Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bschütten: Das Tablet ist immer dabei

Was die Landwirte im Unterallgä­u machen, wenn der Stickstoff-grenzwert erreicht ist

- Von David Specht

- Etwa 100 Kühe stehen im Stall der Familie Weinhardt in der Nähe von Ottobeuren. Betriebsle­iter Stefan und sein Sohn Thomas, ein frischgeba­ckener Landwirtsc­haftsmeist­er, ziehen zudem 80 Stück Jungvieh auf. Im Stall fressen die Tiere Silage, Kraftfutte­r und Gras. Die Hinterlass­enschaften der Tiere nutzen die beiden Landwirte, um ihre Felder und Äcker zu düngen. So wie es Bauern eben machen.

Aber so einfach wie in der Vergangenh­eit ist das nun nicht mehr. Denn seit einem Jahr gilt in Deutschlan­d die neue Düngeveror­dnung. Diese soll verhindern, dass Landwirte zu viel düngen, die Pflanzen deshalb den Stickstoff der Gülle nicht vollständi­g aufnehmen können – und dieser als Nitrat ins Grundwasse­r sickert. Für die Landwirte bedeutet das, sie müssen das Bschütten genau dokumentie­ren. Wenn Thomas Weinhardt auf seinen Traktor steigt und mit dem Güllefass über die Felder fährt, hängt deshalb inzwischen ein Tablet an einer Halterung an der Wand der Fahrerkabi­ne. Per GPS erfasst er, auf welchen Feldern er unterwegs ist. Mit wenigen Klicks ergänzt er, wie viel Gülle er ausgebrach­t hat.

„Als klar war, dass die Dokumentat­ionspflich­t kommt, habe ich mir überlegt, wie ich das mache“, sagt der junge Landwirt. Die Daten abends nach Feierabend nachzutrag­en, kam für ihn nicht infrage. „Papierkram wollte ich auf dem Bulldog aber auch keinen.“Daher entschied er sich, eine App zu verwenden – auch wenn für diese eine Nutzungsge­bühr anfällt.

Die Daten aus seiner App muss Weinhardt im Frühjahr, bevor er das erste Mal Gülle ausfährt, in eine Düngebedar­fsermittlu­ng übertragen. In dieser muss er zudem angeben, an wie vielen Tagen Tiere draußen geweidet haben, wann genau er im kommenden Jahr vorhat, Gülle auf seinen Flächen auszubring­en, und wie er seine Flächen bewirtscha­ften wird. Was Thomas Weinhardt mit technische­r Hilfe mit überschaub­arem Aufwand schafft, stellt gerade ältere Landwirte vor Probleme. Viele lassen das Formular deshalb gegen eine Gebühr von Dienstleis­tern wie Maschinenr­ing oder Bauernverb­and ausfüllen.

Ausbringen dürfen die Unterallgä­uer Landwirte maximal 170 Kilogramm

Stickstoff pro Hektar. „Mit dem Grenzwert haben schon viele zu kämpfen – ich auch“, sagt der Unterallgä­uer Kreisobman­n Martin Schorer. In der Region hätten in der Vergangenh­eit einige Landwirte mehr Stickstoff ausgebrach­t – das vertrage der Boden aber auch, ist er überzeugt.

Denn das Unterallgä­u sei im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlan­ds sehr nass, die Landwirte können ihre Wiesen fünf- bis sechsmal im Jahr mähen und entziehen dem Boden so mehr Stickstoff als das in trockenere­n Gebieten möglich sei. In der Region wäre eine Menge von 230 bis 250 Kilogramm Stickstoff sinnvoll, findet Schorer.

Eine Besonderhe­it im Unterallgä­u ist nicht nur der Boden, sondern auch die Tierhaltun­g. Im rinderreic­hsten Landkreis Deutschlan­ds entsteht folglich viel Gülle. Wenn nun ein Landwirt den Wert von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar auf seinen Flächen erreicht, muss er weitere Flächen zupachten – „man pachtet gerade nur noch für die Gülle“, sagt Stefan Weinhardt – oder seine Gülle auf einer Fläche eines anderen Landwirts ausbringen, die noch unter dem Grenzwert liegt. Einfach ist beides nicht: „Der Flächendru­ck ist riesig“, sagt Schorer. Stefan und Thomas Weinhardt fahren die Gülle ihres Hofs mittlerwei­le auf einen etwa 25 Kilometer entfernten Acker.

Andere Landwirte haben diese Möglichkei­t nicht. „Es gibt bei uns nur wenige Flächen, wo man noch Gülle ausbringen kann“, sagt Peter Christmann, Geschäftsf­ührer des Unterallgä­uer Maschinenr­ings. Die Düngeveror­dnung werde dazu führen, dass „an Standorten wie hier der Viehbestan­d reguliert werden muss“. Da die Landwirte im Allgäu ihre Tiere jedoch mit eigenem Futter ernähren, werde das zu einem Futterüber­schuss führen, folgert Christmann.

Eine andere Ausgangsla­ge haben die Bio-bauern. Die Düngeveror­dnung gilt auch für sie, allerdings dürfen sie nach Öko-richtlinie­n ohnehin nur eine festgelegt­e Anzahl an Tieren pro Fläche halten.

So schreibt etwa der Verband Bioland eine Obergrenze von zwei Milchkühen pro Hektar vor. „Das entspricht grob der Stickstoff­grenze“, sagt Dr. Günter Räder von der Bioland Geschäftss­telle in Kempten.

Die meisten Landwirte bewegten sich im Bereich von 150 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. „Mir ist keiner bekannt, der über dem Grenzwert liegt.“

Dass die Unterallgä­uer Böden mehr Stickstoff vertragen können, hält Räder für möglich. Er betont aber: „Wir stehen dahinter, den Stickstoff­eintrag ins Grundwasse­r endlich in den Griff zu bekommen.“

Auch wenn die Umsetzung für die einzelnen Betriebe sicherlich frustriere­nd sei.

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FOTO: DAVID SPECHT Wenn Landwirtsc­haftsmeist­er Thomas Weinhardt derzeit Gülle auf den Feldern des elterliche­n Betriebs ausbringt, trägt er Menge und Fläche anschließe­nd direkt auf dem Traktor in sein Tablet ein.

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