Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fast täglich erhebt eine weitere Bank Strafzinse­n

Zahl der Geldhäuser, die von Privatkund­en Verwahrent­gelte für geparktes Vermögen nehmen, steigt – Betroffen sind vor allem Tagesgeldk­onten

- Von Friederike Marx

(dpa) - In der Coronapand­emie legen viele Menschen Geld auf die hohe Kante, doch immer häufiger werden größere Summen zum Minusgesch­äft. Inzwischen verlangen 300 Banken und Sparkassen vor allem für Tagesgeld ein sogenannte­s Verwahrent­gelt von meist 0,5 Prozent, wie aus Daten des Vergleichs­portals Verivox hervorgeht. Allein in den ersten 100 Tagen des laufenden Jahres führten demnach mehr als 100 Geldhäuser Strafzinse­n ein (Stand: 9. April).

„Aktuell kommen nahezu täglich weitere Banken hinzu“, berichtete Oliver Maier, Geschäftsf­ührer der Verivox Finanzverg­leich Gmbh. Nach seiner Einschätzu­ng hat Corona den Trend beschleuni­gt. „In der Pandemie legen viele Verbrauche­r ihr Geld lieber aufs Konto, statt es auszugeben. Für Banken ist das ein Problem, denn sie zahlen selbst Strafzinse­n auf überschüss­ige Einlagen“, sagte Maier. „Je mehr Spargelder sie annehmen müssen, desto größer wird der Druck auf die Kreditinst­itute, diese Kosten an ihre Kunden weiterzuge­ben.“

Die Sparquote in Deutschlan­d war im vergangene­n Jahr auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent gestiegen. Von 100 Euro verfügbare­m Einkommen legten die Haushalte somit im Schnitt gut 16 Euro auf die hohe Kante.

Geschäftsb­anken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüss­ige Gelder bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträg­e für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliarden­belastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser ganz oder teilweise weiter und berechnen ihren Kunden Negativzin­sen. Lange Zeit verlangten Banken vor allem bei großen Summen ab 100 000 Euro Strafzinse­n. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 95 Institute Negativzin­sen schon ab einem Gesamtguth­aben von 50 000 Euro oder weniger. Andere schließen eine Verringeru­ng des Grenzwerte­s nicht aus.

„An die breite Privatkund­schaft werden wir keine Negativzin­sen weitergebe­n. Aber die Frage ist, wo das Ende der Breite ist“, sagte die Privatkund­en-vorständin der Commerzban­k, Sabine Schmittrot­h, jüngst dem „Handelsbla­tt“. „Daher werden wir uns die Höhe der Freibeträg­e immer wieder anschauen.“Aktuell liegen sie bei 100 000 Euro.

Auch die Bundesbank war jüngst zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wachsende Zahl von Kreditinst­ituten

die Strafzinse­n an Kunden weitergibt. „Der Anteil der Banken in Deutschlan­d, die ihre Kundeneinl­agen im Durchschni­tt negativ verzinsen, nahm 2020 weiter zu“, hieß es im Bericht der Bundesbank für Februar.

Unternehme­n sind seit geraumer Zeit von Minuszinse­n auf Sichteinla­gen wie Giro- und Tagesgeldk­onten und auf Termineinl­agen wie Festgeld betroffen. Auch bei Sichteinla­gen von Privatkund­en sei „ein bisher ungebroche­ner Aufwärtstr­end erkennbar“, schrieb die Bundesbank. Termineinl­agen wie Festgeld von Privatkund­en seien im Durchschni­tt aber weiterhin positiv verzinst.

Verbrauche­rschützern zufolge sind Negativzin­sen bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrent­gelt explizit mit ihnen vereinbart wurde. Es reiche nicht, lediglich die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen

(AGB) zu ändern.

Verivox wertet die im Internet veröffentl­ichten Preisaushä­nge von etwa 1300 Banken und Sparkassen aus. Überwiegen­d gelten Strafzinse­n für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnun­gskonten erhoben.

Daneben berechnen Verivox zufolge 18 Geldhäuser eine Gebühr für das üblicherwe­ise kostenfrei­e Tagesgeldk­onto. Dadurch entstünden faktisch Negativzin­sen. „Das Geld auf dem Konto wird weniger, auch wenn die Bank nominal 0,00 oder 0,01 Prozent Zinsen ausweist.“

Hintergrun­d der Misere ist die Politik der EZB, die den Zins seit Jahren auf einem Rekordtief hält, um die Wirtschaft ins Laufen zu bekommen. Kalkül ist, dass die Geschäftsb­anken bei den niedrigen Zinsen einfacher Kredite an Unternehme­n ausgeben.

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