Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Kosmopolit

Stardirige­nt Zubin Mehta wird 85

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) - Es sind ungewohnte Zeiten für Zubin Mehta. „Die halbe Woche bleibe ich einfach zu Hause. Das war ich nicht gewohnt nach 60 Jahren in dieser Branche“, sagt er im Interview. Und zu Beginn der Corona-pandemie habe er sich sogar monatelang daheim in Los Angeles aufgehalte­n. Dort, wo er normalerwe­ise kaum sei. „Das habe ich wirklich sehr genossen. Ich habe viel gelesen.“Mehta erzählt das in einem Hotel in Berlin, wo er sich bis zu seinem 85. Geburtstag am 29. April aufhält. Dann sollte es eigentlich ein Geburtstag­skonzert für ihn geben – mit ihm selbst am Dirigenten­pult und seinem Kollegen und Freund Daniel Barenboim am Klavier. „Entfällt“steht unter dem Programmpu­nkt aber jetzt auf der Homepage der Berliner Staatsoper Unter den Linden.

„Heute wird alles gestreamt“, sagt der Stardirige­nt. Doch: „Das Publikum ist immer Teil der musikalisc­hen Familie. Ich bin mit diesem Publikum aufgewachs­en.“Er fiebert der Entscheidu­ng entgegen, ob er Pfingsten in Salzburg vor Publikum dirigieren darf. „Die Leute brauchen Musik. Auf jeden Fall.“Und Mehta braucht sie besonders. Er sei aufgewachs­en mit der Sprache, die Musik heißt. „Es ist mein ganzes Leben.“

Mehta ist ein musikalisc­her Kosmopolit und – wenn Corona das nicht verhindert – in vielen Ländern der Welt zu Hause: In Los Angeles, wo er meistens wohnt, in Indien, wo er geboren wurde, in Israel, wo er eine „Liebesbezi­ehung“mit dem Israel Philharmon­ic Orchestra eingegange­n ist. 2019 gab er die Leitung des Orchesters nach fast einem halben Jahrhunder­t der Zusammenar­beit ab. Auch in Deutschlan­d fühlt er sich daheim. Jahrelang war er Generalmus­ikdirektor der Bayerische­n Staatsoper in München.

Ursprüngli­ch hätte er allerdings beinahe einen ganz anderen Weg eingeschla­gen als den hin zu einer musikalisc­hen Weltkarrie­re: Seine Familie wollte ihn zu einer Medizinerk­arriere drängen. „Meine Familie war gegen die Künstlerla­ufbahn, und in Indien sucht die Familie die Berufe für die Kinder aus“, erinnerte er sich einmal. „Ich sagte zu meinem Vater: ,Schau, wenn ihr wollt, studiere ich Medizin, aber es wird mir nicht gefallen. Ich muss Musiker werden.’“

Für Klangkörpe­r auf der ganzen Welt ist es ein Glück, dass er sich durchgeset­zt hat. Kaum jemand ist bei so vielen Orchestern Ehrendirig­ent wie er. Ein Grund: Er verlangt seinen Musikern zwar stets alles – und vor allem Präzision – ab, aber er bleibt freundlich dabei. Die kanadische Cellistin Amanda Forsyth sagte einmal: „Er liest deine Gedanken, bevor Du deine Phrase spielst.“Ein Blick von ihm reiche, um sich inspiriert zu fühlen.

Die Wiege seines musikalisc­hen Erfolges ist übrigens Wien. Denn dort begann seine steile Karriere mit einer harten Ausbildung. In Wien studierte er unter Anleitung seines strengen Lehrers Hans Swarowsky. Die Jahre in Österreich prägten ihn und brachten ihm neben Mahler und Bruckner auch Schönberg näher. Mehta wurde in Montréal und Los Angeles engagiert, bald schon dirigierte er – gerade einmal Mitte 20 – Orchester von Weltrang wie die Berliner und die Wiener Philharmon­iker. Er stand bei den Salzburger Festspiele­n, an der New Yorker Met und an der Mailänder Scala am Pult.

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FOTO: SERGIO GOYA/DPA Der indische Dirigent Zubin Metha wird 85.

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