Komplizierte Beziehungen
Sanktionen und Menschenrechtsprobleme belasten die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen
- Die Kontakte zu China waren für Deutschland einfacher, als die Wirtschaft noch das alleinige Thema von Gesprächen zwischen den beiden Ländern war. Heute sind die deutschchinesischen Beziehungen ungleich komplizierter. China tritt mit dem Anspruch einer weltweit dominierenden Großmacht auf. Und statt sich dem Westen anzupassen, wie einst erhofft, exportiert es seine eigenen politischen Konzepte entlang neu geschaffener Handelsrouten in andere Schwellenländer. Zugleich sind die Berührungspunkte mit Europa viel intensiver geworden – beispielsweise beim Klimaschutz oder Gesundheitsthemen wie der gegenseitigen Anerkennung von Impfungen.
Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Mittwoch ging es daher um ein breites „Spektrum der Zusammenarbeit“, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Beginn der Online-veranstaltung zu Regierungschef Li Keqiang sagte. Beide Seiten versicherten sich zunächst ihrer Wertschätzung. Dann wurde jedoch schnell klar, dass die Gespräche auch ruppig verliefen. „China und Deutschland haben verschiedene Ansichten in einigen Fragen. Das ist eine objektive Tatsache“, sagte Li.
Konflikte gab es auf mehreren Feldern. „Das Thema der Menschenrechte spielt in unseren Gesprächen traditionsgemäß immer wieder eine Rolle“, sagte Merkel. „Hierzu gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, gerade auch wenn wir zum Beispiel an die Situation in Hongkong denken.“Li verbat sich hier jedoch sofort weitere Kritik. Deutschland solle „auf der Basis der Gleichbehandlung und Nicht-einmischung in die inneren Angelegenheiten“verhandeln. Dann könne China „günstige Bedingungen für eine weitere reibungslose Entwicklung der Kooperation“schaffen. Er wies darauf hin, dass sowohl Deutschland als auch China ein Interesse an offenen Märkten und freiem Handel haben.
Hongkong fällt dabei nach chinesischer Lesart unter die „inneren Angelegenheiten“, aus denen sich Deutschland raushalten soll. Tatsächlich
hatte die Bundesregierung nur mit Symbolpolitik reagiert, während China die Demokratie in der Stadt in den vergangenen Jahren durch ein repressives System ersetzt hat – obwohl die Freiheitsrechte dort durch internationale Verträge geschützt sein sollten. Aber Deutschland ist eben wirtschaftlich von China abhängig. VW verkauft jedes dritte Auto dort. Auch für Daimler, BMW, Adidas und Infineon ist China der wichtigste Markt der Welt. Merkel vermeidet es daher, sich eindeutig gegen China zu positionieren und sucht einen Mittelweg neben den inzwischen sehr skeptischen USA.
Dennoch gab es bei dem Gipfeltreffen eine lange Reihe von Abschlüssen und Absichtserklärungen. Denn Merkel und Li trafen sich nicht etwa nur zu zweit. Bei Regierungskonsultationen
kommt die Mehrheit der Minister zusammen, um sich in ihren jeweiligen Fachbereichen auszutauschen. Solche Treffen finden normalerweise abwechselnd in Peking und in Berlin statt, diesmal aber natürlich virtuell. Auch eine Runde mit Wirtschaftsleuten war eingebunden. Ein so enges, intensives Format ist in internationalen Beziehungen eher die Ausnahme. Merkel hofft nun, dass solche Treffen auch unter ihren Nachfolgern stattfinden werden. „Sie wissen, dass dies meine letzten Regierungskonsultationen sein werden“, sagte die Kanzlerin.
In der geschlossenen Runde ging es auch um das weitere Schicksal des Investitionsabkommens CAI. Die Eu-kommission in Brüssel und die chinesische Regierung haben es bereits unterzeichnet. Es fehlt allerdings noch die Bestätigung des Europäischen Parlaments – und mit dem hat sich China gerade zerstritten. Denn die chinesische Regierung hat gegen mehrere Abgeordnete Einreiseverbote verhängt. Das war die Antwort auf Sanktionen der Eu-seite wegen Menschenrechtsverletzungen in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang. Die chinesische Reaktion gilt als unverhältnismäßig.
Auch Berlin war betroffen: Das deutsche China-forschungsinstitut Merics fiel ebenfalls unter die Sanktionen. „Vergeltungsmaßnahmen außer Rand und Band“, nennt das der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen-fraktion, am Dienstag auf einer Merics-veranstaltung. Außenpolitik-experten aller Fraktionen haben der Kanzlerin im Vorfeld nahegelegt, das Thema Sanktionen deutlich anzusprechen und mit dem CAI zu verbinden. „Ein Schweigen würde als Schwäche ausgelegt“, warnte Bijan Djir-sarai, Fdp-abgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags.
Doch während Kritiker immer mehr Zweifel an der Tragbarkeit des CAI hegen, äußerte Merkel sich weiter positiv dazu. „Ich denke, dass dieses Investitionsabkommen auch ein Grundstein für die Wirtschaftsbeziehungen, für transparente Beziehungen, für gegenseitigen Marktzugang und Reziprozität sein kann“, sagte die Kanzlerin. Es schaffe mehr Rechtssicherheit. China müsse sich künftig an Arbeitsnormen halten. „Vernünftige Arbeitsbedingungen überall und für alle Menschen in Deutschland und in China sind von großer Bedeutung.“