Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Klimaziel ist klar, der Weg nicht

Bundesregi­erung will Ausstoß von Treibhausg­asen erheblich schneller senken als geplant

- Von Fatima Abbas, Ulrich Steinkohl und Theresa Münch

(dpa) - Dass eine Einigung so schnell gelingen würde, war nicht absehbar: Die große Koalition hat am Mittwoch und damit bereits kurz nach dem Rüffel des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe Pläne für eine Reform des Klimageset­zes vorgelegt. Demnach sollen die Emissionen schon bis 2030 deutlich sinken. Doch es bleiben Fragen.

Die Richter in Karlsruhe hatten den politische­n Prozess mit ihrem Urteil forciert, jetzt hat die Bundeskanz­lerin das Ergebnis überrasche­nd schnell und höchstpers­önlich verkündet. Deutschlan­d soll nach den Plänen der Bundesregi­erung bis zum Jahr 2045 klimaneutr­al werden – also nur noch so viel Treibhausg­as ausstoßen, wie auch wieder gebunden werden kann. Auf dem Weg dorthin soll es neue Zwischenzi­ele geben, unter anderem eine Treibhausg­asreduktio­n um 65 Prozent bis zum Jahr 2030. Bis heute sind diese Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gesunken.

„Wir werden alles daran setzen, bereits 2045 das Ziel der Klimaneutr­alität zu erreichen“, sagte Merkel am Mittwoch bei einem Onlinekong­ress der Cdu/csu-bundestags­fraktion. Dafür müssten zusätzlich­e Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden.

Ebenfalls ambitionie­rter will die große Koalition laut Merkel bei der Einsparung von Emissionen bis 2030 werden, für die bislang das Eu-ziel von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 ausschlagg­ebend war. „Wir werden unsere Anstrengun­gen für das Jahr 2030 noch einmal verstärken und unser Reduktions­ziel auf 65 Prozent anheben“, sagte die Kanzlerin.

Bereits am Mittag waren Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze und Vizekanzle­r Olaf Scholz (beide SPD) kurzfristi­g vor die Kameras getreten, um die Eckpunkte der geplanten Klimageset­zänderung zu verkünden. Sie soll schon in der kommenden Woche im Kabinett verabschie­det werden.

Nötig war die Anpassung geworden, da das Bundesverf­assungsger­icht dem Gesetzgebe­r in der vergangene­n Woche mit einem wegweisend­en Urteil aufgetrage­n hatte, bis Ende 2022 die Reduktions­ziele für Treibhausg­asemission­en für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Ursprüngli­ch war geplant, die Klimaneutr­alität bis 2050 zu erreichen. Deutschlan­d hatte sich bisher an den Eu-klimaziele­n orientiert und kein eigenes nationales Ziel für die Klimaneutr­alität festgelegt.

Neu ist auch das Zwischenzi­el der Bundesregi­erung, bis 2040 die Emissionen um 88 Prozent zu senken, um so schrittwei­se auf 100 Prozent zu kommen. Einer der Kernkritik­punkte der Richter in Karlsruhe war, den Klimaschut­zpfad nach 2030 nicht ausreichen­d geregelt zu haben.

Noch offen bleibt, wie genau die Ziele erreicht werden sollen und was die neuen Marken für einzelne Bereiche wie den Verkehr oder den Energiesek­tor bedeuten. Darüber liefen parallel noch Abstimmung­en, hieß es. Das Klimageset­z an sich legt zunächst nur den Reduktions­pfad und Minderungs­ziele für die einzelnen Sektoren fest.

Wichtige Knackpunkt­e zum Erreichen der Klimaziele sind etwa ein höherer Co2-preis, der Zeitplan zum Kohleausst­ieg und neue Ausbauziel­e für erneuerbar­e Energien. All das ist in der Bundesregi­erung noch nicht abschließe­nd abgestimmt.

Kritik an den Plänen ließ daher am Mittwoch auch nicht lange auf sich warten. Die Bundesregi­erung habe nicht aufgezeigt, wie sie die Ziele erreichen wolle, monierte etwa die Deutsche Umwelthilf­e. Sie kritisiert­e zudem wie auch Greenpeace das 65-Prozent-ziel als noch immer nicht ausreichen­d. Die Klimaschut­zorganisat­ionen pochen auf mindestens 70 Prozent weniger Treibhausg­ase bis 2030 und Klimaneutr­alität schon bis 2040.

Auch aus der politische­n Opposition gab es Widerspruc­h. Der Linkeklima­politiker Lorenz Gösta Beutin forderte, dass Deutschlan­d schon bis 2035 klimaneutr­al werden müsse.

Der Grünen-politiker Oliver Krischer mahnte an, bei all den Jahresmark­en die Umsetzung der Ziele nicht außer Acht zu lassen. „Wichtiger als neue Ziele wären konkrete Maßnahmen, die fehlen aber jetzt komplett“, sagte Krischer. Gemeint seien „etwa ein Vorziehen des Kohleausst­ieges und eine ernsthafte Beschleuni­gung des Ausbaus der erneuerbar­en Energien“.

FDP-CHEF Christian Lindner warnte vor einem „deutschen Alleingang“. Ziele, die nicht mit Europa abgestimmt seien, würden „nur dazu führen, dass sich innerhalb Europas die Lasten anders verteilen werden“, sagte Lindner am Mittwoch in Berlin. So würden insgesamt aber nicht mehr Tonnen CO2 eingespart. „Deutschlan­d war auch in der Vergangenh­eit schon sehr gut bei ambitionie­rten Klimaziele­n. Nicht gut waren wir bei ihrer Erreichung“, bilanziert­e der FDP-CHEF.

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Der Wahlkampfh­it des Jahres

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