Corona-protest in Kempten: Jetzt geht es um die Aufarbeitung
Nach der verbotenen Kundgebung am Samstag mit 1000 Teilnehmern gibt es Fragen – Behörden haben im Nachgang viel zu tun
- Die Demonstration in Kempten ist vorbei, die Aufarbeitung der Geschehnisse wird aber wohl noch eine Zeit lang dauern. Auch Tage, nachdem sich bis zu 1000 „Querdenker“trotz gerichtlichen Verbots in der Innenstadt versammelt haben, sorgen die Vorgänge vom Samstag für Gesprächsstoff.
Eine Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie konnte es passieren, dass ein ganzer Pulk von Demonstranten zeitweise unbehelligt durch die Fußgängerzone zog? „Trotz der Unterstützung der Bereitschaftspolizei waren unsere Personalressourcen nicht endlos“, erläutert Polizeisprecher Dominic Geißler. Das vorherige Geschehen auf Hildegardund Residenzplatz, wo sich zahlreiche „Querdenker“zusammengefunden hatten, sei als verbotene Versammlung eingestuft worden.
Nach der Räumung der Plätze seien daher etwa 70 bis 100 Personen umstellt und deren Personalien festgestellt worden. Dabei habe sich auch gezeigt, dass viele der Kontrollierten keine Kemptener waren. Ein Großteil seien Auswärtige gewesen – teils aus dem Allgäu, teils von weiter her. „So etwas kostet Zeit und Ressourcen, ist aber im Sinne der beweiskräftigen Dokumentation wichtig“, sagt Geißler. Dass die Klärung von Identitäten oft lange dauere, hänge auch damit zusammen, dass einige Teilnehmer sich zunächst weigerten, ihre Personalien anzugeben. Geißler: „Die Vergangenheit zeigt: Da steckt zum Teil auch Taktik dahinter. So soll Zeit geschunden und die Arbeit der Kollegen behindert werden.“Trotz allem habe man versucht, so schnell wie möglich zu reagieren und Kräfte nachzuziehen. Die Situation in der Fußgängerzone habe man außerdem über den Polizeihubschrauber im Blick gehabt, auch seien Zivilkräfte im Einsatz gewesen.
Ebenso kam die Frage auf, wieso während des Demonstrationszuges in der Fußgängerzone später nicht vehementer eingeschritten wurde. Bei vielen Menschen an einem Ort, unter denen auch Kinder und Familien waren, gelte es, bedacht zu reagieren – zumal nicht immer sofort klar war, wer demonstriert und wer beispielsweise nur Besorgungen erledigt, sagt Geißler. Daher habe es Durchsagen gegeben, dass die Demonstranten sich an die Maskenpflicht
halten und die Versammlung auflösen sollen. Letztres sei schließlich passiert. „Ansonsten hätten wir auch die Fußgängerzone geräumt.“
Im Zusammenhang mit den Geschehnissen vom Samstag sind laut Geißler zehn Straftaten erfasst worden, darunter eine Körperverletzung. Auch seien falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht Thema gewesen. Die Vorgänge würden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Auch für die Stadt Kempten wird es im Nachgang zur Demonstration wohl noch einiges zu tun geben, da Hunderte Ordnungswidrigkeiten festgestellt wurden, für die die Stadt zuständig ist: Es kam laut Polizei zu 300 Anzeigen, weil die Maskenpflicht ignoriert wurde. In 180 Fällen sei gegen das Versammlungsrecht verstoßen worden. Im
Vorfeld hatte die Demonstration das Verwaltungsgericht in Augsburg und den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München beschäftigt. Letzterer befasste sich bis zum späten Freitagabend mit der Frage, ob die geplanten Veranstaltungen stattfinden dürfen oder nicht. Gegen 23 Uhr fiel der Beschluss: Eine Demonstration und eine Versammlung an einem festen Ort bleiben verboten.
Verhandlungen am späten Abend oder über Nacht seien zwar tendenziell die Ausnahme, „im Versammlungsrecht aber auch keine absolute Seltenheit“, erklärt Dr. Jörg Singer, Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs. Die Gerichte müssten effektiven Rechtsschutz gewähren – und in einem Fall wie der Demonstration in Kempten, heiße effektiv vor allem rechtzeitig.