Der Biber ist weiter auf dem Vormarsch
Konflikte gibt es mit Grundstücksbesitzern – Kreis Biberach versucht Lösungen zu finden
- Der Biber ist zurück und im Landkreis Biberach längst wieder heimisch geworden. Laut einer Zählung im Jahr 2018 wurden im Kreis rund 264 Biberreviere erfasst. Rund 1000 Tiere leben damit im Kreis und sorgen für Freud und Leid. Während der Biber an vielen Orten gar nicht stört, gibt es mancherorts große Konflikte bei Landnutzern und Grundstücksbesitzern. Auch im Rindenmooser Wald sind einige Biberfamilien heimisch geworden, wie man an den vielen anund umgenagten Bäumen sehen kann. Der Landkreis ist längst aktiv geworden. Er hat im Jahr 2018 einen umfassenden Zustandsbericht mit Gefährdungsanalyse sowie fallbezogene Lösungsansätze erstellt. Er nimmt auch an einem Pilotprojekt des Landes teil und bildet überdies ehrenamtliche Biberberaterinnen und -berater aus.
Ursprünglich wollte der Landkreis in jeder Stadt und Gemeinde einen solchen ehrenamtlichen Biberberater haben, um den Betroffenen vor Ort bei der Suche nach Lösungsansätzen und dem Ermöglichen einer Koexistenz von Biber und Bewirtschaftung zu helfen. Aktuell gibt es im Landkreis Biberach allerdings nur vier ehrenamtliche Biberberaterinnen beziehungsweise -berater. „Da die Aufgabe sehr zeitintensiv und manchmal durchaus konfliktträchtig ist, ist es schwer, weitere Ehrenamtliche für die Aufgabe zu gewinnen“, sagt Walter Holderried, Erster Landesbeamter, der beim Landratsamt unter anderem für den Bereich Umwelt zuständig ist. „Es bleibt auch zu erwähnen, dass ehrenamtliche Biberberater zwar bei kurzfristigen Lösungen vor Ort helfen können, aber die mitunter kostenträchtigen Anforderungen, die zur Umsetzung nachhaltiger Lösungen erforderlich sind, nur bedingt erfüllen können. Hierzu bedarf es eines hohen zeitlichen Aufwands, einer engen Vernetzung unter den betroffenen Akteuren und eines hohen Maßes an fachlichem Wissen in unterschiedlichen Fachgebieten.“Zudem seien wirklich erfolgversprechende Lösungen meist mit einem vergleichsweise hohen Einsatz an finanziellen Mitteln verbunden.
Finanziert wurde das landesweit einmalige Pilotprojekt des Landkreises 2018 von der Stiftung Naturschutzfonds Baden-württemberg mit 50 000 Euro. Doch diese Förderung reichte bei Weitem nicht aus, um das Biberprojekt zu finanzieren. Deshalb steckt der Landkreis auch eigene sowie weitere Fördermittel des Landes in das Bibermanagement. Auch die Städte und Gemeinden haben in bestimmten Fällen Anspruch auf Fördermittel und rufen diese in unterschiedlichen Projektansätzen auch ab. Denn die Schäden, die der Biber anrichtet, sind teilweise enorm: „Im Jahr 2018 wurde für die Vorjahre eine ungefähre Größenordnung von jährlich circa 200 000 bis 250 000 Euro für die Bewältigung von Schäden des Bibers durch die Kommunen grob geschätzt“, so Walter Holderried.
Bevor der Landkreis 2018 das Bibermanagement und die Ergebnisse vorstellte, waren die beiden Biberexperten Gerhard Schwab und Josef Grom mit ehrenamtlichen Helfern zehn Monate in den 45 Städten und Gemeinden des Landkreises unterwegs und haben alle Biberreviere erfasst. Damals gab es die meisten Reviere in Riedlingen und in Rot an der Rot, dort wurden jeweils 21 Reviere erfasst. Gar keine Biber gab es beispielsweise im Gemeindegebiet von Allmannsweiler. Damit war der Kreis zumindest 2018 der biberreichste Landkreis in Baden-württemberg, damals gingen die Experten von rund 3500 bis 4000 Bibern im Land aus, mehr als 1000 davon allein im Landkreis Biberach. Wie sich die Lage bis heute entwickelt hat, lässt sich schwer sagen: „Die Biokapazität, also wie groß der Bestand insgesamt vom Lebensraum her noch werden kann, wurde seinerzeit mit weiteren Steigerungsmöglichkeiten von rund 30 bis 50 Prozent angegeben“, so Holderried. „Biberreviere bleiben hinsichtlich ihrer Dimension aber nicht auf Dauer. Die Grenzen verändern sich, neue Lebensräume werden besiedelt, teilweise werden aber auch Reviere aufgegeben.“
Einerseits könne der Biber als eine ökologische Bereicherung unserer heimischen Fauna betrachtet werden, andererseits verzeichnen dadurch insbesondere die Kommunen, aber auch die Landbewirtschafter – also Landwirte und Waldbesitzer – nicht wenige Nutzungskonflikte und damit verbunden erhebliche finanzielle Aufwendungen. „Deshalb bedarf es zu diesem Thema dringend einer maßnahmenund praxisbezogenen Managementstrategie“, Holderried.
In einer intensiv genutzten Kulturlandschaft stoßen die landschaftsgestaltenden Aktivitäten des Bibers, in dem er zum Beispiel Bäche aufstaut und damit auch das Wasserregime angrenzender Grundstücke verändert, oft an Grenzen, die entsprechende Maßnahmen erfordern. „Das Öffnen von verstopften Drainagen, das Anbringen von Nageschutz an Uferbäumen, das Legen von Paralleldrainagen oder in Extremsituationen auch die Entfernung eines Dammes in einem Triebwerkskanal oder dem Auslass einer Kläranlage verursachen bei den Kommunen oft bis zu fünfstellige Kosten im Jahr“, so der Erste Landesbeamte. Dabei nicht eingerechnet seien die teilweise erheblichen Schäden an Feldfrüchten, Bäumen, Infrastruktureinrichtungen und auch den Flächen selbst durch Hochwasserschutzdämme oder Straßendämme.
Problematisch seien Bereiche, in denen der Biber wichtige Infrastruktureinrichtungen beeinträchtigt, zum Beispiel Dammbauten in Zu- oder Abläufen von Kläranlagen, Grabarbeiten des Bibers in Hochwasseroder Straßendämmen, Überflutungen, welche Straßen, Wege oder Siedlungen betreffen oder Untertunnelung von Wegen oder Flächen. In den
„Da die Aufgabe sehr zeitintensiv und manchmal durchaus konfliktträchtig ist, ist es schwer, weitere Ehrenamtliche für die Aufgabe zu gewinnen.“
so genannten Beispielen könne nicht durch einfache Maßnahmen Abhilfe geschaffen werden. Schutzmaßnahmen würden im Einzelfall erhebliche finanzielle Aufwendungen erfordern.
Auch im Rindenmooser Wald ist der Biber inzwischen bis in kleine und kleinste Gewässer vorgedrungen, wo es vermehrt zu Konflikten kommt. In den „biberfreien“Zeiten habe der Mensch oftmals Fließgewässer begradigt und Auen entwässert. Somit kehrt der Biber nunmehr auch im Landkreis Biberach in eine Kulturlandschaft zurück, die bis an den Rand der Gewässer und darüber hinaus intensiv genutzt wird. Andererseits schafft der Biber aber auch Lebensräume für viele zum Teil gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Auch deshalb unterliegt er dem Naturschutzrecht. „Er befindet sich in Anhang II und IV der Faunaflora-habitatrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (92/43/ EWG) und ist somit eine streng geschützte Art von gemeinschaftlichem Interesse“, betont Holderried. Als streng geschützte Art könne man den Biber zu einer vermeintlich schlichten Problemlösung deshalb nicht einfach einfangen oder bejagen.
Im Rahmen des landkreisweiten Biberprojekts wurden in den Jahren 2017 und 2018 die Biberreviere im Kreis kartiert und in vier unterschiedliche Kategorien eingestuft. Die grüne Kategorie ist nahezu konfliktfrei, Präventionsmaßnahmen sind nur in geringem Ausmaß erforderlich. Die gelbe Kategorie umfasst Biberreviere mit Konflikten, die mithilfe von einfachen und kostengünstigen Präventionsmaßnahmen entschärft werden können. In der orangen Kategorie sind konfliktträchtige Biberreviere markiert, die mit aufwendigen und teuren Präventionsmaßnahmen entschärft werden können. Und die rote Kategorie verzeichnet Biberreviere mit hohem und erheblichem Schadpotenzial, vorrangig im Bereich von Ortslagen
Walter Holderried, Erster Landesbeamter und öffentlicher Infrastruktur. Nachhaltige Präventionsmaßnahmen seien hier nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Es handelt sich um Bereiche, in denen der Biber nicht geduldet werden kann – wenn zum Beispiel an verschiedenen Stellen ein Bahndamm unterhöhlt wird.
Von den 264 kartierten Biberrevieren wurden 73 Reviere in die Kategorie „grün“(28 Prozent), 131 Reviere in die Kategorie „gelb“(49 Prozent) und 58 weitere Reviere als „orange“(22 Prozent) eingestuft. Die Kategorie „rot“kam zweimal vor (1 Prozent). „Im Kreis Biberach ist eine langfristige und dauerhafte Lösung der Biberkonflikte bislang nur an drei Biberrevieren wirklich erfolgreich geglückt“, sagt Holderried. Das Paradebeispiel für die gelungene Koexistenz von Biber und Landbewirtschaftung wird derzeit am Tobelbach in der Nähe von Uttenweiler im Rahmen einer Flurneuordnungsmaßnahme umgesetzt. Dies sei nur mit einem Flächenmanagement (Flächenkauf, Flächentausch) unter Einbeziehung unterschiedlicher Förderinstrumente (Wasserrahmenrichtlinie, Landschaftspflegerichtlinie, Ökopunkte) und durch Mithilfe und Wohlwollen der Gemeinde möglich gewesen.
Auch wenn eine nachhaltige Lösung in der Theorie möglich wäre, befinden sich insbesondere die Landwirte im Spannungsfeld gegenläufiger Bestimmungen (Eu-flächenförderung/bundesnaturschutzgesetz). Der dauerhafte Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche führe zu Einkommensverlusten, die man auf Dauer und ab einer bestimmten Dimension nicht einfach dem Bewirtschafter oder Grundstückseigentümer zumuten könne. „Es ist daher nicht erstaunlich, dass in unserer Wahrnehmung im Umgang und Austausch mit Betroffenen die Frustration steigt, solange man sich über Jahre mit kurzfristigen Lösungen helfen muss“, sagt Walter Holderried. Vor diesem Hintergrund sehe der Landkreis mit einer zwischenzeitlich sehr großen Erwartungshaltung dem seit einem Jahr angekündigten Biberprojekt des Umweltministeriums entgegen, hier könnte unter Umständen im Einzelfall und mit besonderer Begründung sogar eine Entnahme von Bibern in besonders problematischen Bereichen erfolgen.