Abitur, Corona – Teil zwei
Wie Schulleiter und Abiturienten die Abiturprüfungen unter Pandemie-bedingungen in Wangen erleben
- Bereits der zweite Corona-abiturjahrgang: Erneut werden die Abiturprüfungen unter Coronabedingungen geschrieben. Wie die Schulleiter und Abiturienten des Rupert-neß-gymnasiums und des Beruflichen Schulzentrums in Wangen die Abschlussprüfungen in Coronazeiten erleben.
Das Kultusministerium Badenwürttemberg hat angeordnet, dass sich jeder Abiturient vorab testen lassen kann, eine Pflicht besteht jedoch nicht. Getestete und nicht getestete Schüler müssen nicht mehr – wie ursprünglich vorgegeben – in getrennten Räumen Prüfungen schreiben.
Viele Berufsschullehrer hatten das als nicht durchführbar kritisiert. Alternativen seien beispielsweise drei Meter Abstand, Trennwände und kontinuierliche Lüftung.
Während der Prüfungen gilt die Maskenpflicht, zum Essen und Trinken oder beim Verlassen des Raumes darf die Maske abgenommen werden. Die Abiturienten haben wegen der aktuellen Lage 30 Minuten mehr Zeit für ihre Prüfungen bekommen, es gab mehr Aufgaben zur Vorauswahl für die Lehrkräfte und zwei bis drei Wochen mehr Lernzeit.
Obwohl die Inzidenz im Landkreis Ravensburg mehrere Tage schon über 165 liegt und damit die Schulen laut Landratsamt ab Montag schließen, finden die Abiturprüfungen ganz normal statt, wie das Kultusministerium auf Nachfrage bestätigt, da Prüfungen von der Regelung ausgenommen sind.
Rupert-neß-gymnasium – Perspektive des Schulleiters
Am Dienstag geht es mit den Abiturprüfungen im Fach Deutsch am Rupert-neß-gymnasium los. Jeder Abiturient schreibt in drei schriftlichen Leistungsfächern Abitur. Die Prüfungen sind am 19. Mai abgeschlossen.
„Die Vorbereitungen liefen unterschiedlich, das hängt stark von den Schülern ab“, sagte Schulleiter Michael Roth. Manche Schüler könnten gut individuell arbeiten, andere bräuchten die Lehrer zur Unterstützung. Für manche sei der Fernunterricht schwer gewesen, deshalb hätten sich die Lehrer individuell gekümmert.
„Wir haben die Abiturienten nicht allein gelassen, sie hatten immer jemanden, an den sie sich bei Fragen wenden konnten“, so Roth. Vor den schriftlichen Prüfungen gebe es immer reichlich Fragen.
Die Abiturienten werden in getrennten, kleineren Räumen mit zehn bis zwölf Schülern die schriftlichen Prüfungen schreiben. „Falls jemand positiv ist, müssen dann nicht alle gleichzeitig in Quarantäne. Aber kleinere Räume bedeuten auch mehr
Aufwand, da mehr Aufsichten benötigt werden“, sagt der Schulleiter.
Befürchtungen eines Leistungsabfalls wegen der Pandemie-situation hat Roth nicht: „Wir hatten letztes Jahr einen absoluten Top-durchschnitt, so gut wie seit den 70er-jahren nicht mehr.“Auch dieses Jahr seien die Prüfungen für die Schüler angemessen. „Manche Schüler, Eltern und Lehrer machen sich Sorgen, aber das müssen sie nicht“, meint Roth. Vor allem die Lehrer seien immer aufgeregt.
Rupert-neß-gymnasium – Sicht eines Abiturienten
Einer der 79 Abiturienten am RNG ist Maximilian von Neukirch. Der 18-Jährige schreibt seine schriftlichen Prüfungen in den Fächern Physik, Gemeinschaftskunde und Mathematik.
„Corona hat unsere Vorbereitungen für die Abiturprüfungen insofern beeinflusst, dass wir viel daheim gelernt haben, was man beim Lernen für das Abitur aber sowieso macht. Vor allem der Unterricht war eingeschränkt, das Lernen weniger“, sagt von Neukirch. Die Schule habe den Fernunterricht gut durchgeführt.
„Ich fühle mich gut vorbereitet. Es hängt von den Schülern selbst ab, wie gut sie selbstständig lernen können. Ich kann das gut, andere hatten mehr Probleme damit“, sagt der Abiturient.
Nach seinem Schulabschluss will er zur Bundeswehr gehen – das war schon vor Corona geplant. Bei vielen seiner Mitschüler hätte die Pandemie die Reisepläne durchkreuzt.
Berufliches Schulzentrum Wangen – Sicht des Schulleiters
Am Beruflichen Schulzentrum beginnen die Abiturprüfungen auch am Dienstag. Die letzte Prüfung im Fach Mathematik wird am 17. Mai geschrieben.
„Die Prüfungsvorbereitungen liefen anders als in den vergangenen Jahren. In den letzten zwei Wochen wurden die Schüler gut zu Hause beschult in den Prüfungsfächern“, sagt Schulleiter Patrick Well. Der Präsenzunterricht sei nicht zu ersetzen, auch wenn mit dem Fernunterricht gute Erfahrungen gemacht worden seien.
„Von manchen Lehrern haben wir die Rückmeldung erhalten, dass die Schüler unstrukturiert sind, was sie so vorher nicht erlebt haben. Andere Kollegen wiederum sagen, dass viel mehr Zeit in die Prüfungsvorbereitung bei den Schülern investiert wurde.“Die Lage sei nicht einheitlich.
Die freiwilligen Selbsttests an Schulen hält er generell für sinnvoll. Aber: „Ich bin gespannt, wie viele sich testen lassen. Ich gehe persönlich von geringen Testzahlen aus, denn die Gefahr besteht bei einem falschen Positivtest, dass man schnell in die Bredouille kommt und sich die Prüfungen und damit eventuell das Studium verschieben.“
Eine schlechtere Leistung aufgrund der Pandemie-situation befürchtet auch er nicht: „Es gibt verschiedene Kompensationsmaßnahmen. Ich denke, dass die Noten etwa gleich bleiben. Die Stimmung im Kollegium ist grundsätzlich so, dass keine Noten verschenkt werden, aber die schwierigen Lernbedingungen berücksichtigt werden.“
De facto sei jedoch weniger Wissen vermittelt worden, da Lernzeit entfallen ist. Die Lücken seien aber wieder schließbar. Bei den Schülern gebe es teils immer wieder Sorgen um schlechtere Noten, andere seien froh, dass die Schulzeit zu Ende ist und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. „Das geht wie in der Gesellschaft weit auseinander“, meint der Schulleiter.
Allgemein seien die Abiturienten seiner Schule wenig in Richtung Ausbildung unterwegs, tendenziell würden mehr studieren. An seiner Schule schreiben 187 Schüler ihr Abitur, die meisten im Zweig Wirtschaftsgymnasium (139).
Berufliches Schulzentrum Wangen – Perspektive einer Abiturientin des Technischen Gymnasiums
Kyra Funk ist Abiturientin am Technischen Gymnasium. Die 20Jährige, die ihr schriftliches Abitur in den Fächern Englisch, Mathematik und Umwelttechnik schreibt, ist auch die jüngste Kreisrätin im Kreis Lindau für die Grünen.
„Die Abiturvorbereitungen liefen gut. Auch mit dem Online-unterricht hat alles funktioniert, nur der Hybridunterricht war komplizierter, sonst hatten wir keinen negativen Corona-einfluss“, so Funk.
Einige Lehrer hätten die Befürchtung, dass die Schüler denken würden, dass sie ein leichteres Abitur bekommen und sich nicht so gut vorbereiten würden. „Sie sagen, dass wir so nicht denken sollen und uns trotzdem zum Lernen hinsetzen sollen. Aber das ist uns Schülern auch bewusst.“
Ihre Eltern sehen auch Vorteile im Fernunterricht: „Wir hätten dadurch gelernt, selbstständig zu lernen – ohne Lehrer, die uns dazu zwingen.“
Nach ihrem Abitur möchte sie Bauphysik studieren. „Ein paar der Abiturienten haben Zukunftsängste, dass wir der Corona-jahrgang sein werden. Andere denken, dass uns andere Möglichkeiten offenstehen.“Dieses Jahr habe man jedoch mehr Bewerbungen schreiben müssen.