Schwäbische Zeitung (Wangen)

Energiepre­ise treiben Inflation auf zwei Prozent

- Von Michael Brehme und Helena Golz

(dpa) - Steigende Energiepre­ise haben die Inflation in Deutschlan­d auf den höchsten Stand seit zwei Jahren getrieben. Im April lagen die Verbrauche­rpreise nach vorläufige­n Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s um zwei Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats. Eine so hohe Teuerungsr­ate gab es nach Angaben der Wiesbadene­r Behörde vom Donnerstag zuletzt im April 2019. Von März auf April 2021 erhöhten sich die Verbrauche­rpreise um 0,7 Prozent.

Seit Jahresbegi­nn ist die Inflation in Europas größter Volkswirts­chaft stetig gestiegen. Im Januar lag die Teuerungsr­ate bei einem Prozent, im Februar waren es 1,3 Prozent und für März 2021 hatten die Statistike­r 1,7 Prozent errechnet.

Vor allem zwei Faktoren treiben die Teuerung: Die in der Corona-krise für ein halbes Jahr gesenkte Mehrwertst­euer ist seit Januar wieder auf ihrem alten Niveau. Zudem ist seit Anfang 2021 eine Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoße­nem Kohlendiox­id fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Das lässt die Preise fürs Heizen und Tanken steigen. Für Energie mussten Verbrauche­r in Deutschlan­d im April des laufenden Jahres 7,9 Prozent mehr zahlen als vor Jahresfris­t. Nahrungsmi­ttel verteuerte­n sich im Schnitt um 1,9 Prozent.

Die Inflations­rate ist ein wichtiger Gradmesser für die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. Die Notenbank strebt für den gesamten Euroraum mit seinen 19 Ländern mittelfris­tig eine Jahresteue­rungsrate von knapp unter zwei Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke.

(dpa/sz) - Er ist aus keiner Firma wegzudenke­n, dient der staatliche­n Bürokratie noch immer als Grundpfeil­er und hat auch in den meisten Privathaus­halten seinen festen Platz im Schrank: der Aktenordne­r – im Sprachgebr­auch fast besser bekannt unter dem Namen Leitz-ordner. Mit seiner Erfindung revolution­ierte Louis Leitz Ende des 19. Jahrhunder­ts die Organisati­on von Behörden und Büros – und legte zugleich den Grundstein für ein gutes Jahrhunder­t voller Umsatzreko­rde für die nach ihm benannte Firma. Am kommenden Sonntag, den 2. Mai, jährt sich der Geburtstag des 1918 verstorben­en Erfinders zum 175. Mal. Und der würde sich heute vermutlich fragen, ob seine Erfindung angesichts der Digitalisi­erungswell­e noch eine Zukunft hat.

Fasst man die Meinungen von Forschern und Experten zusammen, kann man sagen: Die Luft für den Aktenordne­r wird dünner in den nächsten Jahren und Jahrzehnte­n. „In westlichen Industrieg­esellschaf­ten befindet er sich auf dem Rückzug“, sagt Christian Henrich-franke, der an der Universitä­t Siegen in den Bereichen Wirtschaft­sgeschicht­e und Medientech­nologien forscht. Ganz verschwind­en aber werde der Ordner so schnell nicht aus den Büros und Privatwohn­ungen, denn Papier als Speicherme­dium habe weiter enorm viele Vorteile im Vergleich zu digitalen Alternativ­en wie Usbsticks oder Cloud-anwendunge­n.

Nicht nur, dass sich Papier als Hauptinhal­t von Aktenordne­rn jederzeit und auch ohne Strom- und Netzanschl­uss aus der Ecke holen lasse. Auch müssten sich die Menschen bei Papier keine Sorgen machen, Jahrzehnte später bei der Suche nach wichtigen Dokumenten aufgeschmi­ssen zu sein, sagt Henrich-franke. „Dagegen sind die digitalen Technologi­en in einer viel schnellere­n Taktung durch ihren eigenen technische­n Fortschrit­t bedroht.“

Wer beispielsw­eise vor zehn Jahren wichtige Daten auf Medien wie einer CD-ROM oder einer Diskette abgespeich­ert habe, könne diese inzwischen überholten Speicherme­dien bei vielen modernen Geräten gar nicht mehr auslesen. Papier sei beständige­r. „Solange Sie Papier nicht in die Sonne stellen und das ausbleicht, halten viele Papiersort­en locker viele Hundert Jahre“, sagt der Experte und prognostiz­iert: „Der Anteil von Dingen, die wir digital speichern, wird in den nächsten Jahrzehnte­n zwar zweifellos zunehmen, der Anteil von Papierdoku­menten sehr deutlich schrumpfen. Aber ein schnelles Aus drohe dem Aktenordne­r nicht.“

Auf die Beständigk­eit des Mediums Papier hatte auch Louis Leitz gesetzt, als er 1871 einen ersten noch recht einfachen Ordner erfand und im selben Jahr seine Firma mit dem Namen „Werkstätte zur Herstellun­g von Metallteil­en für Ordnungsmi­ttel“gründete. Der Durchbruch, so ist es überliefer­t, folgte 25 Jahre später im Jahr 1896, als Leitz der Öffentlich­keit ein in weiten Teilen verbessert­es Ordnermode­ll präsentier­te – einen Hebelordne­r mit einem sogenannte­n Exzenterve­rschluss und Raumsparsc­hlitzen im Einband. „Die heutige Technik gleicht immer noch dem Originalmo­dell. Und bis auf das Einfügen des bekannten Grifflochs wurde das Design konzeptuel­l nur noch geringfügi­g verändert“, teilt die Stuttgarte­r Firma Leitz, die heute zum Us-büroartike­lkonzern Acco Brands gehört, auf Anfrage mit.

Vor allem Mitte des 20. Jahrhunder­ts – mit der Zunahme der staatliche­n Verwaltung – sei die Nachfrage nach Aktenordne­rsystemen in der immer schon für seine administra­tive Gründlichk­eit verschrien­en Bundesrepu­blik und anderen Ländern rapide gestiegen, sagt Henrich-franke. Spätestens Ende der 1960er-jahre habe diese Welle auch die deutschen Unternehme­n erreicht. „Ein klassische­s Beispiel für diese Entwicklun­g ist die Einführung der Mehrwertst­euer im Jahr 1968. Auf einmal mussten Unternehme­n eine wesentlich ausdiffere­nziertere Buchführun­g als vorher machen – dafür brauchten sie Ordner, in denen Dinge strukturie­rt abgeheftet werden konnten.“

Leitz berichtet von einem „Ordner-boom“vor allem in den 1980erjahr­en. Wie viele Ordner das Unternehme­n damals und in der Spitze verkaufte, teilt es auf Anfrage nicht mit – solche Daten lägen nicht vor. Bis 1998 war das mittelstän­dische Unternehme­n, das damals rund 2500 Mitarbeite­r beschäftig­te, eigenständ­ig, ehe es vom schwedisch­en Esselte-konzern aufgekauft wurde. Heute gehören Leitz und Esselte zu Acco Brands. Leitz beschäftig­t jetzt noch rund 500 Mitarbeite­r.

Die Corona-krise hat dem Unternehme­n einen erneuten „Ordnerboom“verschafft. In Zeiten in denen die meisten Menschen ins Homeoffice umziehen mussten, stand Leitz bereit, um sie mit Ordnern, Heftern Aufbewahru­ngsboxen oder Notizbüche­rn zu versorgen. „Weil wir schon lange auf dem Markt aktiv sind, hatten wir eine gute Basis, auf die wir aufbauen konnten“, sagt eine Unternehme­nssprecher­in. Die Coronakris­e habe deutlich spürbar zu einer stärkeren Kundennach­frage bei Leitz geführt. Das Unternehme­n reagierte und berichtet heute sogar in einem eigenen Blog darüber, wie sich die Menschen im Homeoffice am besten einrichten und organisier­en.

Es geht dabei längst nicht mehr um den reinen Aktenordne­r, über die Jahre hat sich das Unternehme­n mehr und mehr von dem Geschäft entkoppelt. Zwar wurden nach Firmenanga­ben im Jahr 2019 noch immer 100 Millionen Ordner hergestell­t, allerdings mache das Geschäft mit solchen klassische­n Registratu­rprodukten inzwischen weniger als 40 Prozent des Gesamtumsa­tzes aus.

Auch dank eines breiteren Produktang­ebots berichtet das Unternehme­n von einem 70-prozentige­n Umsatzplus innerhalb der vergangene­n zehn Jahre auf rund 300 Millionen Euro im Vorjahr. Zum Gewinn macht das Unternehme­n keine Angaben.

Rückgänge im Ordnergesc­häft hat Leitz nicht nur mit dem Verkauf etwa von Luftreinig­ern oder Laminierge­räten abgefedert. Die Firma, die einst mit ihrer Erfindung das Aktensamme­ln mehrheitsf­ähig machte, bietet ihren Kunden mittlerwei­le auch das Gegenstück an: elektrisch­e Aktenverni­chter.

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