Der Cannabis-unternehmer
Der 30-jährige Allgäuer Lars Müller will mit CBD-ÖLEN Europa und die Börsen der Welt erobern
- Lars Müller will ganz Europa vom Allgäu aus mit Cannabinoiden versorgen. In Deutschland ist er schon erfolgreich, jetzt kommt der nächste Schritt. Das ist nicht der erste Satz des Trailers für die nächste Netflix-serie über Drogendealer, sondern der reale Plan eines jungen Allgäuer Unternehmers. Im Gegensatz zu Breaking-bad-charakter Walter White steht der Wangener Lars Müller auch nicht mit einem Bein ständig im Gefängnis. Er handelt mit legalem Cannabis.
„Wir benutzen als Wirkstoff Cannabinoide wie CBD – anstatt des psychoaktiven THC“, erklärt Müller. Verkauft wird der Wirkstoff als Ergänzungsmittel für Lebensmittel, vor allem als Öl. Das erfreut sich gerade wachsender Beliebtheit. Ein Trend, auf den der 30-Jährige setzt, vielmehr der Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln, den Müller als CEO führt: die Aktiengesellschaft Synbiotic. Der Allgäuer ist einer der jüngsten Chefs eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland.
„Es gibt drei Milliarden-märkte für Wirkstoffe: Schmerz, Stress und Schlaf. Auf allen drei können Cannabinoide ihr Potenzial maximal entfalten. Auf allen drei sind und werden wir mit unseren Produkten und Marken aktiv sein“, sagt Müller über das Geschäftsmodell von Synbiotic. Mit Hempamed hat Müllers Unternehmen eine der größten Marken für CBD-ÖLE im Angebot.
Im Gegensatz zum Cannabis-wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol), der in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, wird CBD (Cannabidiol) vor allem als Nahrungsergänzungsmittel, aber auch in Kosmetika eingesetzt. „Der große Unterschied ist, dass CBD im Gegensatz zu THC nicht berauschend wirkt. THC ist also psychoaktiv wirksam, CBD nicht“, erklärt die Ravensburger Apothekerin Andrea Biedermann. Die Wirkung von CBD ist noch wenig erforscht. Biedermann sagt: „Wir stellen Cbd-lösungen selten auf Rezept her. Dabei wird es meist unterstützend in der Schmerztherapie eingesetzt. Es soll dabei die Schmerzwahrnehmung günstig beeinflussen.“
Zur Produktion von Cannabisölen ist Lars Müller über Umwege gekommen. Technikaffin und computerbegeistert beginnt der Allgäuer in den 2000er-jahren, Internetseiten zu programmieren – und macht seine Leidenschaft zum Beruf. Müller gründet eine Agentur und programmiert Internetauftritte. Erst die von Bekannten, aber bald bekommt er auch größere Aufträge. Nebenher studiert er Informatik in Weingarten. „Das war aber eher, weil meine Mama mir richtigerweise ans Herz gelegt hat, dass ich noch was mit Zertifikat mache, falls es mit der Selbstständigkeit nicht klappt“, erzählt Müller. Doch die Agentur läuft immer besser. Kunden sind Autobauer wie Audi oder die Friedrichshafener Luftschiff-reederei Zeppelin.
Bis 2015 führt Müller die Agentur, doch am Ende zehren Stress und der Kampf um Aufträge immer mehr an ihm. „Ich hatte nicht mehr so den Drive, und auch gesundheitlich ging es mir nicht mehr so gut“, erzählt er. Müller beginnt, sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen. „Ich hab mir überlegt, was mein Körper braucht um gesund zu sein, und bin so auf das Thema Nahrungsergänzungsmittel gekommen.“
Müller verkauft seine Agentur an einen Kompagnon und gründet ein Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Die Solidmind Nutrition Gmbh verkauft Kapseln, die für bessere Konzentration sorgen sollen. Müller hat sie selbst entworfen. „Ich hab mich dabei mit Experten abgestimmt, aber die Inhaltsstoffe hab ich selber probiert und zusammengestellt“, erzählt Müller. Sitz des Unternehmens ist Wangen im Allgäu, die Mitarbeiter sind aber über ganz Deutschland verteilt. Müller arbeitet mit ihnen von Anfang an hauptsächlich über das Internet zusammen und setzt auf ein offenes und flexibles Arbeitsmodell, wie er sagt.
Ende 2017 wird Müller wegen bronchialem Asthma mit medizinischem Cannabis behandelt. Der Wirkstoff in medizinischem Cannabis,
THC, erweitert die Bronchien und hilft beim Entkrampfen. Zwei Jahre nimmt Müller das Medikament. „Mein Arzt fand, dass das besser ist, als Cortison-sprays zu nehmen. Dass ich da die Konsumentenseite mitbekommen habe, bringt mir heute sehr viel“, sagt Müller im Rückblick. Die Pflanze fasziniert ihn. „Die Inhaltsstoffe, die Wirkung und die Vielseitigkeit fand ich einfach spannend.“Was ihn aber stört, ist die psychoaktive Wirkung des Wirkstoffs im medizinischen Cannabis. THC verändert neben erwünschten Wirkungen wie Schmerzlinderung oder Entspannung unter anderem die Wahrnehmung, sorgt für Müdigkeit und macht träge. „Wenn man das nimmt, dann ist man high und der Tag ist gelaufen. Ich konnte das praktisch nur abends machen“, sagt Müller.
Müller beschäftigt sich näher mit Cannabis und entdeckt den Wirkstoff CBD für sich, der aus weiblichem Hanf gewonnen wird. „Ich hab festgestellt, dass das im Allgäu sogar auf dem Feld steht, und wollte dann damit was machen“, sagt er. Durch einen Zufall kann Müller im September 2018 Hempamed kaufen, eine kleine Marke für Cannabis-produkte. „Das war mein Einstieg in diese Welt“, sagt Müller. Als Investor gewinnt der Allgäuer Georg Kofler, den früheren Geschäftsführer des Privatsenders Prosieben. Heute ist Hempamed laut Müller eine der größten Cbd-marken im deutschsprachigen Raum. Sieben
Millionen Euro steuere die Marke zum Umsatz des Unternehmens Solidmind bei, das 2020 mit 50 Mitarbeiter auf Erlöse von rund zehn Millionen Euro kam.
Kunden nutzen die CBD-ÖLE der Marke Hempamed, um schneller schlafen zu können. Ein Wirkungsversprechen gibt es aber nicht. Darf es gar nicht geben. „Weil CBD-ÖL als Lebensmittel und Kosmetik verkauft wird, dürfen wir noch auf keine medizinische Wirkung hinweisen“, erklärt Müller. Die Produktion des Öls organisiert Müller seit Anfang 2020 selbst, das Hanfsamenöl, das die Basis bildet, kauft er aus dem Raum Kempten, den Wirkstoff CBD bekommt er aus den Niederlanden und Österreich. „Ich versuche so gut wie möglich, die Region Allgäu zu unterstützen“, sagt Müller. In Eglofstal bei Wangen baut er jetzt eine weitere Produktionshalle.
Mitte 2020 dann der nächste Schritt, der Schritt an die Börse. Nicht über einen normalen Börsengang, sondern über eine sogenannte Special Purpose Acquisition Companies (Spac), eine leere Börsenhülle. Das Spac mit dem Namen Synbiotic hatte Business Angel und Investor Christian Angermayer an Investoren verkauft. Synbiotic wiederum hat später das Start-up von Lars Müllers Solidmind und 25 Prozent des Stuttgarter Start-ups The Hempany übernommen. The Hempany ist ein Lebensmittelhersteller, der auf Hanfmilch und andere Getränke auf Naturhanfbasis spezialisiert ist. Zudem ist Synbiotic an dem Vertriebsunternehmen Cannexo Pharma Gmbh und dem irischen Cannabis-unternehmen Greenlight Pharmaceuticals Limited beteiligt.
Größter Anteilseigner von Synbiotic ist Christian Angermayer; Lars Müller hält nach Angaben der „Wirtschaftswoche“rund zehn Prozent. Zudem ist auch Georg Kofler weiter beteiligt. Lars Müller soll das Unternehmen führen und strategisch ausrichten. „Ich habe im Prinzip den Auftrag, das Thema Cannabinoide europaweit aufzubauen“, sagt Müller. Der Zugang zum Kapitalmarkt gebe ihm deutlich bessere Möglichkeiten zur Finanzierung dieses Vorhabens.
Mittels einer Kapitalerhöhung hat das Unternehmen Ende 2020 bei institutionellen Investoren 6,4 Millionen Euro eingesammelt. Nun plant der Wangener, Aktien auch in Kanada zu verkaufen. Dort sitzen einige der größten Cbd-konzerne der Welt, unter anderem Aurora Cannabis, Tilray und Aphria. In Deutschland ist der Pharmakonzern Stada in das Geschäft mit Cannabis eingestiegen. Konkurrenz gibt es für Müller also genug. „Ich bin dankbar, hier in Wangen bei meiner Familie sein zu können, von meinem Computer mehrere Unternehmen und Investments zu steuern und dabei noch sehr viel Spaß zu haben.“Und zwar auf ganz legale Weise – im Gegensatz zum Breaking-bad-charakter Walter White.