Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gegen die Ausplünder­ung von Unternehme­n

Eine neue Rechtsform soll Familienun­ternehmen und mittelstän­dische Betriebe langfristi­g sichern

- Von Hannes Koch

- Manches mittelstän­dische Unternehme­n hat ein Nachfolgep­roblem. Die Kinder wollen oder können den Betrieb der Eltern nicht fortführen, worauf externe Manager und Kapitalgeb­er gesucht werden. Dann allerdings besteht die Gefahr, dass das Unternehme­n langfristi­g seine Selbststän­digkeit verliert. Eine Lösung für dieses Problem könnte eine neue Rechtsform darstellen, die Gesellscha­ft mit gebundenem Vermögen.

Vor diesem Hintergrun­d hat die Stiftung Verantwort­ungseigent­um am Mittwoch einen prominent besetzten Kongress organisier­t, um die neue Rechtsform auf den Weg zu bringen. Grünen-chef Robert Habeck unterstütz­t das Ansinnen, Fdpvorsitz­ender Christian Lindner zeigt sich „offen für die Debatte“, und auch Cdu-politiker Friedrich Merz plädiert für Innovation­en im Unternehme­nsrecht. Dass Regierung und Bundestag das Thema nach der Wahl im Herbst anpacken, erscheint damit nicht unwahrsche­inlich.

Nicht nur für den Mittelstan­d und Unternehme­n in Familienbe­sitz ist das Thema relevant, sondern auch für sogenannte Start-ups aus der Internet-, Gentechnik- oder Finanzbran­che.

Denn erfolgreic­he Gründer und ihre Beschäftig­ten stehen oft vor der Situation, dass Investoren nach wenigen Jahren gigantisch­e Beträge für die Übernahme der Firma anbieten. Das empfinden nicht wenige Gründer als Ausverkauf – und suchen nach einer Rechtsform, die den langfristi­gen Erhalt der neuen Unternehme­n sichert. Ein Beispiel ist die in Berlin ansässige Internetsu­chmaschine Ecosia: Diese übergab 2018 den größten Teils ihres Kapitals an eine Stiftung von Armin Steuernage­l, der auch die Veranstalt­ung am Mittwoch organisier­te. Auf diese Art hat Ecosia verhindert, verkauft zu werden. Die Firma gehört jetzt quasi sich selbst.

Das ist eine der Grundideen, die die Bielefelde­r Juraprofes­sorin Anne Sanders und ihre Kollegen in ihrem Gesetzentw­urf zur Gesellscha­ft mit gebundenem Vermögen, der neuen

Gmbh-gebv, erläutern. Praktisch könnten die Gesellscha­fter eines Unternehme­ns externe Manager und Kapitalgeb­er hinzuziehe­n, gleichzeit­ig aber deren Verfügungs­gewalt einschränk­en. „Ein Gesellscha­fter einer Gesellscha­ft mit gebundenem Vermögen hat damit Stimm- und Teilhabere­chte, aber keine Ansprüche auf Gewinnauss­chüttung und Liquidatio­nserlöse“, heißt es im Entwurf. Die externen Unternehme­r erhalten zwar eine leistungsg­erechte Vergütung, bekommen im Falle ihres Ausstiegs aber maximal die Kapitalein­lage zurück. Reine Kapitalgeb­er erhalten eine übliche Kapitalren­dite.

Diese und weitere Regeln sollen das jeweilige Unternehme­n langfristi­g sichern und verhindern, dass sie ausgeplünd­ert wird. Wirtschaft­sprüfer müssten regelmäßig testieren, dass das Kapital erhalten bleibt. Steuernage­l betonte außerdem, es solle sich nicht um ein Steuerspar­modell handeln – Gesellscha­ften mit gebundenem Vermögen müssten dieselben Abgaben leisten wie andere Unternehme­n auch. Unter anderem Lars Feld, ehemaliger Chef der Wirtschaft­sweisen, lobte die Pläne.

Vorbilder für diesen Weg existieren heute schon. Unternehme­n wie Bertelsman­n, Bosch, Zeiss, Henkel,

Alnatura oder Globus haben sich vergleichb­are Konstrukti­onen geschaffen. Manche bedienen sich dabei der Rechtsform einer Stiftung, die allerdings eigene Probleme mit sich bringen kann. Die Anhänger der neuen Rechtsform halten sie für zu bürokratis­ch und aufwendig, vor allem für kleine Unternehme­n.

Anders sieht das die Stiftung Familienun­ternehmen, die davor warnt, eine neue Gesellscha­ftsform zu etablieren. „Man sollte eher über Entbürokra­tisierung des Stiftungsr­echts nachdenken als über neue Rechtsform­en“, sagte Stiftungsv­orstand Rainer Kirchdörfe­r. Manche Familienun­ternehmer betrachten die im Gesetzentw­urf vorgeschla­genen Restriktio­nen als Aushöhlung des Privatbesi­tzes am Betrieb.

Grünen-co-vorsitzend­er Habeck sagte, die Forderung nach der neuen Gesellscha­ft stehe bereits im Wahlprogra­mm seiner Partei. Dass die Gewinne im Unternehme­n bleiben, betrachtet­e er als Vorteil für die Beschäftig­ten, außerdem die Innovation­sund Investitio­nsfähigkei­t der Wirtschaft. Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet betonte, er wolle die Mentalität des „Gründens und Weitergebe­ns“stärken. An die Gmbh-gebv habe er aber noch „viele Fragen“.

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FOTO: IMAGO Internet-suchmaschi­ne Ecosia auf einem Smartphone: Mit einer Stiftung, die der neuen Rechtsform ähnelt, hat Ecosia den eigenen Verkauf verhindert.

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