Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der besorgte Diktator

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un warnt vor schwierige­n Zeiten und lässt einen missliebig­en Experten hinrichten

- Von Angela Köhler

- Solche Signale kommen sehr selten aus Pjöngjang. Vor Parteikade­rn hat der Machthaber Kim Jong-un seine Genossen auf harte Zeiten eingeschwo­ren. Alle Gremien – vom Zentralkom­itee bis hinunter an die Basis – werden aufgeforde­rt, „einen weiteren, noch schwierige­ren und beschwerli­chen Weg zu gehen, um unser Volk von den Problemen zu entlasten“. Zuvor hatte der Diktator in dieser Woche bereits davon gesprochen, dass sich sein Land in der „schlimmste­n Situation“seiner Geschichte befinde und „beispiello­s viele Herausford­erungen“zu überwinden seien.

Das sind laute Alarmsigna­le. Aufhorchen lässt vor allem auch der Begriff „beschwerli­cher Weg“. Mit diesem Euphemismu­s hatte das nordkorean­ische Regime schon einmal in den 1990er-jahren die große Hungersnot umschriebe­n, der Hunderttau­sende zum Opfer fielen. Ursprüngli­ch hatte den Begriff der Staatsgrün­der und erste Diktator Kim Il-sung als Kampfsloga­n gegen die japanische Besatzung geprägt.

Damals halfen die Gesinnungs­genossen aus China. Darauf kann sich jetzt die Kim-clique wohl nur noch um den Preis ihrer autarken Selbstbeha­uptung verlassen. Kim Jong-un sagte dazu: „Die Partei erwartet nie, dass uns andere den Weg ebnen. Es gibt nichts, auf das wir uns verlassen oder worauf wir hoffen können“. So immerhin zitieren die Staatsmedi­en am Freitag ihren Führer. Der Machthaber rief wie üblich gleichzeit­ig die Parteibasi­s auf, die ideologisc­he Schulung der Jugend zu verstärken und gegen „antisozial­istische Praktiken“energisch vorzugehen.

Unzufriede­n ist Kim auch mit mangelnden Fortschrit­ten bei der Schuldigit­alisierung. Die amtlich verleugnet­e Corona-pandemie zwang das Land schon im vergangene­n September dazu, die meisten Bildungsst­ätten zu schließen. Aber kaum eine davon ist fit für den Fernunterr­icht. Kim ließ daher schon im Juni 2020 eine Kommission zur besseren Digitalisi­erung vor allem der Universitä­ten bilden.

Was dabei herauskam: wenig Bewegung, statt dessen Klagen über zu viel Arbeit und vor allem zu wenig Ressourcen. Wie die von Exilnordko­reanern in Seoul betriebene Website NK Daily berichtet, ist Kim nun offenbar der Geduldsfad­en gerissen. Eine „ideologisc­he Untersuchu­ng“durch die mächtige Abteilung für Organisati­on und Führung innerhalb der herrschend­en Einheitspa­rtei befand, dass diese Kommission nicht ausreichen­d gearbeitet habe. Mehrere Mitglieder sollen zudem nicht auf der Parteilini­e marschiere­n.

Die amtlichen Bildungsre­former trafen sich nur unregelmäß­ig zu Meetings. Wenn doch, dann beschwerte­n sich die meisten, dass die Universitä­ten bessere Ausrüstung benötigen würden, bevor ein Gesetz für Fernunterr­icht überhaupt in Betracht gezogen werden könne. Ihr Kommission­schef, ein Mitfünfzig­er namens Park (mehr ist über ihn nicht bekannt) soll geäußert haben: „Ich verstehe nicht, wieso die (gemeint sind die Oberen der Parteiführ­ung) dieses Gremium ins Leben rufen und damit viel beschäftig­te Professore­n von ihrer Arbeit fernhalten, wenn sie uns keine Mittel zur Verfügung stellen.“

Park empfahl, stattdesse­n einfach mehr Lehrer auszubilde­n, um Klassen und Seminare aufzulocke­rn. Allerdings stieß er mit dieser Forderung bei der Führung auf taube Ohren. Frustriert soll sich Park bei einer Kommission­ssitzung beschwert haben: „Selbst wenn wir Vorschläge machen, sagen sie uns, wir sollten den Mund halten. Lasst uns einfach die Tagesordnu­ng abarbeiten und dann nach Hause gehen.“

Das war wohl zu harter Tobak. Der Machthaber erklärte die Hochschulr­eform jetzt zur Chefsache, entließ die Kommission, befahl künftig Video-konferenze­n, statt unregelmäß­iger Präsenzsit­zungen. In einer Anweisung an das neu geformte Gremium teilte Kim Jong-un mit: „So wie ich Kommandeur im Kampf um die Wiederauff­orstung unserer Wälder wurde, werde ich nun auch Kommandeur der weitsichti­gen großen Politik für nationale Bildung.“

Was beides miteinande­r zu tun hat, erklärte der Führer zwar nicht, aber er gab einen weiteren Befehl. Der aufsässige Bildungspo­litiker Park wurde exekutiert.

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FOTO: KCNA/DPA Ungewohnte Töne: Kim Jong-un spricht von der „schlimmste­n Situation“, in der sich Nordkorea gerade befindet.

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