Schwäbische Zeitung (Wangen)

Pfleger beklagen Chaos auf Ulmer Corona-station

Intensivpf­leger werfen Klinikleit­ung Versäumnis­se vor – Gewerkscha­ft schaltet sich ein

- Von Johannes Rauneker

- Die Rede ist von „unfassbare­m Druck“und „chaotische­n Zuständen“: Mehrere Pfleger der Coronainte­nsivstatio­n der Ulmer Uniklinik haben sich an die Gewerkscha­ft Verdi gewandt. Sie werfen der Klinikleit­ung Versäumnis­se vor.

Weil wegen der extrem hohen Arbeitsbel­astung auf der Corona-intensivst­ation der Uniklinik keine Zeit sei, ausreichen­d zu trinken, seien Pfleger bereits kollabiert. Der Leidensdru­ck des Pflegepers­onals an der „Corona-front“auf dem Ulmer Eselberg ist so groß, dass einige Beschäftig­te nun einen Hilfeschre­i abgesetzt haben. Drei Pfleger nahmen Kontakt mit dem Ulmer Gewerkscha­ftssekretä­r Jannik Widon auf.

Dieser berichtet der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht nur davon, dass während der Acht- oder sogar Zwölfstund­en-schichten auf der Intensivst­ation für die Pfleger manchmal kaum Zeit bliebe, zu essen – von längeren Pausen ganz zu schweigen.

Die Klinikleit­ung hat es aus Sicht der Pfleger versäumt, rechtzeiti­g Maßnahmen zu ergreifen, um für die aktuelle dritte Corona-welle gerüstet zu sein. Möglich sei dies beispielsw­eise gewesen, als es im Sommer noch nicht so angespannt war. Doch: Es sei kein Konzept entwickelt worden. Nun müssten sich Pfleger auf dem Gang umziehen. Eine Schleuse für diese Zwecke war ursprüngli­ch in einem Patientenz­immer untergebra­cht, das sei nun aber belegt.

Von 122 Intensivbe­tten waren in Ulm zuletzt 105 belegt, 38 davon mit

Covid-19-patienten. Klinikchef Udo Kaisers warnte Anfang der Woche: „Die Situation ist weitaus dramatisch­er als während der ersten Welle.“

Laut den Pflegern herrschen „chaotische Zustände“auf der Station. Ein Problem: zu wenig Personal. Folge: Pflegerinn­en und Pfleger müssten sich aktuell um jeweils zwei Patienten kümmern, die invasiv beatmet werden. Eigentlich sei hier eine Eins-zu-eins-betreuung vorgesehen.

Im Schnitt seien pro Schicht 20 Pflegekräf­te auf der Corona-intensivst­ation im Einsatz.

Kein Verständni­s hat das Pflegepers­onal für die Personalpl­anung der Leitung. Die Fluktuatio­n sei enorm. Es müssten regelmäßig neue Kräfte eingearbei­tet werden, die dann nach vier Wochen aber oft schon wieder weg seien. Die Pfleger fühlten sich von der Klinikleit­ung „im Stich gelassen“, sagt Widon. So habe sich die Pflegedire­ktorin in der Pandemie bislang lediglich „zweimal“vor Ort auf der Station blicken lassen. Frustriere­nd auch, dass in der „Coronatask­force“der Klinik kein echter Vertreter der Pfleger sitze. Was diese fordern: „Man muss ihnen zuhören“, so Verdi-mann Widon. Ums Geld gehe es nicht. Die tariflich geregelte Entlohnung für Pfleger an Uniklinike­n in Baden-württember­g sei bundesweit mit die höchste. Es gehe um personelle Entlastung, sagt Widon.

Am Mittwochvo­rmittag konfrontie­rte die „Schwäbisch­e Zeitung“die Klinik mit den Vorwürfen. Eine Stellungna­hme wurde für den Lauf des Tages in Aussicht gestellt, am Abend hieß es dann allerdings, man warte mit einer solchen bis Donnerstag ab.

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FOTO: DPA Ulmer Intensivpf­leger arbeiten am Limit, oder schon darüber. Hier der Blick auf das Bett einer an Covid-19 erkrankten Patientin in Berlin.

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