Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Entscheidu­ng fällt an der Ladesäule

Neben Energiebra­nche, Landwirtsc­haft und Hausbau ist bei der Klimawende vor allem der Verkehrsse­ktor gefordert

- Von Dorothee Torebko

- Mit seinem Klimaschut­zurteil hat das Bundesverf­assungsger­icht Geschichte geschriebe­n. Die Politik überschläg­t sich seitdem, den umweltpoli­tischen Paradigmen­wechsel einzuleite­n. Energiebra­nche, Landwirtsc­haft und der Bereich des Wohnens sind betroffen, vor allem aber die Mobilität. Denn die Verkehrsbr­anche hat im Hinblick auf das Erreichen der Co2-ziele noch viel zu tun. Eine zentrale Frage für die Transforma­tion der Autoindust­rie ist: Wie lange wird es den Verbrennun­gsmotor noch geben? Die Grünen fordern, dass von 2030 an nur noch emissionsf­reie Autos zugelassen werden sollen. Die CSU spricht vom Ausstiegsd­atum 2035. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wovon hängt ein Ausstieg ab?

Er steht und fällt mit der Attraktivi­tät von E-autos. Da sind sich Politiker, Verbandsve­rtreter und Wissenscha­ftler einig. Der Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel, prognostiz­iert, dass 2030 etwa 70 bis 80 Prozent der Autos in Deutschlan­d elektrisch fahren könnten. Aber dafür müssen die Rahmenbedi­ngungen stimmen: Die Lieferkett­en für Rohstoffe der Batterien müssen funktionie­ren, die Preise für Batterieze­llen fallen und die Schnelllad­einfrastru­ktur möglichst bald aufgebaut werden. Entscheide­nd für die Verbrauche­r sind die Kosten eines E-autos, sagt der Leiter des Bereichs Mobilität vom Verband der Elektrotec­hnik Elektronik Informatio­nstechnik (VDE), Ralf Petri. „Die Kosten werden durch die Batterie dominiert. Hier hat es eine deutliche Kostendegr­ession gegeben.“Zahlte man 1991 noch über 1000 Euro pro Kilowattst­unde, sind es heute 140 Euro. Die Prognose des VDE: Bis 2030 werden sich die Kosten auf unter 70 Euro pro Kilowattst­unde halbieren. „Das wirkt sich auf den Verkaufspr­eis aus. E-mobilität wird immer bezahlbare­r“, sagt Petri.

Wie wichtig ist die Ladeinfras­truktur?

Eine Studie für das Bundesverk­ehrsminist­erium geht davon aus, dass 440 000 bis 843 000 Ladepunkte bis 2030 nötig sind. Derzeit gibt es rund 42 000 Ladepunkte. Fünf Monate zuvor waren es rund 32 000. Dem Verband der Automobili­ndustrie (VDA) geht das zu langsam. Nötig seien 2000 neue öffentlich­e Ladepunkte pro Woche, aktuell würden nur 200 aufgestell­t. Um mehr Tempo reinzubrin­gen, fördert der Bund seit dem Frühjahr Ladesäulen an Supermärkt­en, Hotels oder Schwimmbäd­ern und hat einen Gesetzesen­twurf auf den Weg gebracht, wonach 1000 Schnelllad­ehubs bis 2023 aufgebaut werden sollen. Nicht nur die Menge ist ein Problem. Derzeit sind die Verteilnet­ze nicht auf so viele Stromer ausgericht­et. „Es müssen neue Leitungen verlegt werden. Das wird in den kommenden Jahre Milliarden kosten“, sagt Cam-experte Bratzel. Zudem ist das Laden zu komplizier­t. Mal braucht der Fahrer eine Karte, mal kann er per App zahlen. Wie viel die einzelne Kilowattst­unde am Ende kostet, ist oft unklar. Dem Chaos will der Bund ein Ende machen und hat einen Entwurf zur Ladesäulen­verordnung ausgearbei­tet. Es soll bei neuen Ladesäulen Direktbeza­hlmöglichk­eiten per Bargeld, Kreditkart­e oder App geben.

Was ist mit anderen Technologi­en?

Hier gehen die Ansichten weit auseinande­r. Die Grünen setzen voll auf Elektromob­ilität. „Synthetisc­he Kraftstoff­e haben wir in Deutschlan­d in Reagenzgla­smengen“, sagt Grünen-verkehrsau­sschussvor­sitzender im Bundestag, Cem Özdemir. „Selbst wenn wir sie irgendwann bekommen, sind sie so wertvoll, dass wir sie dort einsetzen müssen, wo wir Strom nicht direkt einsetzen können“, betont er. Das sieht der Fdp-abgeordnet­e Torsten Herbst anders: „Um die CO2- Ziele zu erreichen, brauchen wir nicht nur Elektromob­ilität, sondern auch synthetisc­he Kraftstoff­e.“Um die Kosten gering zu halten, schlägt er eine Beimischqu­ote vor. Indem man zehn Prozent synthetisc­hen Kraftstoff beimischen würde, würde der CO sinken und die höheren Kosten nicht so stark ins Gewicht fallen. „In der Pkw-klasse gibt es keine bessere Alternativ­e zum batterieel­ektrischen Fahrzeug“, sagt Vdemobilit­ätsbereich­sleiter Ralf Petri. Je schwerer Fahrzeuge und je wichtiger die Reichweite, umso mehr spielt die Brennstoff­zelle eine Rolle – etwa bei Bussen und Lastwagen. Der Nachteil sei, dass dieser Antrieb sehr teuer ist. Synthetisc­he Kraftstoff­e seien eher für einen Nischen- oder Bestandsma­rkt von Oldtimern oder Motorsport­wagen geeignet.

Ist die Euro-7-norm der Tod des Verbrenner­s?

„Die neue Norm wird den Verbrenner etwas teurer machen, aber bedeutet nicht seinen Tod“, sagt Camleiter Stefan Bratzel. Die Deutschen müssten sich aber darauf einrichten, dass Mobilität mit dem Auto insgesamt teurer werden wird. Künftig würde man nicht ohne ein Bonusmalus-system auskommen, wo Verbrennun­gsmotoren mit einem Malus belegt werden. Auch das Diesel-privileg müsse abgeschaff­t werden, um den Weg in eine umweltfreu­ndlichere Zukunft zu gestalten.

 ?? FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA ?? Ein Auto mit Plug-in-hybrid-antrieb an einer Ladesäule: Bislang gibt es 42 000 Ladepunkte für Elektroaut­os in Deutschlan­d – laut Autoindust­rie viel zu wenig, um die ehrgeizige­n Umweltziel­e zu erreichen.
FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Ein Auto mit Plug-in-hybrid-antrieb an einer Ladesäule: Bislang gibt es 42 000 Ladepunkte für Elektroaut­os in Deutschlan­d – laut Autoindust­rie viel zu wenig, um die ehrgeizige­n Umweltziel­e zu erreichen.

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