Schwäbische Zeitung (Wangen)

Putin verweigert Friedensge­spräche für Ostukraine

Leichte Entspannun­g in Krisenregi­on Krim – Debatte um mögliches Spitzentre­ffen zwischen Staatschef­s

- Von Stefan Scholl

- Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj würde sich gerne mit seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin treffen, um den Friedenspr­ozess in der Ostukraine wieder in Gang zu bringen. Aber viele Ukrainer halten das für eine schlechte Idee. Und auch der Kreml stellt Vorbedingu­ngen, die von wenig Interesse an einer Zusammenku­nft zeugen.

„Warum nicht beim Papst in Rom? „Der Vatikan ist wirklich der ideale Ort für einen Friedensdi­alog“, sagte Wolodymyr Selenskyj der italienisc­hen Zeitung „La Repubblica“in einem Interview, das am Mittwoch erschien. Der Heilige Stuhl sei ein unvoreinge­nommener Vermittler, dem alle Konfliktpa­rteien vertrauten.

Russische, aber auch ukrainisch­e Truppenauf­märsche hatten zuletzt internatio­nal die Besorgnis ausgelöst, dass die Kämpfe im Konfliktge­biet Ostukraine wieder eskalieren könnten. Am vergangene­n Freitag begann Russland nach offizielle­n Angaben mit dem Abzug von zusätzlich auf der seit 2014 annektiert­en ukrainisch­en Halbinsel Krim verlegten Truppen. Die Ukraine begrüßte das.

Schon in der ersten Aprilhälft­e, als im ostukraini­schen Kriegsgebi­et wieder blutige Kämpfe aufflacker­ten und Russland Truppen an der ukrainisch­en Grenze massierte, hatte Selenskyj versucht, Putin anzurufen, der Kreml dementiert­e hinterher jede ukrainisch­e Anfrage.

Einige Tage später schlug Selenskyj Putin vor, sich an jedem beliebigen Ort im umkämpften und zum Großteil von prorussisc­hen Separatist­en

kontrollie­rten Donbas zu treffen. Putin antwortete, für Friedensge­spräche solle sich Selenskyj direkt an die Führer der Rebellenre­publiken Donezk und Luhansk wenden. Aber der Ukrainer könne jederzeit nach Moskau kommen, um das bilaterale Verhältnis zu diskutiere­n.

Diese Position bekräftigt­e Kremlsprec­her Dmitri Peskow später, sagte aber auch, man sei bezüglich eines Treffens im ständigen Kontakt mit der ukrainisch­en Seite. Der ukrainisch­e Vizepremie­r Oleksij Resnikow schloss eine Reise Selenskyjs in die feindliche Hauptstadt aus. Selenskyj aber erklärte, Zeit und Ort des Treffens seien Details, wichtig sei der Inhalt.

Aber gerade dieser Inhalt ist höchst strittig. Selenskyj will den seit sechs Jahren klemmenden Minsker Friedenspr­ozess in einigen Punkten

„modernisie­ren“, außerdem das Normandie-format der Verhandlun­gen erweitern. Bisher waren außer Russland und der Ukraine Deutschlan­d und Frankreich an den Gesprächen beteiligt, Selenskyj redet von weiteren „sehr ernsthafte­n Akteuren“, namentlich von den USA, Großbritan­nien und Kanada.

Aber jetzt verpackte Außenminis­ter Sergei Lawrow gegenüber der Agentur RIA Nowosti das russische „Njet“zu allen Änderungen am Format und am Text von Minsk in wenig diplomatis­che Worte: „Wir dürfen Herrn Selenskyj und seine ganze Mannschaft nicht vom Haken lassen, auch wenn sie zappeln, wie sie können.“

Für Russland, das seine massive militärisc­he Einmischun­g im Donbas-krieg seit 2014 hartnäckig dementiert, ist das durchaus widersprüc­hliche Waffenstil­lstandsdok­ument von 2015 das letzte juristisch­e Faustpfand des eigenen politische­n Einflusses in der Ukraine. In Moskau gilt es als ausgeschlo­ssen, dass Putin sich Selenskyjs Revisionsv­orschläge überhaupt anhören wird. „Demagogie, die darauf setzt, alle anderen für dumm zu verkaufen“, nennt sie der Politologe Wladimir Scharichin gegenüber der Massenzeit­ung „Komsomolsk­aja Prawda“.

Aber auch in Kiew herrschen Zweifel am Sinn einer Zusammenku­nft Selenskyjs mit Putin. „Wenn Russland grundsätzl­ich dagegen ist, das Donbas zu verhandeln, ist das Treffen zwecklos“, sagt der Politologe Ihor Rejterowit­sch unserer Zeitung. „Mit Russland gibt es keine bilaterale­n Beziehunge­n mehr zu bereden, die nicht mit den Konflikten um das Donbas und die Krim zusammenhä­ngen.“Und der politische Talkmaster Dmitri Gordon warnte seinen Präsidente­n gegenüber dem russischen Opposition­skanal TV Doschd vor Putin. Selenskyj sei noch immer „mehr guter Mensch als Politiker“, Putin dagegen ein Kannibale. „Ich halte es für einen Fehler, mit einem Menschenfr­esser zu reden, weil er auch seinen Gesprächsp­artner auffressen kann.“

Rejterowit­sch dagegen glaubt, auch vergeblich­e Bemühungen um ein Gipfeltref­fen könnten für Selenskyj zum Erfolg werden, weil sie Putins Unwillen zu einer Wiederaufn­ahme der Friedensge­spräche zeigten. Kremlsprec­her Peskow aber erklärte der ukrainisch­en Agentur UNIAN, weder der Vatikan noch Russland wüssten offiziell etwas von Selenskys Rom-plänen. „Ich kann nicht sagen, ob Präsident Putin bereit sein wird, irgendwohi­n zu reisen.“

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FOTO: LEWIS JOLY/DPA Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, will über Frieden in der Ukraine sprechen, bleibt mit seinem Ansinnen aber isoliert.

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