Dem Frostspanner nicht auf den Leim gehen
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus! Dieses spätromantische Frühlingslied verbinden wir gedanklich oft mit einer Wanderung durch den Wald und zart austreibenden Blättern. Ich denke da sogleich an einen schädlichen Falter und dessen immer hungrige Raupen. Es ist der Frostspanner. An Eiche und Co. hinterlässt er im Wald nach seinem Kahlfraß lediglich die Mittelrippen der Blätter. Im Garten macht er sich mit Vorliebe über viele Zier- und Obstgehölze her.
Da dieser Schädling so bekannt ist, wissen sich die meisten Hobbygärtner mittlerweile dagegen zu wehren. Genau – es sind die bekannten grünen Leimringe am Baum! Doch Achtung: Entscheidend ist der Zeitpunkt, wann diese Klebefolie angebracht wird. Jetzt ist es zu spät dafür. Die Raupen treiben ja bereits auf dem Baum ihr Unwesen. Erst ab Juni verlassen sie ihn wieder, indem sie sich mit einem feinen Spinnenfaden zum Boden abseilen und darin verpuppen.
Wer Hühner hält, kann sich glücklich schätzen und an dieser Stelle entspannt zurücklehnen. Lassen Sie einfach den scharrendpickenden Mitbewohnern freien Lauf und das Problem ist bald erledigt.
Mein Tipp an Gärtner ohne Hühner: Ab Oktober, vor dem ersten Frost, bringen Sie die Leimringe am unteren Drittel der Baumstämme fest umschließend an. Die Weibchen des Frostspanners, welche dann zur Eiablage am Stamm hochkriechen, werden so abgefangen. Und warum sollten Sie das nicht schon jetzt sofort machen? Weil die Folie im Laufe des Sommers verschmutzt und andere Flug- und Krabbeltiere daran verenden. Dadurch geht die volle Klebekraft für den eigentlichen Adressaten ja verloren. Und dann stellt sich die Frage: Wer ist hier wem auf den Leim gegangen?
Tina Balke ist Pflanzenärztin. Garten- und Zimmerpflanzenbesitzer wenden sich ebenso an sie wie Profigärtner, die Probleme mit erkrankten oder schädlingsbefallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese loswerden. Die Diplom-agraringenieurin und promovierte Phytomedizinerin bietet Pflanzensprechstunden online, Vorträge und in der Region Bodensee-oberschwaben auch Gartenberatungen vor Ort an:
Die neue Generation ist schon da. Den Herbst und Winter hat sie in den Kronen von Eichen verbracht, zwischen Anfang April und Anfang Mai schlüpft sie dort aus den Eiern. Und dann hat sie bis Juli vor allem eines im Sinn: sich Nacht für Nacht ausgiebig mit Blättern vollzustopfen. Mit ihrer Gefräßigkeit haben sich die Raupen des Eichenprozessionsspinners, die man oft in langen Kolonnen die Bäume hinaufkriechen sieht, als Forstschädlinge unbeliebt gemacht. Doch damit nicht genug: Wegen ihrer giftigen Haare gelten sie auch noch als Gefahr für die menschliche Gesundheit. Da wüsste man schon gern, was von diesen Plagegeistern in Zukunft zu erwarten ist.
Also werden ihnen Wissenschaftler der Universität Göttingen in den nächsten drei Jahren genauer auf den Zahn fühlen. „Rima“(„Risikobewertung, Überwachung und Auswirkungen von Massenvermehrungen des Eichenprozessionsspinners in Eichen(misch)wäldern“) nennt sich das im Januar gestartete Projekt, das von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe getragen und vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert wird. „Vor allem wollen wir besser verstehen, wann, wo und warum sich diese Insekten massenhaft vermehren und Schaden anrichten“, erklärt Carsten Thies vom Umweltforschungslabor N-lab in Winsen, der als Kooperationspartner bei Rima mitarbeitet. „So soll eine Art Frühwarnsystem entstehen.“
Die dafür nötigen Daten erheben die Forscher in Brandenburg, das mit seinen trockenen Böden und geringen Niederschlägen als eine Art Modellregion für die möglichen Folgen des Klimawandels gilt. Experten befürchten nämlich, dass der Eichenprozessionsspinner als wärmeliebende Art von den steigenden Temperaturen profitieren könnte. Tatsächlich verzeichnen Fachleute etwa seit 1993 ein verstärktes Auftreten der Art in Deutschland. Vor allem im Nordosten und Südwesten, in Franken sowie in Teilen Nordrhein-westfalens krochen die Tiere zeitweise in Scharen durch die Bäume.
Massenentwicklungen des unscheinbaren Nachtfalters und seines Nachwuchses hat es allerdings auch schon früher gegeben – wenn auch nicht in diesem Ausmaß. „In unseren Eichwäldern hält sich eine Art von graufarbigen haarigen Raupen auf, die … in ganzen großen Zügen dicht aneinander und aufeinander von einem Baum zum anderen wandern“, berichtete der Schriftsteller Johann Peter Hebel schon im Jahr 1811. Eindringlich warnte er auch davor, die Tiere zu berühren: „Sie dulden es nicht ungestraft, wenn sie sich rächen können.“
Tatsächlich kann so eine Begegnung sehr unangenehme Folgen haben. Vor allem ältere Raupen besitzen unzählige hohle Haare, die bei Berührung leicht abbrechen. Dann setzen sie ein Nesselgift namens Thaumetopoein frei, das heftigen Juckreiz und Entzündungen von Haut, Schleimhäuten und Augen sowie
Raupen des Eichenprozessionsspinners kriechen bei einem Befall oft in Massen Baumstämme hinauf. Ihre Haare können Menschen gefährlich werden. Fieber und Schwindelanfälle auslösen kann. In Einzelfällen ist sogar ein allergischer Schock möglich. Wer die Haare einatmet, muss mit Atembeschwerden, Bronchitis oder gar Asthma rechnen. Und selbst ausgefallene Exemplare, die in den selbst gesponnenen Nestern der Raupen herumliegen oder vom Wind verweht werden, sind noch gesundheitsschädlich. „Zusammen mit Medizinern werden wir im Rahmen des Projekts untersuchen, was genau beim Kontakt mit diesen Haaren passiert“, sagt Carsten Thies.
Auch die Konsequenzen für die befallenen Bäume wollen er und seine Kollegen genauer unter die Lupe nehmen. „Wenn eine alte Eiche zwei Jahre hintereinander kahlgefressen wird, kann sie durchaus absterben“, erklärt der Forscher. Und selbst wenn nicht, müssen sich Förster womöglich auf eine geringere Holzproduktion der geschwächten Bäume einstellen. Dieses Problem aber dürfte nicht überall in gleichem Ausmaß auftreten. So gibt es Hinweise darauf, dass vitale Bäume auf guten Standorten den Befall besser wegstecken als Artgenossen, die ohnehin schon ums Überleben kämpfen.
Keiner weiß bislang genau, was die Vorkommen der Nachtfalter fördert und warum manche Eichenwälder stärker befallen werden als andere. Neben dem Klima, der Wasserversorgung und dem Nährstoffangebot können dabei noch weitere Faktoren eine Rolle spielen. So scheinen die Tiere eine Vorliebe für lichte Eichenwälder mit vielen sonnigen Flächen zu haben. Und Parkbäume sind generell stärker gefährdet als solche im Wald.
Mehr Klarheit sollen nun die neuen Untersuchungen liefern, bei denen die Forscher in ganz Brandenburg Prozessionsspinner-vorkommen mitsamt der zugehörigen Umweltfaktoren erfassen wollen. Dabei erproben sie auch den Einsatz von Drohnen, die mit Multispektralkameras ausgerüstet sind. Für die Prognose künftiger Prozessionsspinnerprobleme müssen die Forscher allerdings auch wissen, wie sich die Insekten von solchen Stützpunkten aus weiterverbreiten. Erfahrungen aus Berlin, wo das Pflanzenschutzamt die Vorkommen der Tiere schon seit 2006 überwacht, liefern dazu bereits erste Erkenntnisse. Demnach kommt der Großteil der Population von einem Jahr zum nächsten nur ein paar Hundert Meter weit voran. Manchmal aber werden die erwachsenen Falter auch mit dem Wind verweht. Dann werden plötzlich bis zu 15 Kilometer entfernt neue Bäume befallen.
Kühle Temperaturen, vor allem in der Nacht, könnte die Populationen schrumpfen lassen. Das würde auch zum aktuellen Trend in Brandenburg passen. Nachdem dort zeitweise mehr als zehn Prozent des Eichenwalds befallen waren, sind die Zahlen in den letzten zwei bis drei Jahren zurückgegangen. „Auch dafür kennen wir die genauen Gründe noch nicht“, sagt Thies. Entsprechend schwierig ist es, eine Prognose zu geben. Bis zu einer verlässlichen Raupenvorhersage hat das Rima-team noch einiges an Arbeit vor sich.