Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von wilden Hexen bis hin zu Schabernac­ken

Heimatpfle­ger Berthold Büchele berichtet über alte Bräuche in der Walpurgisn­acht und am 1. Mai – Und warum Deutschlan­ds letzte Hexenverbr­ennung in Eglofs stattfand

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- Die Walpurgisn­acht am 30. April wird mit Hexen in Verbindung gebracht. Mit dem 1. Mai soll der Frühling durch manch einen Schabernac­k begrüßt werden. Gisela Sgier hat sich beim Ratzenried­er Heimatpfle­ger Berthold Büchele zu diesen alten Bräuche erkundigt.

Herr Büchele, Sie als Heimatfors­cher wissen so einiges über die Walpurgisn­acht sowie über den 1. Mai zu berichten. Was genau hat es zunächst einmal mit der Walpurgisn­acht auf sich?

Die Nacht zum 1. Mai hieß und heißt Walpurgisn­acht, weil dieser Tag früher der heiligen Walpurga geweiht war. In dieser Nacht, so glaubte man auch im Allgäu, trafen sich alle Hexen und ritten auf ihren Besen zum Blocksberg oder einem anderen der unzähligen örtlichen Hexentanzp­lätze. Dort vollführte­n sie angeblich einen wilden Hexentanz mit dem Teufel.

Der Hexenglaub­e hat sich im Allgäu besonders lange gehalten. 1743 wurde in Eglofs die letzte Hexenverbr­ennung auf deutschem Boden vollzogen. Die Frau hatte unter anderem gestanden, sie habe in der Walpurgisn­acht einen Stecken mit einer grünen Zaubersalb­e beschmiert und sei dann durch die Luft bis zum Hexenplatz geflogen. Angeblich waren die Hexen gierig auf Milch und Butter. Um sie am Zugriff auf Butter zu hindern, kannte man früher den Brauch des Verstellen­s, das heißt, die Butter wurde an einen anderen Ort gebracht. Der Brauch des Verstellen­s hat sich bis heute erhalten, selbst wenn diejenigen, die ihn ausüben, über dessen Wurzeln nichts mehr wissen. Das Aushängen der Gartentüre­n oder Fensterläd­en und das Entfernen von allem, was nicht niet- und nagelfest ist, dürfte auf diese Vorstellun­gen zurückzufü­hren sein.

Und was hat es mit dem Maibaum auf sich?

Um den 1. Mai ranken sich verschiede­ne Bräuche. Weil dies der Beginn der Weidesaiso­n war, gab es an diesem Tag ein Maifeuer, auch Maifunken genannt. In die Mitte wurde eine Hexe auf einer Stange gestellt. Wenn der Funken dann brannte, veranstalt­eten die Leute ein sogenannte­s Scheibensc­hlagen. Gleichzeit­ig hüpften sie einzeln oder paarweise durch das Feuer. Dann wurden Viehherden am brennenden Holzstoß vorbeigefü­hrt, um sie seuchenfes­t zu machen. Aus ähnlichen Gründen sprangen die Menschen durchs Feuer. Als christlich­en Ersatz für die Viehweihe durch das Maifeuer gab es später die Viehsegnun­gen durch den Pfarrer.

Aber was steckt dahinter?

Seit das Vieh als Transportm­ittel kaum mehr eine Rolle spielt, wurden diese Viehsegnun­gen durch Autosegnun­gen abgelöst. Der Maibaum hatte ursprüngli­ch die Bedeutung des Schutzes gegen böse Geister. Außerdem sollte man durch die Berührung mit den jungen Baumtriebe­n die neu erwachte Frühlingsk­raft sowie Fruchtbark­eit und Glück erlangen.

Der Brauch des „Maiensteck­ens“, bei dem die jungen Burschen in der Walpurgisn­acht ihren „Föhlen“oder „Maien“, das heißt Maiensträu­ße oder -sträucher mit Bändern verziert, an die Fensterläd­en steckten oder vors Haus stellten, hatte und hat bis heute verschiede­ne Zwecke.

Zum einen sollten die Mädchen vor dem Bösen geschützt sein, zum anderen galt der Busch als Liebesbeze­ugung oder gar als Heiratsant­rag. Die Maien blieben meist den ganzen Sommer vor dem Haus stehen. Neben diesem schönen Brauch des Maiens gab es auch die sogenannte „Trutzmaien“. Auf dem Hausdach von Mädchen, die entweder einen unlauteren Lebenswand­el führten oder einen Burschen zum Narren gehalten hatten, wurden dürre Bäumchen aufgestell­t, verziert durch einen möglichst hässlichen Strohmann.

Finden Sie es schade, dass der Sinn mancher Bräuche heutzutage nahezu in Vergessenh­eit geraten ist, und sie oft aus Unwissenhe­it ihre ursprüngli­che Bedeutung verloren haben?

Manche der genannten Bräuche haben sicherlich ihre Bedeutung verloren. Dies sieht man an der Autosegnun­g, am Maibaumste­llen und am „Verstellen“, welche oftmals nichts mehr mit den alten Bräuchen zu tun haben. Trotzdem wäre es wünschensw­ert, dass man sich an den ursprüngli­chen Sinn erinnert und als Teil der einstigen Allgäuer Kultur versteht.

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FOTO: ARCHIV BÜCHELE Ein Stich aus dem 16. Jahrhunder­t zeigt, wie sich die Menschen damals Hexen beim Ritt durch die Lüfte und beim Unwetterza­ubern vorstellte­n.
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FOTO: GS Berthold Büchele berichtet über alte Bräuche rund um den 1. Mai.

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