Schwäbische Zeitung (Wangen)

Biontech erntet die Früchte seines Erfolgs

Wirkstoff gegen das Coronaviru­s bringt dem Mainzer Unternehme­n im ersten Quartal einen Milliarden­gewinn

- Von Mischa Ehrhardt

- Biontech ist zweifelsoh­ne eine Ausnahmefi­rma. Die Mainzer haben ihre Umsätze im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem entspreche­nden Vorjahresz­eitraum um mehr als das 70-Fache gesteigert – auf gut zwei Milliarden Euro. Der Gewinn unter dem Strich hat sich im Vergleich zum Vorquartal verdreifac­ht – auf 1,1 Milliarden Euro. Das alles ist natürlich Resultat der Auslieferu­ng von Impfstoffe­n – bisher sind es rund 450 Millionen Dosen, die von den Mainzern in alle Welt gingen. „Hinsichtli­ch unseres Impfstoffe­s bin ich hocherfreu­t über die außergewöh­nliche Exzellenz unseres Teams und die Zusammenar­beit mit unserem Partner Pfizer. Bis heute haben wir über 450 Millionen Dosen in 91 Länder weltweit geliefert“, sagte Biontech-chef und Mitgründer Ugur Sahin am Montag.

Im ersten Quartal des vergangene­n Jahres hatte Biontech statt eines Milliarden­gewinns noch einen Verlust in Höhe von rund 53 Millionen Euro geschriebe­n; das lag an hohen Forschungs- und Entwicklun­gskosten. Derzeit arbeitet das Unternehme­n vor allem daran, die Produktion hochzufahr­en, um den weltweiten Impfstoffb­edarf möglichst schnell decken zu können. Das Unternehme­n spricht von einer Transforma­tion zu einem global agierenden Biotechkon­zern, spezialisi­ert auf Impfstoffe für die Bekämpfung von Infektione­n und Krebsthera­pien.

Zur Wirksamkei­t des Coronaimpf­stoffs sagte Sahin, der Wirkstoff sei auch gegen die bisher aufgetrete­nen Varianten wirksam, sodass es derzeit nicht erforderli­ch sei, den Impfstoff anzupassen. Die für medizinisc­he Forschung zuständige Biontech-chefin Özlem Türeci zeigte sich zudem zuversicht­lich, dass die Vorhaben des Unternehme­ns zu Krebsthera­pien vielverspr­echend seien. In ersten klinischen Tests habe sich gezeigt, dass Wirkstoffe mit mrna-botenmolek­ülen die Größe von Tumoren reduzieren könnten.

In Sachen Impfstoffe plant Biontech nun, einen Hauptsitz für die Region Südostasie­n hochzuzieh­en. In Singapur sollen in einer neuen Produktion­sstätte dann jährlich bis zu einer Milliarde Impfdosen produziert werden können. Bislang hatte Biontech vor allem die Fühler nach China ausgestrec­kt. Dort hat das Unternehme­n eine Zusammenar­beit mit dem chinesisch­en Pharmakonz­ern Fosun etabliert. Fosun hatte erst am Wochenende angekündig­t, eine Produktion­sanlage bauen zu wollen, in der jährlich ebenfalls bis zu eine Milliarde Dosen an Impfstoffe­n vom Band laufen können. Die Zulassung ihres Vakzins in China erwarten Biontech/fosun bis spätestens Juli.

Mit der Zentrale in Singapur geht Biontech nun den zweiten großen Schritt in Richtung weltweiter Expansion. Im vergangene­n Jahr hatten die Mainzer ihren Us-hauptsitz in Cambridge, Us-bundesstaa­t Massachuse­tts, eröffnet.

Mit der Europäisch­en Union wiederum hat Biontech gerade einen Vertrag zur Lieferung von weiteren 900 Millionen Dosen ab Dezember dieses Jahres bis 2023 geschlosse­n. Daneben besteht die Option auf noch einmal 900 Millionen Impfdosen, sollten sie darüber hinaus nötig sein. Allein für das laufende Jahr 2021 hat Biontech vertraglic­h vereinbart­e Bestellung­en von insgesamt 1,8 Milliarden Impfstoffd­osen vorliegen.

Auf der anderen Seite lässt die Europäisch­e Union offen, ob sie sich über Juni hinaus noch mit dem Impfstoff des britisch-schwedisch­en Impfstoffh­erstellers Astrazenec­a beliefern lassen will. Bei diesem Vakzin hatte es Verzögerun­gen bei der Lieferung gegeben. Verärgert zeigte sich die EU deswegen, weil zur gleichen Zeit die

Lieferunge­n an Großbritan­nien offenbar nicht eingeschrä­nkt wurden. Deshalb hat sie vor einem belgischen Gericht geklagt. In Zukunft sind hierzuland­e vermehrt auch Impfungen mit anderen Vakzinen, wie etwa dem der Firma Johnson und Johnson, möglich.

Während hierzuland­e also Aussicht auf mehr und mehr Impfstoffe besteht, sieht die Lage in ärmeren Ländern weitaus düsterer aus. In diesem Zusammenha­ng hatte Us-präsident Joe Biden die Möglichkei­t eines Aussetzens von Patenten der Impfstoffh­ersteller vorgeschla­gen, damit Firmen in den betroffene­n Ländern die Impfstoffe selbst produziere­n könnten. Biontech-vorstand Ugur Sahin hält das für keine zielführen­de Idee. Denn der Aufbau funktionsf­ähiger Produktion­sanlagen würde mindestens ein Jahr – seiner Vermutung nach sogar länger – dauern. Mit neuen Produktion­sanlagen wie in Singapur und China sehe er dagegen die Chance, dass in neun bis zwölf Monaten Biontech und andere Impfstoffh­ersteller mehr als ausreichen­d Impfstoff für den weltweiten Bedarf produziere­n könnten.

Das sieht Branchenex­perte Thomas Schiessle aus dem Analystenh­aus Equi.ts ähnlich. „Das mag moralisch hochstehen­d klingen. Doch es ist ein sehr komplexer Prozess, solche Vakzine herzustell­en. Es dauert eine Weile, um so einen Prozess stabil und mit hoher Qualität ins Laufen zu kriegen. Es wäre eine bessere Perspektiv­e die Produktion der Unternehme­n entspreche­nd hochfahren zu können.“

 ?? FOTO: DPA ?? Ugur Sahin, Vorstandsc­hef von Biontech, im Labor seines Unternehme­ns in Mainz: Bis zum 6. Mai hat Biontech zusammen mit seinem Partner Pfizer weltweit mehr als 450 Millionen Corona-impfstoffd­osen in 91 Länder oder Regionen ausgeliefe­rt.
FOTO: DPA Ugur Sahin, Vorstandsc­hef von Biontech, im Labor seines Unternehme­ns in Mainz: Bis zum 6. Mai hat Biontech zusammen mit seinem Partner Pfizer weltweit mehr als 450 Millionen Corona-impfstoffd­osen in 91 Länder oder Regionen ausgeliefe­rt.

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