Die Renaissance des Bäckerhandwerks
So geht es dem Bäcker-handwerk in Wangen am Tag des deutschen Brotes
Die Deutschen lieben Brot. Kein Wunder also, dass dem beliebten Backwerk in der Bundesrepublik seit 2013 einmal im Jahr ein offizieller Tag gewidmet wird. In diesem Jahr ist es der 21. April. Mehr als 3000 unterschiedliche Brotspezialitäten verzeichnet das deutsche Brotregister – trotzdem klagt das Traditionshandwerk über Nachwuchsmangel. Ein Blick auf die aktuelle Situation.
Die Deutschen und ihr Brot sind eine so einmalige Geschichte, dass die deutsche Brotkultur im Jahr 2014 bereits zum Unesco-weltkulturerbe erklärt wurde. Fragt man die Hersteller von handwerklich erzeugtem Brot, so ist es diese große Vielfalt, die die deutsche Brotkultur so einzigartig macht. Darin sind sich auch die beiden Wangener Bäckermeister Christian Koch vom Fidelisbäck und Peter Vogel von der Bäckerei Vogel einig.
„Es gibt in Deutschland extrem viele regionale Unterschiede“, erklärt Peter Vogel, der seit 1988 die Bäckerei Vogel in Wangen führt. Im Allgäu seien es vor allem die Seelen, das Laugengebäck oder rustikale Bauernbrote, die als regionale Spezialität gelten. Je höher man in den Norden komme, desto dunkler mit höherem Roggenanteil werde auch das Brot, so der Bäckermeister. Ganz im Norden der Republik finde man dann das richtige Schwarzbrot.
Im Allgäu seien es eben die Seelen, die im Hause Vogel noch immer in handwerklicher Arbeit nach altem Rezept hergestellt werden. Fertigmischungen und Zukäufe von Fertigprodukten suche man in seinem Geschäft vergebens, versichert der langjährige Chef. „Wir backen noch jede Allgäuer Seele einzeln nach altem Rezept aus. Das ist sehr arbeitsintensiv, aber vom Geschmack her auch einmalig“, weiß Vogel, und die Kunden wissen das zu schätzen. Jeder Betrieb habe seine hauseigenen Rezepte und daher haben auch die Kunden ihren besonderen Favoriten unter den Bäckern. Er selbst habe rund 90 Prozent Stammkunden, die seine Arbeit zum Teil seit vielen Jahren schätzen.
„Wir haben aber auch überregionale Kunden und haben eine Zeit lang regelmäßig Seelen bis nach Wien geliefert. Sie sind eine regionale Spezialität“, freut sich der Bäckermeister. Eine Einschätzung, die auch Christian Koch, Bäckermeister und seit eineinhalb Jahren Gesellschafter des Traditionsbackhauses Fidelisbäck, teilt. „Wir sind eine dinkelund weizenlastige Region, in der der Roggenanteil einfach niedriger ist als im Norden.“Wobei die Kunden in den letzten Jahren spürbar Dinkelbrote bevorzugen würden.
Das liege seines Erachtens nach aber vor allem an dem schlechten Image, welches das Weizenmehl in den zurückliegenden Jahren erfahren hat. Zudem hätten viele Menschen möglicherweise schlechte Erfahrungen mit industriell hergestelltem Weizenbrot aus dem Supermarkt gemacht. Dies sei aber kein Vergleich zu einem handwerklich hergestellten Weizenbrot, wo der Teig 24 bis 48 Stunden lang ruhen kann, bevor das Brot gebacken wird. In dieser Zeit werden Stoffe im Weizen abgebaut und das Brot wird bekömmlicher, erklärt der Experte. „Teige bekommen bei uns noch die Chance sich zu entwickeln und ich persönlich glaube, dass viele Menschen ein handwerklich hergestelltes Weizenbrot deutlich besser vertragen würden als die Discountervariante.“
Der 40-jährige Bäckermeister steht seit seinem 15. Lebensjahr in den Backstuben und Konditoreien der Region. Seit Anfang 2020 ist er zusammen mit zwei Kollegen verantwortlich für den Fidelisbäck in Wangen. Die Corona-pandemie kam da natürlich zur Unzeit, hat das Bäckereigewerbe aber nicht so hart getroffen wie andere Handwerke. „Wir kommen mit Einschränkungen ganz gut durch die Pandemie“, sagen beide Wangener Bäckermeister und berichten von einem grundsätzlich sogar gestiegenen Interesse am Brot. Die hauseigene Gastronomie und die Lieferungen an die umliegende Gastronomie sei hingegen fast vollständig eingebrochen.
„Wir sind richtig froh, dass wir systemrelevant sind“, bestätigt Werner Leser, Obermeister der Bäckerinnung Ravensburg, diese Einschätzung. Einbrüche gebe es, da die Cafékunden wegfallen, die Schulen nicht mehr beliefert werden und auch mehr zu Hause, vor allem Kuchen, gebacken wurde. Bei der ersten Corona-welle im vergangenen Jahr sei auch mehr Brot zu Hause gebacken worden. Jetzt allerdings nicht mehr, was wahrscheinlich dem hohen zeitlichen Aufwand geschuldet ist, den ein gutes Brot einfach braucht.
Positives weiß der Obermeister grundsätzlich auch von der Entwicklung des Bäckereinachwuchses zu berichten. Hier gebe es, wie in allen handwerklichen Berufen, zwar noch immer einen Mangel, allerdings finden sich wieder mehr junge Menschen, die das Handwerk erlernen möchten.
Das liege auch daran, dass die Arbeitszeiten inzwischen vielerorts geändert worden seien. Auch in seinem Betrieb sei die Belegschaft coronabedingt so aufgeteilt worden, dass weniger Leute gleichzeitig in der Backstube sind. „Der Teig wird gekühlt und erst am Folgetag gebacken“, erklärt Leser die dadurch mögliche Aufteilung in eine Tagund eine Nachtschicht. So könne man sich bei den Arbeitszeiten abwechseln.
Momentan seien in drei Lehrjahren im Kreis Ravensburg, Kreis Biberach und dem Bodenseekreis 62 junge Leute in der Bäckerausbildung, 37 Konditoren und 52 Fachverkäuferinnen. Erfreulich sei mittlerweile auch der Anteil der weiblichen Azubis. „Wir haben im Ausbildungsbereich 30 Prozent Frauen“, so Werner Leser, der zwei Obermeisterinnen als seine Stellvertreterinnen hat.
„Bis letztes Jahr hätte ich noch gesagt, es sieht in Sachen Nachwuchs nicht gut aus“, gibt Christian Koch zu bedenken. Allerdings habe sich die Situation gerade im vergangenen Jahr verbessert. Drei Auszubildende konnte er 2020 einstellen und auch für dieses Jahr hat er schon wieder zwei potenzielle Lehrlinge in Aussicht. „Es fühlt sich so an, als ob es wieder einfacher werden würde, Lehrlinge zu finden.“Ob dies nun ein grundsätzlicher Aufschwung oder nur eine coronabedingte Schwankung ist, weil andere Berufszweige zum Teil gar nicht einstellen konnten, müsse man abwarten.
Fest stehe aber: „Wer heute nicht ausbildet, hat morgen keine Fachkräfte“, und daher freue er sich über das steigende Interesse und blickt durchaus positiv in die Zukunft des Bäckerhandwerks.