Breite Reifen, dicker Auspuff und blitzende Felgen
Autoposer sorgen in der Region immer wieder für Ärger – Ein Tuner fordert Verständnis für die jungen Menschen
- Gas geben, Motoren aufheulen lassen, quietschende Reifen, der Geruch von Benzin: Autotunern geht dabei das Herz auf. Aber nicht jeder teilt diese Freude. Erst am vergangenen Wochenende hatten sich solche Autofans getroffen, um im Stadtgebiet von Weingarten und der Umgebung ihre getunten Fahrzeuge zur Schau zu stellen. Sie versammelten sich am Freitagabend mit bis zu 50 Fahrzeugen an einer Tankstelle bei Amtzell.
Bis Mitternacht hielten die Fahrer die Polizei auf Trab und verlagerten ihre Treffen an verschiedene Örtlichkeiten im Raum Waldburg und Weingarten. Am Ende erstattete die Polizei mehrere Anzeigen wegen unerlaubter Veränderungen an den Fahrzeugen, die ein Erlöschen der Betriebserlaubnis zur Folge hatten. Zwei der getunten Wagen beschlagnahmten die Beamten an Ort und Stelle.
Auch in Friedrichshafen treffen sich immer wieder sogenannte Poser – und stoßen damit selten auf Gegenliebe bei den Bürgern. „Die Messestraße wird regelgemäß abends zum Posen und Rasen genutzt“– so steht es in einem Eintrag auf dem Internet-portal „Sag’s doch“. Dort war schon vor zwei Jahren zu lesen: „Hat man ein paar Raser wieder aus der betreuten Einrichtung entlassen? In der Nacht von Freitag auf Samstag war wieder eine gefühlte Stunde lang Theater am Hinteren Hafen / Eckener Str. / Paulinenstr. Wann unternimmt die Stadt mal etwas?“
Hat die Stadt Friedrichshafen – die immerhin Europas größte Tuningmesse beherbergt – ein Problem mit getunten Autos im Stadtleben? Debattiert wird unter Bürgern darüber bekanntlich schon länger. Vor allem der Hintere Hafen stand immer wieder im Fokus. „Von einem Problempunkt sprechen wir hier nicht“, teilt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Die Kontrollen der Polizei hätten nur geringe Verstöße erbracht.
Das Polizeipräsidium Ravensburg sieht das etwas anders. Der Hintere Hafen und auch das Bodenseecenter auf dem alten Messegelände waren aus Sicht der Polizei sehr wohl Orte, wo vermehrt Autoposer angetroffen worden sind. Allerdings verzeichnete die Polizei an den beiden Orten in den vergangenen zwei Jahren immer weniger Verstöße und auch die Anzahl der „szenerelevanten Personen“sei rückläufig. Das Fazit: Im Vergleich zu anderen Städten in ungefähr derselben Größe habe Friedrichshafen keine überdurchschnittlich große Poser-szene.
Für Dinge wie Abschleppen, Gutachten, Rückbau des Tunings und spätere neue Zulassung können locker Tausende von Euro zusammenkommen. In Friedrichshafen bleibe es aber meist beim Verwarngeld.
„Gravierende Verstöße im Sinne von Straftaten wurden 2020 nicht festgestellt“, sagt die Sprecherin. Einer der Verstöße: Lärmbelästigung. „Vor allem in den Sommermonaten lässt die Poser- und Tuningszene gerne die Motoren ihrer Fahrzeuge aufheulen“, sagt die Polizeisprecherin. Die Folge: Es gehen immer wieder Beschwerden bei der Stadt ein, so sie Stadtsprecherin.
Das regt Eduard Pogea auf. Er ist Gründer der Firma Pogea Racing in Friedrichshafen und beschäftigt sich seit 1997 beruflich mit der Entwicklung und der Herstellung von Tuningteilen. „Autoposer – wenn ich diesen Begriff schon höre“, sagt er. Die Bezeichnung sei eine maßlose Übertreibung. „Waren wir früher Fußballposer?“, fragt er.
Wenn vor 20 Jahren Jugendliche im Hof Fußball gespielt haben, dann seien auch viele Anwohner genervt gewesen. „Klar haben auch wir früher Krach gemacht.“Nur heute sei halt das „Anhängsel“Auto dabei. „In einer Gruppe ist aber immer ein Vollidiot dabei, der sich nicht benehmen kann.“Anstatt Vorwürfe fordert Eduard Pogea mehr gegenseitiges Verständnis. „Es sind die gleichen Probleme, wie man sie seit Jahrzehnten mit Jugendlichen hat.“
Pogea tunt nahezu jedes Auto. Egal ob knallroter Ferrari für Hunderttausende von Euro oder der gebrauchte Honda. Die Besitzer reize es, sich persönlich zu verwirklichen, die Kreativität auszuleben, sagt er. Dass junge Menschen ihre Autos tunen, tieferlegen oder sich teure Felgen kaufen, habe einen ganz einfachen Grund: So wollen und können sie sich verwirklichen und eine eigene Persönlichkeit herausbilden. „Er will sich zeigen, sein Selbstbewusstsein stärken und auch Anerkennung bekommen“, sagt Pogea. „Viele junge Menschen stecken verdammt viel Geld in ihre Autos“, so Pogea weiter. Natürlich profitiert er mit seiner Werkstatt davon. Aber auch die Stadt selbst. Denn Europas größte Tuningmesse „Tuning World Bodensee“ist auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Jedes Jahr kommen Zehntausende Besucher dafür an den Bodensee. 2018 trafen sich etwa 99 000 Tuningfans.
Anstatt sich über die jungen Menschen aufzuregen, könne man versuchen, sie zu verstehen, meint Pogea. Und noch viel wichtiger: ihre Fähigkeiten anerkennen. „Die Jungs und Mädchen haben ein unglaublich technisches Wissen“, sagt er. „Die schrauben, nehmen einen Motor auseinander und finden Lösungswege.“
Dabei machen sie einen Haufen Fehler. Aber diese Fehler seien viel wert für die persönliche Entwicklung der jungen Menschen, findet der Tuning-experte.