Schwäbische Zeitung (Wangen)

Corona-protest in Kempten: Jetzt geht es um die Aufarbeitu­ng

Nach der verbotenen Kundgebung am Samstag mit 1000 Teilnehmer­n gibt es Fragen – Behörden haben im Nachgang viel zu tun

- Von Simone Härtle

- Die Demonstrat­ion in Kempten ist vorbei, die Aufarbeitu­ng der Geschehnis­se wird aber wohl noch eine Zeit lang dauern. Auch Tage, nachdem sich bis zu 1000 „Querdenker“trotz gerichtlic­hen Verbots in der Innenstadt versammelt haben, sorgen die Vorgänge vom Samstag für Gesprächss­toff.

Eine Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie konnte es passieren, dass ein ganzer Pulk von Demonstran­ten zeitweise unbehellig­t durch die Fußgängerz­one zog? „Trotz der Unterstütz­ung der Bereitscha­ftspolizei waren unsere Personalre­ssourcen nicht endlos“, erläutert Polizeispr­echer Dominic Geißler. Das vorherige Geschehen auf Hildegardu­nd Residenzpl­atz, wo sich zahlreiche „Querdenker“zusammenge­funden hatten, sei als verbotene Versammlun­g eingestuft worden.

Nach der Räumung der Plätze seien daher etwa 70 bis 100 Personen umstellt und deren Personalie­n festgestel­lt worden. Dabei habe sich auch gezeigt, dass viele der Kontrollie­rten keine Kemptener waren. Ein Großteil seien Auswärtige gewesen – teils aus dem Allgäu, teils von weiter her. „So etwas kostet Zeit und Ressourcen, ist aber im Sinne der beweiskräf­tigen Dokumentat­ion wichtig“, sagt Geißler. Dass die Klärung von Identitäte­n oft lange dauere, hänge auch damit zusammen, dass einige Teilnehmer sich zunächst weigerten, ihre Personalie­n anzugeben. Geißler: „Die Vergangenh­eit zeigt: Da steckt zum Teil auch Taktik dahinter. So soll Zeit geschunden und die Arbeit der Kollegen behindert werden.“Trotz allem habe man versucht, so schnell wie möglich zu reagieren und Kräfte nachzuzieh­en. Die Situation in der Fußgängerz­one habe man außerdem über den Polizeihub­schrauber im Blick gehabt, auch seien Zivilkräft­e im Einsatz gewesen.

Ebenso kam die Frage auf, wieso während des Demonstrat­ionszuges in der Fußgängerz­one später nicht vehementer eingeschri­tten wurde. Bei vielen Menschen an einem Ort, unter denen auch Kinder und Familien waren, gelte es, bedacht zu reagieren – zumal nicht immer sofort klar war, wer demonstrie­rt und wer beispielsw­eise nur Besorgunge­n erledigt, sagt Geißler. Daher habe es Durchsagen gegeben, dass die Demonstran­ten sich an die Maskenpfli­cht

halten und die Versammlun­g auflösen sollen. Letztres sei schließlic­h passiert. „Ansonsten hätten wir auch die Fußgängerz­one geräumt.“

Im Zusammenha­ng mit den Geschehnis­sen vom Samstag sind laut Geißler zehn Straftaten erfasst worden, darunter eine Körperverl­etzung. Auch seien falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpfli­cht Thema gewesen. Die Vorgänge würden an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet. Auch für die Stadt Kempten wird es im Nachgang zur Demonstrat­ion wohl noch einiges zu tun geben, da Hunderte Ordnungswi­drigkeiten festgestel­lt wurden, für die die Stadt zuständig ist: Es kam laut Polizei zu 300 Anzeigen, weil die Maskenpfli­cht ignoriert wurde. In 180 Fällen sei gegen das Versammlun­gsrecht verstoßen worden. Im

Vorfeld hatte die Demonstrat­ion das Verwaltung­sgericht in Augsburg und den Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of in München beschäftig­t. Letzterer befasste sich bis zum späten Freitagabe­nd mit der Frage, ob die geplanten Veranstalt­ungen stattfinde­n dürfen oder nicht. Gegen 23 Uhr fiel der Beschluss: Eine Demonstrat­ion und eine Versammlun­g an einem festen Ort bleiben verboten.

Verhandlun­gen am späten Abend oder über Nacht seien zwar tendenziel­l die Ausnahme, „im Versammlun­gsrecht aber auch keine absolute Seltenheit“, erklärt Dr. Jörg Singer, Sprecher des Verwaltung­sgerichtsh­ofs. Die Gerichte müssten effektiven Rechtsschu­tz gewähren – und in einem Fall wie der Demonstrat­ion in Kempten, heiße effektiv vor allem rechtzeiti­g.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Im Rahmen der Demonstrat­ion am Samstag in Kempten wurden zahlreiche Personen kontrollie­rt. Die Polizeibea­mten stellten Hunderte Verstöße gegen das Versammlun­gsverbot und die Maskenpfli­cht fest.
FOTO: MATTHIAS BECKER Im Rahmen der Demonstrat­ion am Samstag in Kempten wurden zahlreiche Personen kontrollie­rt. Die Polizeibea­mten stellten Hunderte Verstöße gegen das Versammlun­gsverbot und die Maskenpfli­cht fest.

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