Schwäbische Zeitung (Wangen)

Manche sind zu alt für das Musikfesti­val

Damals 44-Jähriger wird wegen seines alten Aussehens von Party ausgeschlo­ssen – BGH gibt Veranstalt­er recht

- Von Marco Krefting

- „Fight for your right to party“: Ein Mann aus München hat die Beastie Boys beim Wort genommen und ist für sein Recht zu feiern vor den Bundesgeri­chtshof gezogen. Er fühlte sich aus Altersgrün­den diskrimini­ert. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt.

In Zeiten von Corona klingt das Problem zwar fast abwegig: Aber wer Party machen will und am Türsteher scheitert, ärgert sich. Vor allem, wenn der Grund nach Diskrimini­erung klingt. Ein damals 44 Jahre alter Mann wurde in München abgewiesen, weil er zu alt aussah. Das war okay, urteilte der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Mittwoch. Zugleich stellten die Richter klar: So pauschal gilt das nicht für alle Veranstalt­ungen und schon gar nicht für mögliche Diskrimini­erungsgrün­de wie Rasse und ethnische Herkunft.

In diesen beiden Fällen, und nur in diesen beiden Fällen, wie der Vorsitzend­e Richter betonte, dürfe generell niemand diskrimini­ert werden. In allen anderen Fällen müsse man genau hinsehen, um was es geht. Beim Thema Alter gelte das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz, auch Antidiskri­minierungs­gesetz genannt, nur für sogenannte Massengesc­häfte oder damit Vergleichb­ares.

Als Beispiele nannte er den öffentlich­en Nahverkehr, Theaterund Sportveran­staltungen.

Bei „Partyevent-veranstalt­ungen“hätten Merkmale wie das Alter aber eine „nicht nur nachrangig­e Bedeutung“, wie es im Juristende­utsch heißt. Die Zusammense­tzung des Besucherkr­eises prägten deren Charakter, argumentie­rte der

BGH. Ein Veranstalt­er könne daher Kriterien festlegen, anhand derer er das Publikum ausgewählt.

So geschehen im August 2017 beim „Isarrausch­en“, bei dem Dutzende DJS auflegten: Das Open-airevent war für Personen im Alter von 18 bis 28 Jahren gedacht. Das Türpersona­l hatte die Anweisung bekommen, „nicht passendes Gästepoten­zial“auszusorti­eren. Dabei sei es auf den optischen Eindruck angekommen, es gab keine Alterskont­rolle.

Nils Kratzer und zwei Freunde bekamen die Ansage, sie sähen zu alt aus. Der Anwalt ging dagegen vor und forderte 1000 Euro Entschädig­ung wegen Diskrimini­erung. Vor dem Münchner Amtsgerich­t hatte er sogar seine deutlich jüngere Partnerin als Zeugin angeboten zum Beweis dafür, dass er gar nicht so alt aussehe. Doch weder dort noch vor dem Landgerich­t München I hatte er Erfolg – und zog daher vor den BGH.

Kratzer nannte die Entscheidu­ng „ein katastroph­ales Signal“. Dass der BGH zwischen Alter auf der einen und Rasse sowie ethnische Herkunft auf der anderen Seite unterschei­de, könne er nicht nachvollzi­ehen. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Das Thema Alter und der Schutz dieses Diskrimini­erungsmerk­mals würden ein großes Problem.

„Vielleicht ist die Sensibilit­ät noch nicht da, sei es in der Bevölkerun­g oder sei es auch bei den Gerichten“, sagte Kratzer der Deutschen Presse-agentur. Hier sei eine Entscheidu­ng „abseits des Gesetzes“getroffen worden.

Tatsächlic­h geht es in Paragraf 19 um „eine Benachteil­igung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlecht­s,

„Vielleicht ist die Sensibilit­ät noch nicht da, sei es in der Bevölkerun­g oder sei es auch bei den Gerichten.“

Kläger Nils Kratzer

der Religion, einer Behinderun­g, des Alters oder der sexuellen Identität“. Kratzers Anwalt hatte bei der Verhandlun­g Ende Februar betont, all die Merkmale stünden dort gleichrang­ig. Der Paragraf bezieht sich aber eben auf Massengesc­häfte, so der BGH.

Vielleicht ist das letzte Wort auch noch nicht gesprochen: Kratzer will sich die Urteilsbeg­ründung genau anschauen und eventuell vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen. Das Thema sei größer angelegt. „Es geht ja hier um wesentlich­e gesellscha­ftliche Probleme: dass Ältere möglicherw­eise aus der Gesellscha­ft ausgestoße­n werden, ihre Teilhabe nicht gewährleis­tet ist für alle Bereiche des Lebens.“

Das Antidiskri­minierungs­gesetz ist seit 2006 in Kraft. Seither gab es bei der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes sechs Anfragen von Menschen, die sich wegen ihres Alters beim Einlass in Diskotheke­n oder Clubs diskrimini­ert sahen. Viel häufiger ging es um Diskrimini­erung wegen der ethnischen Herkunft beziehungs­weise aus rassistisc­hen Gründen (320 Anfragen) und wegen des Geschlecht­s (73).

Zu Fragen der Rasse und Herkunft gab es einem Sprecher zufolge auch schon relativ viel Rechtsprec­hung. In puncto Altersdisk­riminierun­g fehlten aber Leitsätze zur Auslegung der Vorschrift­en, weshalb das Landgerich­t die Revision zum BGH zugelassen hatte. Nun herrscht Klarheit: Ü30-partys dürfen Ü30-partys bleiben.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Der Bundesgeri­chtshof hat geklärt, ob jemand aus Altersgrün­den von einer Party ausgeschlo­ssen werden darf oder ob er damit diskrimini­ert wird. Hintergrun­d ist die Klage von Nils Kratzer (im Bild), dem Kontrolleu­re im Sommer 2017 den Zugang zu einem Open-air-musikevent in München verwehrten, weil er zu alt aussah.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Der Bundesgeri­chtshof hat geklärt, ob jemand aus Altersgrün­den von einer Party ausgeschlo­ssen werden darf oder ob er damit diskrimini­ert wird. Hintergrun­d ist die Klage von Nils Kratzer (im Bild), dem Kontrolleu­re im Sommer 2017 den Zugang zu einem Open-air-musikevent in München verwehrten, weil er zu alt aussah.

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