Klimaaktivisten versperren Zufahrt
Baumbesetzungen bei Kiesgruben in Roßberg und Mennisweiler – Großeinsatz der Polizei
- Klimaaktivisten haben am Donnerstagmorgen die Zufahrten zu den Kiesgruben bei Roßberg und Mennisweiler blockiert. Damit wollten sie gegen weiteren Kiesabbau in der Region, gegen den Lkw-verkehr durch Kieslaster sowie gegen den Regionalplan protestieren. Die Aktion hat einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. In Wolfegg fanden am Donnerstag ein Mahnwache sowie eine Demo zu diesen Themen statt. Organisiert wurden die Aktionen aber von unterschiedlichen Gruppierungen.
Zwischen 6.30 und 8.30 Uhr hat eine Gruppe von Klimaaktivisten am Donnerstag fünf Bäume besetzt und drei Zufahrten zu Kiesgruben der Firmen Marschall (Roßberg) und Wiedenmann (Mennisweiler) blockiert. Die Aktivisten spannten Seile über die Straßen, an denen Hängematten befestigt waren. Deshalb konnten die Kieslaster nicht an- oder abfahren und waren zum Stillstand gezwungen. Vor der Kiesgrube in Roßberg bildete sich beispielsweise eine lange Lkw-schlange.
Die Aktion löste einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr aus. Mit Unterstützung der örtlich zuständigen Feuerwehren wurden die Seiltraversen laut Polizei zunächst gesichert und dann so umgehängt, dass diese nicht mehr über die Fahrwege verliefen.
Ein Demonstrant hatte sich wohl in der Kiesgrube Mennisweiler aufgehalten. Als er sich weigerte, sich auszuweisen, nahm ihn die Polizei in Gewahrsam, wie am Einsatzort zu erfahren war.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. „Es waren einige Polizeistreifen, aber weder Wasserwerfer noch SEK“, sagte Daniela Baier vom Polizeipräsidium Ravensburg auf Sz-nachfrage und verdeutlichte, dass kein Sondereinsatzkommando hinzugezogen werden musste. Als zentraler Sammelpunkt diente dabei der Parkplatz in Molpertshaus. Dort sorgten die rund zehn geparkten Polizeiautos für ungläubige Blicke der Anwohner.
Insgesamt beteiligten sich rund zehn Klimaaktivisten an der Aktion, wie Daniela erklärt. Der Großteil davon sei mit auf das Polizeirevier genommen worden. In der Regel handelt es sich hierbei um einen kurze Gewahrsam – sofern sich die Aktivisten ausweisen. Sie würden belehrt und dürften dann wieder gehen. Laut Polizei wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet. Ein Aktivist wurde zusätzlich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
angezeigt, da er sich gegen seine Festnahme zunächst zur Wehr setzte.
Lediglich ein Klimaaktivist besetzte am Donnerstagnachmittag noch einen Baum bei Mennisweiler. Zu Betriebseinschränkungen komme es dadurch aber nicht, so die Polizei.
Zum Motiv der Aktion erklärte ein Baumbesetzer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, die Gruppe spreche sich gegen den aktuellen Regionalplan aus und wolle Druck auf die Entscheidungsträger und die Politik ausüben – notfalls mit weiteren Aktionen dieser Art, wie der Klimaaktivist, der anonym bleiben wollte, betonte. Wie der Klimaaktivist vom Baum herunter wissen ließ, gebe es in der Region viele schädliche Maßnahmen, die „weiterhin auf Wachstum und Profit anstatt auf die zukünftige Generation setzen“.
Die Kiesgruben seien ganz bewusst als Aktionsort ausgewählt worden, „weil Kies aus der Region extrem schlechte Co2-bilanz-werte“aufweise und bei Großprojekten zumeist auf nicht regenerative Baustoffe zurückgegriffen werde. Der Klimaaktivist musste laut vom Baum herunter schreien, um verstanden zu werden. Der Jugendliche forderte die Politik auf, sich für die Menschen der Region einzusetzen.
Beim Kieswerk Wiedenmann wollte man sich am Donnerstag nicht zu der Demonstration äußern. Das Kieswerk Marschall, das zur Geiger-gruppe
gehört, äußerte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“folgendermaßen zu der Aktion: „Wir leben in einem Rechtsstaat, und natürlich kann Kritik geäußert werden. Wenn dieses aber mit Eingriffen in privates beziehungsweise öffentliches Eigentum verbunden ist, können wir eine solche Kritik nicht akzeptieren.“Die Protestaktion stelle einen Eingriff in Eigentum und eine Gefährdung des Straßenverkehrs dar, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme weiter. „Durch die Behinderung des Verkehrs konnten wir über mehrere Stunden unsere Kunden, zu denen auch die öffentliche Hand zählt, nicht beliefern.“
Eine Besonderheit bei der Kiesgrube nahe Roßberg ist, dass für den Abtransport des Kieses auch die Bahn zum Einsatz kommt: Das Kieswerk hat ein eigenes Betriebsgleis, auf dem Züge mit Güterwaggons über ein Förderband beladen werden. Der Zug fährt dann nach Kressbronn, wo der Kies zum Weitertransport in der See-region auf Lastwagen verladen wird. Lieferungen, die von Roßberg an Kunden in Oberschwaben oder im Allgäu gehen, starten direkt per Lkw. „Der Bahntransport wird regelmäßig dort eingesetzt, wo der Kunde auch eine entsprechende Entladestelle besitzt und soweit es das Bahnnetz auch zulässt“, heißt es dazu von Marschall. Dennoch sind die Kieslaster ein zentrales Thema des Protestes. Zu den Aktionen rund um die Kiesgrube Roßberg
bei Wolfegg äußerte sich die 23jährige Aktivistin Johanna Schubert in einer Pressemitteilung: „Der Kiesabbau bei Molpertshaus verursacht täglich hunderte Kieslaster durch Wolfegg und die umliegenden Ortschaften. Die Lebensqualität der Anwohner und die Verkehrssituation in den Dörfern wird stark negativ beeinflusst. Dagegen muss etwas getan werden“, schreibt sie. In der Mitteilung wird auch der Export von Kies aus der Region ins benachbarte Ausland kritisiert. Die Aktivisten fordern außerdem den Schutz der Trinkwasserquellen im Altdorfer Wald nahe einer geplanten neuen Kiesgrube.
Dieses geplante neue Abbaugebiet ist seit Februar Gegenstand einer weiteren Protestbewegung: Aktivisten haben im Altdorfer Wald beim Vogter Ortsteil Grund ein Baumhausdorf aufgebaut. Damit protestieren sie gegen den geplante Aushub einer rund elf Hektar großen Kiesgrube in diesem Gebiet – ein Vorhaben des Kiesunternehmens Meichle und Mohr, das mit den am Donnerstag von Aktivisten besetzten Kiesgruben in Roßberg und Mennisweiler jedoch nichts zu tun hat. Die Aktivisten aus dem Baumhausdorf organisierten am Donnerstag eine Mahnwache in Wolfegg und am Abend auch eine Demonstration. Sie wiesen im Sz-gespräch darauf hin, dass die Gruppe, die die Kiesgruben-zufahrten blockiert hatte, unabhängig von ihnen agiere und nicht Teil der Baumbesetzer-gruppe sei.