Bedürftigkeit im Kreis Ravensburg steigt
Sozialläden berichten teils von erhöhter Nachfrage – Einrichtungen benötigen Spenden
- Sozial- und Tafelläden in der Region berichten teilweise über eine gesteigerte Nachfrage in ihren Einrichtungen seit Beginn der Corona-pandemie. Die Lage ist allerdings nicht überall gleich.
Vor allem jüngere Menschen und Familien kommen seit Beginn der Kurzarbeit verstärkt in die Tafelläden im bayrischen Allgäu. Die berichten nicht nur von einer Zunahme der Bedürftigkeit, sondern auch davon, dass sich die Not inzwischen durch alle gesellschaftlichen Schichten ziehe. Anders beurteilt Walter Lehmann vom Ravensburger Tafelladen die Situation. Er sagt: „Die Zahl unserer Kunden schwankt im Laufe der Woche, bleibt aber nach unserem Gefühl relativ konstant.“Unter den Menschen, die in den Tafelladen kommen, seien viele Senioren, die Hauptgruppe bildeten aber Migranten. Das Durchschnittsalter der Kunden schätzt Lehmann auf 50 bis 55 Jahre: „Groß nachgefragt werden, soweit vorhanden, Öl, Zucker, Mehl und Reis. Ansonsten unser Gemüse und Obst. Fehlen tut es derzeit an Hygieneartikeln.“Der Ravensburger Tafelladen sei dankbar für alle Warenspenden, aber auch für Menschen, die sich dort als weitere Helfer engagieren wollen.
„Ganz erheblich“angestiegen ist die Bedürftigkeit seit der Coronapandemie, berichtet hingegen Rudi Heilig, Vorsitzender der Suppenküche Klosterstüble Bad Waldsee. Neben der Essensausgabe, die im Normalfall montags bis freitags stattfindet, aber wegen der Corona-pandemie
derzeit nicht angeboten werden kann, ist die Suppenküche auch Ansprechpartner für Menschen in finanziellen Nöten. Und diese Sorgen haben seit März 2020 stark zugenommen, so Heilig. Vor allem Menschen mit kleiner Rente oder Arbeitslosengeld II seien betroffen, da sie ihre 450-Eurozusatzjobs (als Reinigungskraft, als Bedienung oder als Küchenhilfe) wegen der aktuellen Situation verloren haben und keine staatlichen Hilfe für diese Ausfälle bekommen, wie Heilig ausführt.
So hätten sich die Hilfeanfragen seit einem Jahr verdoppelt. Insgesamt mehr als 50 000 Euro hat die Suppenküche im vergangenen Jahr an die Antragsteller (nach voriger sorgfältiger Prüfung) ausgezahlt. Das Geld stammt aus zahlreichen Spenden und von der Sz-nothilfe, die nach Angaben von Heilig ein „starker Partner“sei und im Jahr 2020 insgesamt 30 000 Euro beigesteuert habe. Das Geld komme zu 100 Prozent den Menschen in Not zugute, da alle Mitarbeiter (mehr als 30) ehrenamtlich arbeiten.
Bei der Essensausgabe, seit zwölf Jahren die Konstante bei der Suppenküche, seien die Zahlen der Menschen, die zum Essen kommen, in etwa gleich geblieben. Zwischen den beiden Lockdowns im März und November vergangenen Jahres habe das Essensangebot etwa drei bis vier Monate angeboten werden können. Menschen ohne Berechtigungsschein des Sozialamts zahlen für ein Essen fünf Euro. Mit Schein kann man für zwei Euro ein Essen bekommen und zusätzlich an zwei Tagen kostenlos essen. Da die Essensausgabe derzeit nicht möglich ist, werden Menügutscheine der Risstalmetzgerei ausgegeben. Personen mit Berechtigungsschein des Sozialamts zahlen pro Woche sechs Euro für fünf Tage. Die Ausgabe der Gutscheine erfolgt wöchentlich am Montag und Dienstag von 10 Uhr bis 11 Uhr in der Suppenküche. Eine Öffnung der Suppenküche ist noch nicht in Sicht, so Heilig. Sie kann erst im Zusammenhang mit der Gaststättenöffnung erfolgen.
Keinen bedeutsamen Kundenanstieg verzeichnet hingegen der Kolpingladen Solisatt in Aulendorf, berichtet Christl Doll. Dort können Menschen mit Berechtigungsschein ihre Nahrungsmittel besorgen. Zur Kundschaft gehören vor allem Migranten und in Aulendorf wohnende Russlanddeutsche. Je nachdem, wie viele neue Flüchtlinge derzeit da sind, schwanke die Zahl der Kunden. Zumeist seien es in Summe etwa 20 bis 30 Kunden mit Berechtigungsschein, die dienstags oder freitags zu den Öffnungszeiten jeweils ab 10 bis
Walter Lehmann vom Ravensburger Tafelladen etwa 12 Uhr kommen. Ab etwa 11 Uhr dürfen auch Menschen ohne Berechtigungsschein die günstigen Nahrungsmittel, die von Aulendorfer Geschäften gespendet werden, einkaufen. Das seien in der Regel zwischen sechs und sieben Menschen. Nahrungsmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum gerade knapp überschritten ist, werden verschenkt. Was übrig ist, wird von Landwirten abgeholt. „Wir werfen nichts weg“, so Doll.
„Die Zahl der Bedürftigen nimmt schon zu“, berichtet Katja Baumgardt von den Johannitern. Sie betreut die Foodsharing-initiative im Leutkircher Sonnentreff. An zwei Tagen pro Woche kann dort jeder kostenfrei Lebensmittel mitnehmen, die vor der Mülltonne gerettet wurden. Bis zu 40 Menschen pro Öffnungstag finden sich in diesen Tagen vor dem Leutkircher Sonnentreff ein, um sich dort mit älteren, aber noch gut verzehrbaren Lebensmitteln einzudecken, die ohne die Foodsharing-initiative wohl in Abfallbehältern gelandet wären. „Wirklich Bedürftige stehen manchmal schon eine halbe Stunde vor Öffnung an“, erzählt Baumgardt. Dazu zählten viele Rentner und auch eine große Zahl an ausländischen Mitbürgern.
Bei den Tafelläden in Leutkirch, Isny, Bad Wurzach und Wangen sei indes kein signifikanter Kundenanstieg zu verzeichnen. Das erklärt Wolfgang Stockburger, der beim Drk-kreisverband für die Tafeln im Altkreis Wangen zuständig ist. Einen möglichen Grund sieht er darin, dass die Hürde bei vielen Menschen wohl hoch ist, einen Tafelausweis zu beantragen.
„Groß nachgefragt werden, soweit vorhanden, Öl, Zucker, Mehl und Reis. Ansonsten unser Gemüse und Obst. Fehlen tut es derzeit an Hygieneartikeln.“