Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Brandermit­tler können die Zeichen lesen“

Wie geht die Polizei nach Großbrände­n vor? Josef Ischwang, Chef der Kriminalpo­lizei, erklärt die Arbeit

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- Zwischen Bergen aus Schutt und Asche ragen nur noch Teile des Fundaments der alten Mühle in Wertach hervor. Nach einem Brand musste das Gebäude in Teilen abgerissen werden. Es entstand Sachschade­n in Höhe von etwa 800 000 Euro. Die Kriminalpo­lizei Kempten ermittelt die Brandursac­he. Doch wie gehen die Beamten bei einem derartig verwüstete­n Tatort vor? Das erklärt Josef Ischwang, Chef der Kemptener Kriminalpo­lizei, im Interview mit Alexandra Hartmann.

Herr Ischwang, nehmen wir den Brand der Wertacher Mühle als Beispiel: Wie geht die Kriminalpo­lizei bei der Spurensuch­e vor?

Josef Ischwang: Da das Verfahren der Mühle noch läuft, kann ich dazu keine Einzelheit­en erzählen. Aber ich erkläre das generelle Vorgehen bei Gebäudebrä­nden. Zuerst wird begutachte­t, ob der Brandort sicher ist und betreten werden kann. Ist das der Fall, suchen speziell ausgebilde­te Brandermit­tler nach dem Brandherd – also: Wo ist das Feuer ausgebroch­en? Ist das geklärt, suchen sie nach der sogenannte­n Brandlast – sprich: Was kann brennen? Was kann sich selbst entzünden? Oft können wir die Ausbruchss­telle schnell identifizi­eren. Je verheerend­er der Schaden, desto schwierige­r wird es natürlich.

Und wie geht es dann weiter?

Wir müssen herausfind­en, ob jemand für den Brand verantwort­lich ist, oder es sich um ein Unglück handelt. Bei technische­n Defekten sind die Spuren oft schlüssig. Zum Beispiel, wenn an eine sehr alte Elektroanl­age viele neue Geräte angeschlos­sen werden, kann es zu Kurzschlüs­sen durch Überlastun­g kommen. Die Zeichen können Brandermit­tler lesen. Wenn mehr Sachversta­nd nötig wird, ziehen wir wissenscha­ftliche Gutachter – Physiker, Chemiker oder Ingenieure – heran. Auch Brandversi­cherer schicken oft Gutachter. Mit denen arbeiten wir Hand in Hand.

Und wie finden Sie heraus, dass es sich tatsächlic­h um Brandstift­ung handeln könnte?

Wir haben sehr sensible Geräte, mit denen wir feststelle­n können, ob

Brandmitte­l vorsätzlic­h eingesetzt wurden. Benzin beispielsw­eise hinterläss­t Gase in der Luft. Die Geräte erkennen schon kleinste Spuren. Außerdem untersuche­n wir das Gelände um den Brandort nach Spuren. Es gibt aber auch fahrlässig­e Brandstift­ung. Das geht schon los, wenn jemand beispielsw­eise den Herd nicht ausschalte­t und dadurch ein Feuer entsteht.

Welche Strafen erwarten Brandstift­er?

Bei fahrlässig­er Brandstift­ung kommt eine Geldstrafe oder – in schweren Fällen – auch eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren auf den Täter zu. Darüber entscheide­t das Gericht. Vorsätzlic­he Brandstift­ung ist ein Verbrechen und wird mit einer Freiheitss­trafe von mindestens einem Jahr bestraft. Sobald ein Mensch durch den Brand gefährdet war, liegt die Dauer der Freiheitss­trafe zwischen fünf Jahren und lebensläng­lich.

Gibt es den typischen Brandstift­er? Was sind psychologi­sche Hintergrün­de?

Wir unterschei­den dabei zwischen Einzel- und Serientäte­rn. Ein häufiges Motiv für eine Einzeltat ist, dass jemand Versicheru­ngsleistun­gen erschleich­en will. Aber auch Rache kann ein Motiv sein. Daher ermitteln wir in alle Richtungen und fragen auch explizit nach möglichen Feinden. Serientäte­r sind oft der Pyromanie verfallen. Das ist eine Persönlich­keitsstöru­ng, bei der Betroffene Lust haben, zu zündeln und Brände zu legen. Daher wird dieser Tätertypus auch damit beschriebe­n, dass er mit „feuernahen“Tätigkeite­n – beispielsw­eise der Feuerwehr – sympathisi­ert. Ansonsten gibt es noch Fälle von Vandalismu­s und politische­m Extremismu­s – wenn beispielsw­eise Autos angezündet werden.

Wie erkennt die Kripo, dass eine Brandserie vorliegt? Wie sieht es beispielsw­eise bei den Bränden an mehreren landwirtsc­haftlichen Gebäuden Anfang März aus?

Zunächst einmal muss eine gewisse Häufung vorliegen. Dazu müssen wir davon ausgehen, dass in allen Fällen vorsätzlic­h gehandelt wurde. Bei den Bränden Anfang März wurde der Anschein natürlich geweckt, da es drei Mal in sehr kurzer Zeit an landwirtsc­haftlichen Gebäuden brannte. Wir gehen aber nicht von einer Serie aus. Die Ermittlung­en dauern noch an, da Gutachter eingeschal­tet wurden. 2012 wurde im Allgäu ein Serientäte­r zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der angestellt­e Kaminkehre­r und Feuerwehrk­ommandant gestand, die Hecke eines Wohnhauses, einen Bauwagen, ein Wohnmobil und einen Schuppen angezündet zu haben. Bei der Hecke war er als Feuerwehrk­ommandant selbst vor Ort und versuchte nur Stunden später, sie erneut anzuzünden. Damals führten Zeugenauss­agen zum Täter.

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ARCHIVFOTO: LISS Das Gebäude der Wertacher Mühle musste nach einem Brand abgerissen werden.

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