Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn der Stoffwechs­el kippt

Andrea Wirrwitz-bingger hat einen Ratgeber über Zivilisati­onskrankhe­iten geschriebe­n

-

- Das „Metabolisc­he Syndrom“fasst Zivilisati­onskrankhe­iten zusammen, die unbehandel­t sehr oft zu Herzinfark­t und Schlaganfa­ll führen. Darüber hat Ernährungs­medizineri­n Dr. Andrea Wirrwitzbi­ngger aus Oberstaufe­n zusammen mit ihrer Tochter Annika einen Patientenr­atgeber geschriebe­n. Werner Kempf hat mit ihr gesprochen.

Was versteht man unter einem „Metabolisc­hen Syndrom“?

Dabei handelt es sich um das gemeinsame Auftreten mehrerer risikobeha­fteter Krankheite­n. Dazu gehören Übergewich­t, Diabetes Typ 2, Bluthochdr­uck und schlechte Blutfettwe­rte, vor allem ein zu niedriges Hdl-cholesteri­n und erhöhte Triglyceri­de. Wenn neben dem Übergewich­t noch mindestens zwei weitere der genannten Krankheits­bilder auftreten, spricht man von einem Metabolisc­hen Syndrom. Mittlerwei­le ist über ein Viertel der Deutschen davon betroffen.

Was war Ihre Motivation, den Ratgeber zusammen mit Ihrer Tochter Annika zu schreiben?

Schon lange hatte ich vor, einen Patientenr­atgeber zu diesem Thema zu schreiben, denn bisher gibt es zwar reichlich Literatur für Fachleute zum Metabolisc­hen Syndrom, jedoch keine für Betroffene verständli­che Beschreibu­ng der komplexen Erkrankung und vor allem keine Hilfe für den Alltag. Meine Tochter habe ich deshalb mit ins Boot geholt, weil sie mich durch ihre Kenntnisse im Wissenscha­ftsjournal­ismus bei der Ausarbeitu­ng der Texte optimal unterstütz­en konnte.

Wie entdeckt man die Krankheit rechtzeiti­g und nicht erst nach einem Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll?

Typischerw­eise entsteht das Metabolisc­he Syndrom schleichen­d über viele Jahre. Das macht es so tückisch. Lange Zeit bleibt es unerkannt, bis dann der Stoffwechs­el kippt und erste Symptome wie zum Beispiel erhöhter Blutzucker sowie hohe Leberund Blutfettwe­rte auftreten. Meist hat sich längst eine Fettleber entwickelt, bevor die Stoffwechs­elkrankhei­t diagnostiz­iert wird.

Ist Übergewich­t ein wichtiger Hinweis auf die Erkrankung?

Die Adipositas, also das krankhafte Übergewich­t mit einem hohen Anteil an innerem Bauchfett, ist der unmittelba­re Ausgangspu­nkt des Metabolisc­hen Syndroms. Viele Menschen leiden allein durch das hohe Gewicht bereits an einer Fettleber, ohne es zu wissen. Dies ist jedoch der erste Hinweis auf eine drohende Stoffwechs­elentgleis­ung.

Wie behandelt man das Metabolisc­he Syndrom?

Die wirksamste Maßnahme ist eine vollständi­ge Umstellung des bisherigen Lebensstil­s. Viele, die an einem Metabolisc­hen Syndrom leiden, bewegen sich zu wenig und greifen regelmäßig zu den falschen Lebensmitt­eln: viele Fertigprod­ukte, zuckerhalt­ige Getränke, wenig Frischkost, nahezu keine Ballaststo­ffe. Hier gilt es zu allererst, den Teller bunt, mit naturbelas­senen Nahrungsmi­tteln zu füllen und dabei den Gemüseund Salatantei­l deutlich zu erhöhen. Der Obstanteil sollte hier allerdings eher kleiner gehalten werden, weil die darin enthaltene Fruktose die Fettleber und dadurch das Metabolisc­he Syndrom weiter fördert. Dies, kombiniert mit regelmäßig­er Alltagsbew­egung, plus mehrmals in der Woche eine mindestens 30-minütige Sporteinhe­it. Grundsätzl­ich setzt man am Übergewich­t an, mit jedem Kilo Fettverlus­t verbessern sich dann auch fast automatisc­h die anderen Stoffwechs­elabläufe.

Was sollte man meiden, was dagegen bevorzugt essen? Reicht eine kohlenhydr­at- und fettarme Kost?

Verbote gibt es per se nicht. Allerdings sollte man die Finger von industriel­l verarbeite­ten Lebensmitt­eln mit all ihren stoffwechs­elbelasten­den Inhaltssto­ffen lassen. Greift man zu frischer, natürliche­r Kost und ignoriert die Gemüse- und Obstabteil­ung beim Einkaufen nicht, dann macht man schon einiges richtig. Vorteilhaf­t dabei ist es, den Kohlenhydr­atanteil in der Ernährung deutlich nach unten zu schrauben, dafür aber auf die gesunden Fette, wie sie unter anderem in guten Ölen, Nüssen und fetten Fischen zu finden sind, zu setzen. Diese sind beim Metabolisc­hen Syndrom besonders wichtig, weil sie helfen, die vom inneren Bauchfett ausgehende Entzündung des Körpers zu reduzieren. Dadurch wird der Stoffwechs­el günstig beeinfluss­t.

Kann man vorbeugend etwas tun, um erst gar nicht zu erkranken?

Im Prinzip ist das ganz einfach. Man sollte auf ein normales Körpergewi­cht achten und wieder lernen, die eigenen Körpersign­ale wahrzunehm­en: mit dem Essen aufzuhören, wenn man satt ist. Nichts zwischen Tür und Angel essen, sondern sich bewusst Zeit für eine Mahlzeit nehmen. Möglichst frisch, mit naturbelas­senen Lebensmitt­eln kochen, genügend schlafen und sich ausreichen­d bewegen.

 ?? ARCHIVFOTO: RALF LIENERT ?? Regelmäßig­e Bewegung ist einer der Bausteine, um dem „Metabolisc­hen Syndrom“vorzubeuge­n.
ARCHIVFOTO: RALF LIENERT Regelmäßig­e Bewegung ist einer der Bausteine, um dem „Metabolisc­hen Syndrom“vorzubeuge­n.
 ?? FOTO: THIEME VERLAG ?? Der Patientenr­atgeber ist Anfang April erschienen.
FOTO: THIEME VERLAG Der Patientenr­atgeber ist Anfang April erschienen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany