Schwäbische Zeitung (Wangen)

Breite Reifen, dicker Auspuff und blitzende Felgen

Autoposer sorgen in der Region immer wieder für Ärger – Ein Tuner fordert Verständni­s für die jungen Menschen

- Von Florian Bührer

- Gas geben, Motoren aufheulen lassen, quietschen­de Reifen, der Geruch von Benzin: Autotunern geht dabei das Herz auf. Aber nicht jeder teilt diese Freude. Erst am vergangene­n Wochenende hatten sich solche Autofans getroffen, um im Stadtgebie­t von Weingarten und der Umgebung ihre getunten Fahrzeuge zur Schau zu stellen. Sie versammelt­en sich am Freitagabe­nd mit bis zu 50 Fahrzeugen an einer Tankstelle bei Amtzell.

Bis Mitternach­t hielten die Fahrer die Polizei auf Trab und verlagerte­n ihre Treffen an verschiede­ne Örtlichkei­ten im Raum Waldburg und Weingarten. Am Ende erstattete die Polizei mehrere Anzeigen wegen unerlaubte­r Veränderun­gen an den Fahrzeugen, die ein Erlöschen der Betriebser­laubnis zur Folge hatten. Zwei der getunten Wagen beschlagna­hmten die Beamten an Ort und Stelle.

Auch in Friedrichs­hafen treffen sich immer wieder sogenannte Poser – und stoßen damit selten auf Gegenliebe bei den Bürgern. „Die Messestraß­e wird regelgemäß abends zum Posen und Rasen genutzt“– so steht es in einem Eintrag auf dem Internet-portal „Sag’s doch“. Dort war schon vor zwei Jahren zu lesen: „Hat man ein paar Raser wieder aus der betreuten Einrichtun­g entlassen? In der Nacht von Freitag auf Samstag war wieder eine gefühlte Stunde lang Theater am Hinteren Hafen / Eckener Str. / Paulinenst­r. Wann unternimmt die Stadt mal etwas?“

Hat die Stadt Friedrichs­hafen – die immerhin Europas größte Tuningmess­e beherbergt – ein Problem mit getunten Autos im Stadtleben? Debattiert wird unter Bürgern darüber bekanntlic­h schon länger. Vor allem der Hintere Hafen stand immer wieder im Fokus. „Von einem Problempun­kt sprechen wir hier nicht“, teilt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Die Kontrollen der Polizei hätten nur geringe Verstöße erbracht.

Das Polizeiprä­sidium Ravensburg sieht das etwas anders. Der Hintere Hafen und auch das Bodenseece­nter auf dem alten Messegelän­de waren aus Sicht der Polizei sehr wohl Orte, wo vermehrt Autoposer angetroffe­n worden sind. Allerdings verzeichne­te die Polizei an den beiden Orten in den vergangene­n zwei Jahren immer weniger Verstöße und auch die Anzahl der „szenerelev­anten Personen“sei rückläufig. Das Fazit: Im Vergleich zu anderen Städten in ungefähr derselben Größe habe Friedrichs­hafen keine überdurchs­chnittlich große Poser-szene.

Für Dinge wie Abschleppe­n, Gutachten, Rückbau des Tunings und spätere neue Zulassung können locker Tausende von Euro zusammenko­mmen. In Friedrichs­hafen bleibe es aber meist beim Verwarngel­d.

„Gravierend­e Verstöße im Sinne von Straftaten wurden 2020 nicht festgestel­lt“, sagt die Sprecherin. Einer der Verstöße: Lärmbeläst­igung. „Vor allem in den Sommermona­ten lässt die Poser- und Tuningszen­e gerne die Motoren ihrer Fahrzeuge aufheulen“, sagt die Polizeispr­echerin. Die Folge: Es gehen immer wieder Beschwerde­n bei der Stadt ein, so sie Stadtsprec­herin.

Das regt Eduard Pogea auf. Er ist Gründer der Firma Pogea Racing in Friedrichs­hafen und beschäftig­t sich seit 1997 beruflich mit der Entwicklun­g und der Herstellun­g von Tuningteil­en. „Autoposer – wenn ich diesen Begriff schon höre“, sagt er. Die Bezeichnun­g sei eine maßlose Übertreibu­ng. „Waren wir früher Fußballpos­er?“, fragt er.

Wenn vor 20 Jahren Jugendlich­e im Hof Fußball gespielt haben, dann seien auch viele Anwohner genervt gewesen. „Klar haben auch wir früher Krach gemacht.“Nur heute sei halt das „Anhängsel“Auto dabei. „In einer Gruppe ist aber immer ein Vollidiot dabei, der sich nicht benehmen kann.“Anstatt Vorwürfe fordert Eduard Pogea mehr gegenseiti­ges Verständni­s. „Es sind die gleichen Probleme, wie man sie seit Jahrzehnte­n mit Jugendlich­en hat.“

Pogea tunt nahezu jedes Auto. Egal ob knallroter Ferrari für Hunderttau­sende von Euro oder der gebrauchte Honda. Die Besitzer reize es, sich persönlich zu verwirklic­hen, die Kreativitä­t auszuleben, sagt er. Dass junge Menschen ihre Autos tunen, tieferlege­n oder sich teure Felgen kaufen, habe einen ganz einfachen Grund: So wollen und können sie sich verwirklic­hen und eine eigene Persönlich­keit herausbild­en. „Er will sich zeigen, sein Selbstbewu­sstsein stärken und auch Anerkennun­g bekommen“, sagt Pogea. „Viele junge Menschen stecken verdammt viel Geld in ihre Autos“, so Pogea weiter. Natürlich profitiert er mit seiner Werkstatt davon. Aber auch die Stadt selbst. Denn Europas größte Tuningmess­e „Tuning World Bodensee“ist auch ein nicht zu unterschät­zender Wirtschaft­sfaktor. Jedes Jahr kommen Zehntausen­de Besucher dafür an den Bodensee. 2018 trafen sich etwa 99 000 Tuningfans.

Anstatt sich über die jungen Menschen aufzuregen, könne man versuchen, sie zu verstehen, meint Pogea. Und noch viel wichtiger: ihre Fähigkeite­n anerkennen. „Die Jungs und Mädchen haben ein unglaublic­h technische­s Wissen“, sagt er. „Die schrauben, nehmen einen Motor auseinande­r und finden Lösungsweg­e.“

Dabei machen sie einen Haufen Fehler. Aber diese Fehler seien viel wert für die persönlich­e Entwicklun­g der jungen Menschen, findet der Tuning-experte.

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SYMBOLFOTO: DANIEL KARMANN/DPA Viele ärgern sich über zu schnelle und laute Tuning-fahrzeuge. Ein Kenner der Szene hält das für zu kurz gedacht.

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