Gegen die Ausplünderung von Unternehmen
Eine neue Rechtsform soll Familienunternehmen und mittelständische Betriebe langfristig sichern
- Manches mittelständische Unternehmen hat ein Nachfolgeproblem. Die Kinder wollen oder können den Betrieb der Eltern nicht fortführen, worauf externe Manager und Kapitalgeber gesucht werden. Dann allerdings besteht die Gefahr, dass das Unternehmen langfristig seine Selbstständigkeit verliert. Eine Lösung für dieses Problem könnte eine neue Rechtsform darstellen, die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen.
Vor diesem Hintergrund hat die Stiftung Verantwortungseigentum am Mittwoch einen prominent besetzten Kongress organisiert, um die neue Rechtsform auf den Weg zu bringen. Grünen-chef Robert Habeck unterstützt das Ansinnen, Fdpvorsitzender Christian Lindner zeigt sich „offen für die Debatte“, und auch Cdu-politiker Friedrich Merz plädiert für Innovationen im Unternehmensrecht. Dass Regierung und Bundestag das Thema nach der Wahl im Herbst anpacken, erscheint damit nicht unwahrscheinlich.
Nicht nur für den Mittelstand und Unternehmen in Familienbesitz ist das Thema relevant, sondern auch für sogenannte Start-ups aus der Internet-, Gentechnik- oder Finanzbranche.
Denn erfolgreiche Gründer und ihre Beschäftigten stehen oft vor der Situation, dass Investoren nach wenigen Jahren gigantische Beträge für die Übernahme der Firma anbieten. Das empfinden nicht wenige Gründer als Ausverkauf – und suchen nach einer Rechtsform, die den langfristigen Erhalt der neuen Unternehmen sichert. Ein Beispiel ist die in Berlin ansässige Internetsuchmaschine Ecosia: Diese übergab 2018 den größten Teils ihres Kapitals an eine Stiftung von Armin Steuernagel, der auch die Veranstaltung am Mittwoch organisierte. Auf diese Art hat Ecosia verhindert, verkauft zu werden. Die Firma gehört jetzt quasi sich selbst.
Das ist eine der Grundideen, die die Bielefelder Juraprofessorin Anne Sanders und ihre Kollegen in ihrem Gesetzentwurf zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, der neuen
Gmbh-gebv, erläutern. Praktisch könnten die Gesellschafter eines Unternehmens externe Manager und Kapitalgeber hinzuziehen, gleichzeitig aber deren Verfügungsgewalt einschränken. „Ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen hat damit Stimm- und Teilhaberechte, aber keine Ansprüche auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlöse“, heißt es im Entwurf. Die externen Unternehmer erhalten zwar eine leistungsgerechte Vergütung, bekommen im Falle ihres Ausstiegs aber maximal die Kapitaleinlage zurück. Reine Kapitalgeber erhalten eine übliche Kapitalrendite.
Diese und weitere Regeln sollen das jeweilige Unternehmen langfristig sichern und verhindern, dass sie ausgeplündert wird. Wirtschaftsprüfer müssten regelmäßig testieren, dass das Kapital erhalten bleibt. Steuernagel betonte außerdem, es solle sich nicht um ein Steuersparmodell handeln – Gesellschaften mit gebundenem Vermögen müssten dieselben Abgaben leisten wie andere Unternehmen auch. Unter anderem Lars Feld, ehemaliger Chef der Wirtschaftsweisen, lobte die Pläne.
Vorbilder für diesen Weg existieren heute schon. Unternehmen wie Bertelsmann, Bosch, Zeiss, Henkel,
Alnatura oder Globus haben sich vergleichbare Konstruktionen geschaffen. Manche bedienen sich dabei der Rechtsform einer Stiftung, die allerdings eigene Probleme mit sich bringen kann. Die Anhänger der neuen Rechtsform halten sie für zu bürokratisch und aufwendig, vor allem für kleine Unternehmen.
Anders sieht das die Stiftung Familienunternehmen, die davor warnt, eine neue Gesellschaftsform zu etablieren. „Man sollte eher über Entbürokratisierung des Stiftungsrechts nachdenken als über neue Rechtsformen“, sagte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer. Manche Familienunternehmer betrachten die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Restriktionen als Aushöhlung des Privatbesitzes am Betrieb.
Grünen-co-vorsitzender Habeck sagte, die Forderung nach der neuen Gesellschaft stehe bereits im Wahlprogramm seiner Partei. Dass die Gewinne im Unternehmen bleiben, betrachtete er als Vorteil für die Beschäftigten, außerdem die Innovationsund Investitionsfähigkeit der Wirtschaft. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet betonte, er wolle die Mentalität des „Gründens und Weitergebens“stärken. An die Gmbh-gebv habe er aber noch „viele Fragen“.