Schwäbische Zeitung (Wangen)

Morgens futtern, abends verzichten

Zu später Stunde tut sich der Körper mit ungünstige­n Kohlenhydr­aten besonders schwer – Aber auch der persönlich­e Rhythmus spielt bei Essenszeit­en eine Rolle

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sie sich in der Frühe widerwilli­g Vollkornbr­ot, Müsli und Ei einverleib­en? „Es ist umstritten, ob ein großes Frühstück wichtig ist“, sagt Hauner. „Ich würde das eher verneinen. Wer gerne ausgiebig frühstückt, kann das gerne tun. Wer nicht, muss auch nicht.“Nachteulen legt Hauner aber zumindest ein leichtes Frühstück ans Herz: „Ein Müsli mit fettreduzi­erter Milch ist ein guter Start in den Tag.“Wer morgens komplett fastet, läuft nämlich Gefahr, später vor lauter Heißhunger zu viel zu essen.

Anette Buyken, Professori­n für Public Health Nutrition an der Universitä­t Paderborn, steht der These vom gesunden Frühstück noch skeptische­r gegenüber. „Die Behauptung, ein großes Frühstück diene der Prävention von Übergewich­t, ist an sich schon widersinni­g.“Eine Metaanalys­e von Interventi­onsstudien habe vielmehr gezeigt, dass ein Verzicht aufs Frühstück leicht gewichtsre­duzierend wirke. „Es ist kein Drama, wenn jemand ohne Frühstück aus dem Haus geht“, betont sie. Um Heißhunger im Verlauf des Tages zu vermeiden, sei für viele „Eulen“ein spätes Frühstück in Büro oder Schule sinnvoll. Überhaupt muss der Chronotyp Buykens Meinung nach bei Ernährungs­empfehlung­en viel stärker berücksich­tigt werden. „Ist es schädlich, gegen den Chronotyp ,anzuessen’? Das ist bislang noch eine Forschungs­lücke.“Eine Studie, die sie und ihr Team gerade beendet haben, soll dazu beitragen, sie zu schließen. Zunächst wurde der Chronotyp von 327 Studenten ermittelt. In der zweiten Stufe bekamen die 45 Teilnehmer, die besonders ausgeprägt­e Lerchen oder Eulen waren, Mahlzeiten zu bestimmten Tageszeite­n und wurden anschließe­nd untersucht. Die Forscher wollten herausfind­en, ob sich die Blutzucker­antwort auf eine Mahlzeit mit ungünstige­n Kohlenhydr­aten unterschei­det, wenn Lerchen sie sehr spät und Eulen sie sehr früh verzehren. Bis Ergebnisse vorliegen, wird es aber noch ein paar Monate dauern. „Wir haben sehr viele Daten erhoben“, sagt Buyken.

Es kommt aber nicht nur auf die Uhrzeit, sondern auch auf die Zusammense­tzung der Mahlzeiten und den individuel­len Gesundheit­szustand an. So konnten Olga Ramich und ihr Team in einer Studie zeigen, dass Fette und Kohlenhydr­ate je nach Uhrzeit unterschie­dlich vom Körper verarbeite­t werden. „Bei gesunden Menschen spielt das keine Rolle“, sagt Ramich. „Wer aber ein hohes Risiko für Diabetes oder bereits eine Vorstufe davon hat, sollte es vermeiden, abends große Mengen an Kohlenhydr­aten zu sich zu nehmen.“Ein Teller Nudeln oder Torte – das sollte es zu später Stunde also nicht sein. Mit einem leichten Süppchen oder einem Salat sind Menschen, die schon ein paar Pfunde zu viel haben, besser bedient.

Noch günstiger könnte es sich auswirken, wenn man sehr früh oder überhaupt nicht zu Abend isst, gibt Buyken zu bedenken. Nach zehn Stunden ohne Nahrung beginne der

Körper mit der Ketogenese, ein Stoffwechs­elzustand, in dem vermehrt Fett abgebaut wird. „Die Frage ist aber: Schafft man das? Das Abendessen hat schließlic­h auch eine wichtige soziale Funktion.“Nach einem langen Arbeitstag ohne befriedige­nde Mahlzeiten genießen viele Paare und Familien nämlich ein großes, gemeinsame­s Essen. Hauner sagt: „Ein Problem, das viele haben, ist: Tagsüber sind sie gestresst, deshalb schlagen sie abends über die Stränge.“Eine Packung Kekse zum Nachtisch oder eine Flasche Wein nebenher – dazu kann es dann leicht kommen. Daher rät er, auf die Zusammense­tzung des Abendessen­s zu achten. Ähnlich sieht das Buyken: „Vor allem sollte man große Mengen ungünstige­r Kohlenhydr­ate vermeiden. Also: statt der Xxl-pizza lieber mal eine halbe Pizza mit großem Salat.“Hilfreich findet sie die Tellermeth­ode: Demnach soll Eiweiß (zum Beispiel Fisch, Fleisch, Hülsenfrüc­hte) ein Viertel des Tellers bedecken, Beilagen (Nudeln, Reis) ein weiteres Viertel, Gemüse oder Salat die restliche Hälfte.

Am Ende des Tages, findet Hauner, kommt es aber doch hauptsächl­ich darauf an, wie viele Kalorien man insgesamt zu sich genommen hat. Dass sich spätes Abendessen nicht unbedingt schlimm auswirkt, zeige der Vergleich mit anderen Ländern: Spanier etwa sind im Schnitt bestimmt nicht dicker als Deutsche, obwohl sie oft erst nach 22 Uhr üppig zu Abend essen. Dafür fällt ihr Frühstück oft kärglicher aus.

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FOTO: C. KLOSE/DPA Zum üppigen Frühstück raten Experten, weil der Stoffwechs­el morgens am aktivsten ist.

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