Polizisten erzürnt wegen Koalitionsplänen
Zur Corona-pandemie kommt der Ärger über das geplante Antidiskriminierungsgesetz
- Sie sind bei Demonstrationen im Einsatz, sie überwachen Verstöße gegen Corona-auflagen – und sie machen ihr normales Tagesgeschäft, die Verbrechensbekämpfung. Nun liegen die Polizeigewerkschaften in Baden-württemberg mit der designierten grün-schwarzen Landesregierung im Clinch. Es geht um ein geplantes Antidiskriminierungsgesetz und eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten. Im Folgenden ein Blick auf die Situation der Polizei im Land und im Bund.
Warum kritisiert die Polizei das Antidiskriminierungsgesetz?
Die Polizeigewerkschaften sehen darin eine Art Vorverurteilung von Polizeibeamten. Sie befürchten, dass künftig Beamte im Zweifelsfall beweisen müssten, korrekt gehandelt zu haben. „Wenn das Gesetz so kommen sollte, würden Polizei- und Landesbeamte selbst diskriminiert“, sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP), Hans-jürgen Kirstein. CDU und Grüne bestreiten allerdings, dass es eine Beweislastumkehr geben wird. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz sollen Benachteiligungen aufgrund der Hautfarbe oder anderer Merkmale verhindert werden. Bislang gibt es dies nur in Berlin. Noch im vergangenen Jahr hatte Baden-württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) damit gedroht, Polizisten aus dem Südwesten nicht mehr in den Einsatz nach Berlin zu schicken, falls das Antidiskriminierungsgesetz auch für sie gelten sollte. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPOLG), Ralf Kusterer, sagt: „Ich erwarte, dass die Koalitionäre das Gesetz auf Eis legen und nicht weiter Misstrauen säen.“Die Gewerkschaftsvertreter weisen zudem darauf hin, dass nicht nur Polizeibeamte von dem Antidiskriminierungsgesetz betroffen wären, sondern auch „Ärzte und Krankenschwestern, Pflegepersonal und andere, die jetzt den Kopf hinhalten“.
Was hat es mit der anonymen Kennzeichnungspflicht auf sich?
Auch sie wird von den Polizeigewerkschaften strikt abgelehnt. „Das ist eine reine Symbolpolitik, um den linken Flügel bei den Grünen und die grüne Jugend zu beruhigen und um die Koalition mit der CDU zu rechtfertigen“, kritisiert Kusterer. Bislang tragen Polizeibeamte bei großen Einsätzen, beispielsweise bei Demonstrationen, einen Zahlencode auf der Rückseite ihrer Uniform, mit dem sie einer Einheit zugeordnet werden können. Dieser
Code soll, so die Pläne der neuen grün-schwarzen Regierung, um eine Ziffer ergänzt werden, aus der die Identität des Beamten hervorgeht. „Die Kolleginnen und Kollegen schreiben mir sehr offen, dass sie darin einen weiteren Akt des Misstrauens sehen“, sagt Kirstein. Es brauche keine zusätzliche Kennzeichnung, zumal bereits jetzt jeder Beamte, der in einer großen Lage übergriffig geworden sei, ermittelt werden konnte. Strobl verteidigt dagegen die anonyme Kennzeichnungspflicht. Mittlerweile werde bei Demonstrationen sowieso das Handeln der Polizei von Teilnehmern gefilmt, sagte der Cdupolitiker laut Deutscher Presse Agentur. Von daher sei es richtig, für noch mehr Transparenz zu sorgen.
Wie wirkt sich die Corona-pandemie auf die Polizeiarbeit aus?
Corona hat die Arbeit der Polizei deutlich erschwert, auch wenn sie derzeit keine Fußballspiele oder andere Großveranstaltungen schützen muss. Stattdessen sind sie bei Corona-demonstrationen im Einsatz, die schnell zu einem „Super-spreadingevent“werden können, wie Eckhard Christian Metz, Vorsitzender des Gdp-fachausschusses Bereitschaftspolizei, am Donnerstag in Berlin sagte. Dies trifft Polizisten in Badenwürttemberg, Bayern und im Bund gleichermaßen. Gewerkschaftsvertreter fordern deshalb eine leichtere Anerkennung von Corona-infektionen als Berufskrankheit bei Polizisten. Problematisch ist für viele Polizeibeamte aber nicht nur das Infektionsrisiko, sondern auch die Anfeindungen, denen sie bei diesen Einsätzen ausgesetzt sind. „Wir nehmen eine große Aggressivität wahr“, sagt Kusterer. Viele Corona-aktionen seien begleitet von Gewalt und Attacken. Auch soziale Netzwerke würden gegen Beamte gerichtet. Die Polizei erlebe oft, „dass sich fünf Handys auf uns richten, da sind wir noch gar nicht richtig eingetroffen“, sagte Stefanie Loth, Schutzpolizistin und Personalrätin aus Rheinlandpfalz. Es gibt allerdings auch eine positive Nachricht: Die Bereitschaftspolizei und der Streifendienst seien inzwischen nahezu durchgeimpft, so Dietmar Schilff, stellvertretender Gdp-bundesvorsitzender.
Welche Probleme bestehen unabhängig von Corona?
Die Polizeigewerkschaften im Bund und Land klagen unisono über Personalmangel – wobei die Klagen im Südwesten noch etwas lauter sind. „Wir haben die schlechteste Polizeidichte aller Bundesländer“, sagte Kirstein. 1400 Polizisten müssten jährlich hinzukommen, um die innere Sicherheit im Land nicht weiter zu gefährden. Darauf pocht auch Strobl in den aktuellen Koalitionsverhandlungen. Die Finanzlage des Landes spricht indes dagegen. Kirstein rechnet deshalb nur mit 800 neuen Polizisten. Zu wenig Personal, eine veraltete Ausstattung vor allem im Technikbereich und unterschiedliche Regelungen und Systeme in den Ländern, beklagt die Polizeigewerkschaft auch auf Bundesebene. In Sonntagsreden erfahre man Wertschätzung, so Schilff. Aber in den Haushalten fehle das Geld, um in Digitalisierung, Modernisierung und in das Personal zu investieren. Was die Gewerkschaftsvertreter auch ärgert: Die unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Arbeit in verschiedenen Bundesländern. Schlusslicht ist dabei Berlin. Dort verdienen Polizeibeamte vergleichsweise am wenigsten. Um ihren Forderungen, etwa nach einer bundeseinheitlichen Besoldung und besserer Ausstattung, Nachdruck zu verleihen, startete die GDP eine Kampagne unter dem Motto „100 % Einsatz verdienen 100 % Einsatz“.
Worüber kann sich die Polizei freuen?
Das Vertrauen in die Polizei ist nach wie vor sehr hoch. Nach einer Umfrage des Civey-instituts von April im Auftrag der GDP finden es etwa 96 Prozent der Befragten wichtig für ihr persönliches Sicherheitsempfinden, dass die Polizei bei einem Notfall schnell eintrifft. Auf der anderen Seite vertraten aber 83 Prozent die Auffassung, dass der Polizei in den letzten Jahren weniger Wertschätzung entgegengebracht wird.