Schwäbische Zeitung (Wangen)

Grüner Strom statt schwarzes Gold

Ölkonzerne steuern um und investiere­n Milliarden in die Energiewen­de

- Von Thomas Seibert

- Für die Ölmultis ist die Pandemie fast vorbei. Das staatliche saudische Unternehme­n Aramco, der größte Ölkonzern der Welt, hat seinen Gewinn in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 30 Prozent gesteigert. Fast 22 Milliarden Dollar hat Aramco seit Jahresbegi­nn eingenomme­n, wie das Unternehme­n vor einigen Tagen mitteilte. Auch die amerikanis­chen und europäisch­en Ölmultis berichten von einer starken Erholung nach dem schweren Pandemieja­hr 2020, denn der Ölpreis zieht kräftig an. Die Gewinne werden aber anders angelegt als früher: Die Konzerne wollen ihre Zukunft sichern und stecken deshalb immer mehr Geld in erneuerbar­e Energien. Analysten erwarten für dieses Jahr eine Rekordsumm­e bei Investitio­nen in Sonnen- und Windenergi­e.

In der Pandemie habe die Nachfrage nach Öl einen „historisch­en Kollaps“erlitten, bilanziert die Internatio­nale Energieage­ntur IEA. Der Ölpreis fiel ins Bodenlose und zeitweise sogar in den Minusberei­ch, weil die Lager überquolle­n. Die Ölförderun­g sackte um fast zehn Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag ab, rund zehn Prozent der normalen weltweiten Fördermeng­e. Inzwischen hat sich der Ölpreis auf fast 70 Dollar pro Barrel erholt, weil die Impfkampag­nen in wichtigen Ländern die Seuche zurückdrän­gen und die großen Volkswirts­chaften aus der Krise kommen. Die Wirtschaft von China, dem größten Ölimporteu­r der Welt, hat in den ersten drei Monaten des Jahres um mehr als 18 Prozent zugelegt. Einige Experten halten in den kommenden Monaten einen Ölpreis von 80 Dollar pro Barrel für möglich.

Aramco kann wegen der Entwicklun­g im ersten Vierteljah­r mehr als 15 Milliarden Dollar an die saudische Staatskass­e überweisen. Auch bei anderen Konzernen klingeln die Kassen. Das französisc­he Unternehme­n Total meldete eine Einkommens­steigerung um 70 Prozent auf drei Milliarden Dollar, und auch der britischni­ederländis­che Konzern Shell und die britische BP feierten die Rückkehr in die schwarzen Zahlen nach dem Tief des vergangene­n Jahres. Die Us-firmen Exxon Mobile und

Chevron kehrten ebenfalls in die Gewinnzone zurück.

Ob es so weitergeht, ist trotz der einsetzend­en Erholung der Weltwirtsc­haft nicht sicher. Indien, der drittgrößt­e Ölimporteu­r weltweit, steckt mitten in einer katastroph­alen Welle der Pandemie, die dort bereits mehr als 200 000 Menschen getötet hat. Außerdem fahren das Ölkartell Opec und Russland ihre Förderung wieder hoch, was den Preisansti­eg bremsen könnte. Iran hat die eigene Produktion bereits auf 2,5 Millionen Barrel pro Tag gesteigert, wie die Nachrichte­nagentur Reuters meldet.

Auf jeden Fall aber verdienen die Ölkonzerne im Vergleich nun wieder viel Geld – und das soll den Übergang der Branche in die Zeit nach dem Öl erleichter­n. Firmen wie BP und Total wollen sich zu klimaneutr­alen Energieunt­ernehmen wandeln, um trotz des Klimawande­ls und schwindend­er Ölreserven relevant zu bleiben.

Bisher spielen die Erneuerbar­en bei den Ölmultis nur Nebenrolle­n, doch die Entwicklun­g zwingt sie zum Umdenken. In der Pandemie fiel die Zahl der verkauften Autos laut IAE im vergangene­n Jahr um sechs Prozent – aber die Zulassung von E-autos nahm im selben Zeitraum um 41 Prozent zu. Die großen Autoherste­ller stellen ihre Produktion auf klimaneutr­ale Fahrzeuge um.

BP und Total wollen den Trend zur sauberen Energie nicht verpassen und ihre Co2-bilanz bis zum Jahr 2050 auf null drücken. Um dieses Ziel erreichen zu können, sollen nach der Corona-krise mehr Gewinne in neue Energien gesteckt werden. Total will rund ein Viertel der diesjährig­en Gesamtinve­stitionen von mindestens zwölf Milliarden Dollar in diesem Bereich ausgeben. Der Ölkonzern hat sich 20 Prozent der Anteile des indischen Unternehme­ns Adani Green Energy gesichert, das eines der weltweit größten Sonnenkraf­twerke betreibt. BP schloss im Februar die Beteiligun­g an einem Windpark vor der amerikanis­chen Ostküste ab, die den Konzern mehr als eine Milliarde Dollar kostete. Aramco und andere Unternehme­n engagieren sich beim sogenannte­n Carbon Capture, dem Auffangen von CO2.

Die norwegisch­e Energieber­atungsfirm­a Rystad Energy schätzt, dass die weltweiten Investitio­nen im Bereich der erneuerbar­en Energien in diesem Jahr den Rekordstan­d von 243 Milliarden Dollar erreichen werden. Zwar wird derzeit noch wesentlich mehr Geld – 311 Milliarden Dollar – für Öl und Gas ausgegeben, doch: „Die Ausgabensc­here zwischen den erneuerbar­en Energien und Öl und Gas schließt sich“, stellt Rystad Energy fest. Der Energiekon­zern Nextera Energy aus den USA, der weltweit größte Produzent von Wind- und Sonnenener­gie, überholte mit einem Marktwert von mehr als 150 Milliarden Dollar im vorigen Herbst zeitweise die Ölmultis Exxonmobil­e und Chevron.

Zumindest vorerst werfen die erneuerbar­en Energien aber weniger Geld ab als Öl und Gas. Die Ölkonzerne stehen deshalb vor der Aufgabe, gleichzeit­ig Gewinne zu erwirtscha­ften und ins neue Zeitalter zu investiere­n. Bp-chef Bernard Looney sagte kürzlich bei der Vorstellun­g der Vierteljah­resbilanz seines Unternehme­ns, die Ölmultis müssten beweisen, dass sie beides könnten: Investoren erfreuen und den Übergang zu neuen Energieque­llen schaffen. Für Looney ist das die „Schlüsself­rage“der Branche.

 ?? FOTO: STANISLAV KRASILNIKO­V/IMAGO IMAGES ?? Arbeiter der Erdölraffi­nerie von Aramco an der Ostküste Saudi-arabiens in der Nähe der Stadt Dhahran: Die Beratungsf­irma Rystad Energy schätzt, dass die weltweiten Investitio­nen im Bereich der erneuerbar­en Energien 2021 den Rekordstan­d von 243 Milliarden Dollar erreichen werden.
FOTO: STANISLAV KRASILNIKO­V/IMAGO IMAGES Arbeiter der Erdölraffi­nerie von Aramco an der Ostküste Saudi-arabiens in der Nähe der Stadt Dhahran: Die Beratungsf­irma Rystad Energy schätzt, dass die weltweiten Investitio­nen im Bereich der erneuerbar­en Energien 2021 den Rekordstan­d von 243 Milliarden Dollar erreichen werden.

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