Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie die Pandemie die Tafel verändert

Leiterin Susanne Pfeffer berichtet über die Einrichtun­g für Hilfsbedür­ftige

- Von Tine Steinhause­r

- „Die Schwelle zu unserer Einrichtun­g ist für viele Menschen sehr hoch“, sagt Susanne Pfeffer, Ehrenamtsk­oordinator­in, beim Betreten des Wangener Tafelladen­s am Buchweg. Derzeit haben etwa 100 Haushalte einen Tafelauswe­is – also die Berechtigu­ng, in dem Geschäft einzukaufe­n, weil sie bedürftig sind. Ältere Menschen mit kleinen Renten, Alleinerzi­ehende mit geringen Einkünften oder Großfamili­en, bei denen es hinten und vorne nicht reicht, gehören zu den Kunden. „Armut ist aber auch in Wangen weiter verbreiter­t. Nicht jeder wagt es, seine Bedürftigk­eit einzugeste­hen“, so Pfeffer, die auch Veränderun­gen durch die Pandemie bemerkt hat.

Die Idee, Lebensmitt­el, die es in Deutschlan­d im Überschuss gibt und die oft achtlos entsorgt werden, einzusamme­ln und an Menschen mit wenig Geld abzugeben, ist längst etabliert und wird in den Tafeln in ganz Deutschlan­d umgesetzt. In Wangen hat der Tafelladen seit etwa zehn Jahren an zwei Nachmittag­en in der Woche geöffnet. Träger sind das Deutsche Rote Kreuz und die Caritas. Das gesamte Projekt, das Einsammeln der Lebensmitt­el, das Aussortier­en und Aufbereite­n und der Verkauf wird von Ehrenamtli­chen betrieben. Susanne Pfeffer ist als Koordinato­rin fest angestellt und kümmert sich auch um die Akquise neuer Spender, und das nicht nur für Wangen, sondern auch für die Tafeln in Bad Wurzach, Isny und Leutkirch.

Hat sich etwas verändert, seit die Corona-pandemie uns im Griff hat? Fast wehmütig blickt Pfeffer in den kleinen, heimelig wirkenden Verkaufsra­um im vorderen Teil des Hauses. „Wir mussten den Verkauf nach hinten verlegen, weil der Raum größer ist, und wir dort das Hygienekon­zept besser umsetzen können“– das sei ungemütlic­her. Zudem müssten sie den Kunden ein kleines Zeitfenste­r anbieten, um einzukaufe­n. „Normalerwe­ise kommen alle direkt, wenn wir öffnen, weil dann das Angebot am größten ist, das geht jetzt nicht mehr“.

Und es gehe auch nicht mehr, dass die Ehrenamtli­chen ein kurzes, aber gutes und wichtiges Gespräch mit den Kunden führen. Das gehöre eigentlich zum Ansatz, zur Idee, eben nicht nur, dass Lebensmitt­el gerettet würden, dass zur Nachhaltig­keit und zur Versorgung der Bedürftige­n beigetrage­n würde, sondern auch, dass persönlich­e Kontakte entstehen könnten. „Viele Kunden sagen zu den Ehrenamtli­chen, dass sie doch sonst niemanden zum ‚Schwätzen‘ hätten“. Pfeffer bedauert diese Entwicklun­g sehr, während sie das aktuelle Angebot zeigt, da gibt es vom frischen Brokkoli, über Dosensuppe bis hin zu Haarshampo­o beinahe alles. Sie kann bislang nicht bestätigen, dass die Anzahl der Kunden aufgrund der Pandemie zunähme. Vermutlich wird sich dies erst später auswirken, wenn wirtschaft­liche Veränderun­gen, die Corona mit sich bringen kann, sich in ihrem gesamten Ausmaß zeigen. Verändert hätte sich seit

Beginn der Krise auch, sagt Pfeffer, dass die Ehrenamtli­chen noch motivierte­r dabei wären. „Viele sagen, dass sie durch die Arbeit im Tafelladen wenigstens einmal in der Woche aus dem Haus kommen und was anderes sehen“. Der Einsatz von stolzen 60 Ehrenamtli­chen ist pro Woche erforderli­ch, um die gesamte Logistik der Wangener Tafel zu organisier­en. Für die Zukunft wünscht sich Pfeffer, „dass Armut kein Stigma ist, kein Stempel auf der Stirn“, dass die Bedürftige­n, es wagen, den Schritt über die Schwelle in den Laden zu wagen.

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FOTO: TINE STEINHAUSE­R Die Ehrenamtsk­oordinator­in der Tafeln in Bad Wurzach, Leutkirch, Isny und Wangen, Susanne Pfeffer, berichtet von den Veränderun­gen, die Corona für das Projekt mit sich bringt.

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