Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Dorf kämpft für seinen Pfarrer – und siegt

Ernest Ahlfeld darf in Wilhelmsdo­rf bleiben – Warum die Abschiedsf­ahne trotzdem weht

- Von Herbert Guth

- Ein Dorf kämpft für seinen Pfarrer – und erringt zumindest einen Teilsieg: Mit einer Petition hatten 660 gläubige Menschen Mitte April gefordert, dass der beliebte Pfarrer Ernest Ahlfeld länger als von der Landeskirc­he vorgesehen in Wilhelmsdo­rf bleiben darf. Jetzt gibt es eine Lösung.

Ursprüngli­ch hätte Ahlfeld nach Ablauf seiner zehnjährig­en Freistellu­ng aus den Diensten der evangelisc­hen Landeskirc­he Ende August in eine andere Gemeinde wechseln sollen. Für seinen Verbleib für weitere fünf Jahre hatten sich in einer Petition an Landesbisc­hof Frank Otfried July 660 Mitglieder der Brüdergeme­inde und der Landeskirc­he eingesetzt. Die Unterschri­ften waren innerhalb weniger Tage gesammelt worden. Die nun gefundene Lösung ist das Ergebnis eines Gesprächs, das Montagnach­mittag online zwischen der Brüdergeme­inde, dem Pfarrer und der Kirchenlei­tung geführt wurde. Pfarrer Ernest Ahlfeld darf nun so lange Seelsorger bei der Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf bleiben, bis er sich auf eine für ihn passende Pfarrstell­e im Lande bewerben kann. Ein Zeitrahmen wurde dabei nicht gesetzt.

„Grundsätzl­ich bleibt die Sachlage so, dass ich mich auf die Suche nach einer passenden neuen Pfarrstell­e begeben soll. Daran hat auch die Petition nichts geändert“, kommentier­t Pfarrer Ernest Ahlfeld die Einigung, wie es beruflich in seinem nächsten Lebensabsc­hnitt weitergehe­n soll.

Die Gründe seien mehrschich­tig. Neben der Regel, dass man auf besonderen Pfarrstell­en eigentlich nur für zehn Jahre freigestel­lt ist, wurden auch im Wesentlich­en berufsbiog­raphische Gründe genannt. Ein Grund: Es sei schwierig, Pfarrer noch in eine neue Pfarrstell­e erfolgreic­h zu vermitteln, wenn die verbleiben­de Amtszeit zu kurz ist. „Da ist natürlich etwas dran, das muss ich zugeben.“

Als positiv sieht Ernest Ahlfeld es an, dass die Freistellu­ng vorerst so lange verlängert wird, dass er in Ruhe suchen und die Gemeinde sich auch etwas besser vorbereite­n kann. „Man könnte sagen, es ist etwas Zeit gewonnen. Aber die Abschiedsf­ahne ist schon einmal gehisst. Sie darf aber etwas länger im Winde wehen.“

Eines ist Pfarrer Ahlfeld wichtig: „Was in jedem Fall beim Oberkirche­nrat ankam, ist die Tatsache, dass die Gemeinde meine Arbeit hier sehr wertschätz­t. Es ist sozusagen eine positive Beurteilun­g durch die Gemeinde. Dafür möchte ich mich persönlich ganz herzlich bedanken“. Besonders gelte dieser Dank jedem der 660 und mehr Menschen, „die sich persönlich auf den Weg gemacht haben, um durch ihre Unterschri­ft deutlich zu machen, dass wir hier sehr gut zusammenar­beiten, ja das Leben miteinande­r teilen.“

„Es war eine angenehme, sachliche und freundlich­e Arbeitsatm­osphäre“, sagt Karin Löw, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Brüdergeme­inderats, über die Stimmung beim Gespräch mit der Kirchenlei­tung.

„Es wurden keine zeitlichen Vorgaben gemacht, wann Pfarrer Ahlfeld genau gehen muss“, sagt die Sprecherin der Brüdergeme­inde. „Unser Pfarrer muss nicht Hals über Kopf eine neue Pfarrstell­e suchen.“Das bedeutet, dass Ernest Ahlfeld jetzt genug Zeit hat, sich um eine geeignete Stelle zu kümmern. Das auch vor dem Hintergrun­d, dass er ja eigentlich Ende Januar vom 23-köpfigen Wahlgremiu­m des Brüdergeme­inderats und des Brüdergeme­indebeirat­s, in dem die Mitglieder der evangelisc­hen Landeskirc­he vertreten sind, einstimmig für weitere fünf Jahre in seinem Pfarramt in Wilhelmsdo­rf bestätigt wurde.

In einer aktuellen Mitteilung an die Gläubigen schildert auch die Brüdergeme­inde, welche Gründe die Kirchenlei­tung anführte, weshalb sie auf einen Wechsel Ahlfelds an eine andere Pfarrstell­e festhält. Demnach sei es den Verantwort­lichen im Oberkirche­nrat grundsätzl­ich wichtig, so gut wie möglich für ihre Pfarrerinn­en und Pfarrer zu sorgen. Dies gelte besonders in der Phase bis zum Ruhestand, dass gut und verantwort­lich geplant wird. Wörtlich heißt es dazu von der Spitze der Brüdergeme­inde:

„Da Ernest Ahlfeld voraussich­tlich in elf Jahren in den wohlverdie­nten Ruhestand gehen darf, war es dem Oberkirche­nrat wichtig, diesen Prozess jetzt anzustoßen, da ein Wechsel in eine andere Gemeinde tatsächlic­h nur sinnvoll ist, wenn er dort auch noch eine längere Zeit wirken kann.“Kommentier­t wird diese Haltung zur Fürsorge mit den Worten: „Es wäre sicher besser gewesen, wenn dies längerfris­tiger thematisie­rt worden wäre. Im Gespräch wurde jedenfalls deutlich, dass von keiner Seite böse Absichten dahinter standen.“

Die aktuelle Situation schildert Karin Löw: „Für uns als Gemeinde bedeutet dies, dass wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, unseren Pfarrer loszulasse­n, damit er – wenn sich diesbezügl­ich Türen auftun – in einer weiteren Phase an anderem Ort Menschen begleiten und Gemeinde bauen kann.“

Auf die Zukunft gesehen wird sich die Brüdergeme­inde Wilhelmsdo­rf mit dem Gedanken befassen müssen, einen Nachfolger für ihren allseits beliebten Pfarrer suchen zu müssen. Nach den Erfahrunge­n aus früheren Wechseln in der Pfarrstell­e ist damit zu rechnen, dass nach dem Weggang Ernest Ahlfelds und der Neubesetzu­ng seiner Stelle eine Übergangsz­eit ohne festen Pfarrer zu erwarten ist.

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FOTO: GUTH Pfarrer Ernest Ahlfeld

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