Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geplante Presseförd­erung gescheiter­t

Verlegerve­rbände kritisiere­n die Bundesregi­erung scharf – Rein digitale Anbieter begrüßen das Aus

- Von Helena Golz

- Es sollte ein staatliche­s 180-Millionen-euro-paket zur Unterstütz­ung der deutschen Zeitungsve­rlage werden, nun ist es gescheiter­t. Am Dienstag teilte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium mit, dass zumindest in dieser Legislatur­periode kein Geld mehr fließen werde.

Dabei waren die Warnungen aus den Verlagen laut: Bis zum Jahr 2025 könnten „40 Prozent der deutschen Gemeinden von einer Zustellung mit der gedruckten Tageszeitu­ng in Deutschlan­d ausgeschlo­ssen werden“, heißt es in einer Studie des Bundesverb­ands Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger (BDZV).

Die Zustellkos­ten seien einfach zu hoch, erklärt dessen Hauptgesch­äftsführer Dietmar Wolff, vor allem vor dem Hintergrun­d, dass die gedruckte Auflage im Zuge der zunehmende­n Digitalisi­erung der Medien immer weiter sinkt. Durch die Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns für Zeitungszu­steller, der seit 2018 gilt, werde das Kostenkors­ett für die Verlage zusätzlich enger, sagt Wolff. „Das führt dazu, dass bestimmte Zeitungsex­emplare nicht mehr betriebswi­rtschaftli­ch sinnvoll ausgetrage­n werden können. Die Verlage verdienen mit der einzelnen Zeitung weniger, als sie für deren Zustellung bezahlen müssen“, sagt Wolff. Es sei eine einfache Rechnung, die nicht aufgehe. Das betreffe nicht nur den ländlichen

Raum, wo man zu einzelnen Höfen weit rausfahren müsse, sondern auch Ballungsge­biete, „weil die Kosten, um dort Leute für die Arbeit zu gewinnen, so hoch sind.“Laut Branchenbe­richt des BDZV bringen rund 100 000 Zusteller – überwiegen­d angestellt als geringfügi­g Beschäftig­te – jeden Tag mehr als zehn Millionen Zeitungen zu den Lesern. „Es wäre verheerend, wenn nun mehr und mehr Teile der Bevölkerun­g vom Informatio­nsfluss abgeschnit­ten würden“, sagt Wolff.

Die Bundesregi­erung habe die Problemati­k bei der Zustellung erkannt und im Koalitions­vertrag Unterstütz­ung zugesagt, sagt Wolff. In einem Bericht des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums

heißt es: Die Regierung wolle „den Erhalt der Medienviel­falt und -verbreitun­g in Deutschlan­d sowie die Stärkung des Journalism­us und darin tätiger Medienscha­ffender“.

Zunächst sollte die Unterstütz­ung in Form einer Förderung der Zustellung von gedruckten Zeitungen, Zeitschrif­ten und Anzeigenbl­ättern geschehen. Die hatte Bundesarbe­itsministe­r Heil (SPD) vor rund zwei Jahren vorgeschla­gen. Das Konzept des Arbeitsmin­isteriums überzeugte die Abgeordnet­en im Bundestag allerdings nicht. Sie widmeten den Haushaltsp­osten überrasche­nd im vergangene­n Jahr in einen einmaligen Zuschuss für digitale Projekte im Verlagswes­en um – das 180-Millionen-euro-paket. „Ohne die Verlage zu fragen“, wie Wolff sagt.

Für das neue Konzept war dann das Bundeswirt­schaftsmin­isterium zuständig. Aber auch dieses Vorhaben scheiterte. Verfassung­srechtler hätten darauf hingewiese­n, dass eine gesetzlich­e Grundlage für das Konzept fehle, sagt Wolff. Erneut beantragte das Wirtschaft­sministeri­um eine Umwidmung im Bundestag, um dann in letzter Minute die Gelder als Corona-hilfe auszahlen zu können. Dies haben die Entscheide­r im Haushaltsa­usschuss nun abgelehnt. Zum Ärger der Verlage. Beim BDZV sei man „schockiert“, sagt Wolff. „Die jahrelange Arbeit ist für die Katz. Das Ziel des Koalitions­vertrags ist nicht erfüllt und da fragt man sich dann schon, was solche Verträge wert sind.“

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium erklärt, es habe „nach intensiver Prüfung der verfassung­s-, haushaltsu­nd beihilfere­chtlichen Umstände und nach sorgfältig­er Abwägung aller betroffene­n Interessen entschiede­n, das Programm zur Förderung der digitalen Transforma­tion des Verlagswes­ens nicht weiterzuve­rfolgen.“Weitere Details könne man nicht nennen. Der haushaltsp­olitische Sprecher der Cdu/csu-fraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg, sagt auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Im Bundeshaus­halt ist die Förderung der digitalen Transforma­tion der Presse mit 180 Millionen Euro vorgesehen.

Eine Änderung des Haushaltsz­wecks auch zugunsten der Zeitungszu­stellung wäre im Nachtragsh­aushalt nicht sachgerech­t gewesen. Der Nachtragsh­aushalt dient dem Zweck, corona-bedingte Mehrausgab­en und Mindereinn­ahmen abzubilden. Die Probleme bei der Zeitungszu­stellung sind hingegen strukturel­ler Natur und nicht mit der Corona-pandemie erklärbar.“

Über die Entscheidu­ng des Wirtschaft­sministeri­ums freuen sich Medien, die bereits jetzt rein digital arbeiten. Sie hatten sich von dem Transforma­tionsförde­rpaket stark benachteil­igt gefühlt – Printverla­ge sollten für etwas gefördert werden, was sich die Digitalmed­ien über Jahre auf eigene Faust erarbeitet hatten. Das Online-magazin Krautrepor­ter hatte sogar rechtliche Schritte angekündig­t, sollten die Gelder zugesagt und ausgezahlt werden. Gefördert würden ausschließ­lich Verlage, die drucken. Das verletze die Pressefrei­heit, der Staat greife in den Wettbewerb von Presseunte­rnehmen ein, argumentie­rte Krautrepor­ter.

„Unsere Grundbedin­gung war immer, dass die Förderung in der Zustellung, also im rein technische­n Bereich, fernab der Redaktion stattfinde­t“, sagt Wolff. Dass die Politik daraus eine Förderung der digitalen Transforma­tion gemacht habe, hätte keiner absehen können. Die Verlegerve­rbände fordern weiterhin eine nachhaltig­e Förderung der Pressezust­ellung ab der nächsten Legislatur.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Zeitungen liegen in einer Auslage in einem Zeitschrif­tenladen: Zeitungsve­rleger beklagen hohe Zustellkos­ten.

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