einen Vorsitzenden. Seine Umfragewerte waren und sind die mit Abstand besten, die der anderen stürzen ab. Ausgerechnet Söder, der als „Ichling“abgewatscht wurde, wird nun republikweit als ebenso verantwortungsvoller wie dominanter Politiker wahrgenommen. Und als einer, der nach dem zerstörerischen Flüchtlingsstreit vom Sommer 2018 so fest zur Kanzlerin steht wie sonst kaum jemand.
Das ist ihm, der Stimmungen regelrecht aufsaugt, natürlich nicht entgangen. Und es schmeichelte ihm, dass er immer öfter als möglicher Kandidat genannt wurde. Er hat damit auch gespielt, hat immer wieder auf die Umfragewerte hingewiesen – für seine Verhältnisse aber recht dezent. Vor seinem Bekenntnis zur Kandidatur am Sonntag hat er, da kann man sicher sein, die Unterstützung einiger Cdu-schwergewichte eingeholt, die bald auftreten werden.
Wie es nun genau weitergehen soll, bleibt am Sonntag unklar. Sehr viel länger lässt sich die Entscheidung jedenfalls nicht mehr hinauszögern. Die Machtaufstellung hat sich nicht geändert: Laschet ist Chef der größeren Partei, Söder hat die besseren Umfragewerte. Am Montag tagt das Präsidium der CDU trotz Corona in Präsenz. Es geht also offenbar um etwas. Stellt sich die Spitze der Christdemokraten hinter Laschet, hat Söder eigentlich, so will es die Unionsarithmetik, keine Chance. Manch einer interpretiert Söders Verweis auf den Willen der „großen Schwester“daher als Einstieg in den Ausstieg. Andererseits trommelt auch Söder seine Parteispitze zusammen: Csupräsidium am Montagabend.
Sicher dürfte eines sein: Bis Pfingsten wird es nicht mehr dauern mit der K-entscheidung in der CDU.