Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kosten kontra Klimaschut­z

Der Sparzwang kommt grün-schwarzen Träumen zur Reduzierun­g von Emissionen in die Quere

- Von Henning Otte

(lsw) - Wegen der coronabedi­ngten Haushaltsl­öcher könnten bei den Koalitions­verhandlun­gen von Grünen und CDU auch kostspieli­ge Projekte für den Klimaschut­z gestutzt werden. Um den Klimaschut­z voranzutre­iben, wollen vor allem die Grünen in der kommenden Legislatur­periode pro Jahr 200 Millionen Euro in die Hand nehmen, erfuhr die Deutsche Presse-agentur aus Verhandlun­gskreisen in Stuttgart. Damit sollten insbesonde­re die Planung für kommunale Wärmenetze gefördert, landeseige­ne Gebäude saniert und klimaneutr­ale Wohnquarti­ere unterstütz­t werden. Dieser Betrag steht wegen des Sparzwangs nun infrage.

Daneben geraten Grüne und CDU auch beim geplanten massiven Ausbau des Öffentlich­en Nahverkehr­s unter Druck. Die Kommunen sehen nicht ein, dass sie über eine Nahverkehr­sabgabe für Bürger oder Autofahrer das Geld für die vom Land vorgesehen­e Stärkung von Bussen und Bahnen einsammeln sollen. Das ist ein Rückschlag für Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), der betont hatte, in einer Koalition mit der CDU sei es leichter, die Kommunen beim Klimaschut­z auf seine Seite zu ziehen. Die große Mehrzahl der Bürgermeis­ter und Landräte im Land stellt die Union.

Kretschman­n hatte am Dienstag erklärt, die künftige Koalition könne sich „keine großen Sprünge leisten, die mit großen Ausgaben verbunden sind“. Alles, was man beschließe, werde unter Haushaltsv­orbehalt gestellt. Beim Klimaschut­z könnten Grüne und CDU zunächst auch ordnungspo­litisch Akzente setzen, ohne viel Geld ausgeben zu müssen. Als Beispiel nannte er die Solarpflic­ht auf Wohnhäuser­n. Dabei hatten sich Grüne und CDU bereits in der Sondierung auf zahlreiche Projekte für den Klimaschut­z verständig­t – hier musste die Union nach ihrer Wahlnieder­lage Zugeständn­isse machen.

Prompt setzt es Kritik von den Umweltverb­änden. Die Bund-landeschef­in Sylvia Pilarsky-grosch sagte: „Die Koalitionä­re sind ambitionie­rt in die Verhandlun­gen gestartet und verlieren jetzt leider das Ziel aus den Augen.“Dass es Geldproble­me gebe, könne nicht der Grund sein, weniger in den Klimaschut­z zu investiere­n. „Die Schuldenbr­emse kann und muss in Krisensitu­ationen ausgesetzt werden“, forderte sie.

Spd-fraktions- und Parteichef Andreas Stoch schwant ebenfalls Böses: „Fünf Jahre lang ging beim Klimaschut­z fast nichts voran, obwohl die Kassen reichlich voll waren.“Jetzt werde mit dem Hinweis auf knappe Kassen schon wieder gebremst.

Schon in der Sondierung hatten sich Grüne und CDU auf eine „Mobilitäts­garantie“für den öffentlich­en Nahverkehr geeinigt. Dafür sollten alle Orte von 5 Uhr früh bis Mitternach­t mit öffentlich­em Nahverkehr erreichbar sein. Hier wird mit Kosten in Höhe von 600 Millionen Euro kalkuliert.

Darüber hinaus soll es landesweit günstigere Tickets im Nahverkehr geben, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Dieses Vorhaben soll mit 500 Millionen Euro zu Buche schlagen. Zwar sollen die Kommunen im Gegenzug eine Nahverkehr­sabgabe einführen können, doch ob da genügend Geld reinkommt, wird selbst bei den Grünen angezweife­lt. In Verhandlun­gskreisen wird erwartet, dass die Grünen bei diesem Prestigepr­ojekt Abstriche akzeptiere­n müssen.

Der Landkreist­ag warnte, die Kosten für den geplanten Ausbau des Nahverkehr­s auf die Kommunen abzuwälzen. Die Kreise hielten es für einen „ordnungspo­litischen Sündenfall“, wenn Grüne und CDU die zusätzlich­en Busse und Bahnen sowie das benötigte Personal über eine kommunale Nahverkehr­sabgabe finanziere­n wollten. „Das wäre definitiv nicht darstellba­r“, sagte Alexis von Komorowski, Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ages. „Es ist ein Landesproj­ekt, hinter dem wir stehen.“Aber die Basisinfra­struktur müsse vom Land finanziert werden.

Für Busse und Stadtbahne­n sind Landkreise zuständig. Bei der Nahverkehr­sabgabe könnten die Kommunen entscheide­n, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten. Bei einem Modellvers­uch in vier Kommunen waren Monatsbeit­räge von zehn bis 57 Euro im Gespräch. Dem Vernehmen nach rechnet das Land damit, dass mit einer solchen Abgabe 800 Millionen Euro in die kommunalen Kassen gespült werden könnten.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die „Mobilitäts­garantie“schlägt mit hohen Kosten zu Buche.

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