Der Rückzug in den (Un-)ruhestand
Warum Friedrich Rockhoff die Führung der Kißlegger Cdu-fraktion abgegeben hat
- Friedrich Rockhoff hat zum 1. April den Fraktionsvorsitz der CDU im Kißlegger Gemeinderat abgegeben. Er will nach eigenen Angaben den Weg für die nächste Generation von Kommunalpolitikern frei machen. Zur Ruhe setzen wird sich der 76-Jährige damit aber noch nicht. Er bleibt sowohl der Partei, als auch dem Rat weiter erhalten.
Wenn man Friedrich Rockhoff bei seinem Wirken im Kißlegger Gemeinderat beobachtet, wirkt er wie ein Politiker „alter Schule“. Er ist kantig, aber zumeist gut vorbereitet und meinungsstark. Vor allem hat Rockhoff Erfahrung. Er ist seit dem Jahr 1999, in der fünften aufeinanderfolgenden Legislaturperiode, Mitglied dieses Gremiums. Die Tatsache, dass er bei den Wahlen regelmäßig mit Abstand die meisten Stimmen eingefahren hat, 2014 und 2019 mit jeweils knapp 2000 Stimmen mehr als der zweitbeste Kandidat, brachte ihm den Beinamen „Stimmenkönig“ein.
Er selbst hat für diese Popularität einen einfachen Erklärungsansatz. „Als praktizierender Tierarzt mitsamt Kleintierpraxis war ich sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt gleichermaßen bekannt. Und bei Kommunalwahlen werden immer die gewählt, die man kennt.“
Das allein ist es jedoch sicher nicht. Friedrich Rockhoff ist in der Gemeinde als jemand bekannt, der seine und vor allem die Meinung der ländlichen Bevölkerung mit Nachdruck vertritt. „Jeder weiß, wenn dem Rockhoff etwas nicht passt, dann sagt er das und nickt nicht einfach irgendetwas ab“, fasst er seine Herangehensweise an politische Entscheidungsprozesse zusammen. Eine Art, die bei den Kißleggern in den zurückliegenden Jahrzehnten offenbar gut angekommen ist.
Dabei ist Rockhoff gar kein Allgäuer Urgestein. Erst 1975 kam er mit seiner Frau und damals einem Kind aus beruflichen Gründen nach Kißlegg. Aufgewachsen im Kreis Wesel am Niederrhein, lernte er Anfang der 1970er-jahre seine künftige Frau beim Studium im niedersächsischen Hannover kennen. Zuerst „tourte“das Paar durch den Norden der Republik, erst Schleswig-holstein, dann Niedersachsen, bis ihn ein Kollege auf eine Stelle im Allgäu hinwies.
„Damals hieß es, im Süden sei alles besser. Das wollten wir ausprobieren.“Über Waltershofen und Kißlegg ging es schlussendlich nach Schurtannen, wo der Veterinär im Ruhestand bis heute wohnt. Erst einmal in seiner neuen Heimat angekommen, sei dann alles ganz traditionell gelaufen. „Erst wohnt man zur Miete, dann kauft man sich irgendwann ein Haus und wird sesshaft“, erklärt der 76-Jährige.
Einmal sesshaft geworden, begann Rockhoff, sich vermehrt in der Gemeinde zu engagieren. „Man hat mich angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte, im Kirchengemeinderat mitzuarbeiten. Als Evangele ist man hier unter 90 Prozent Katholiken ja in der Diaspora und ich hab mir gedacht, warum eigentlich nicht?“Was folgte, waren 18 Jahre Arbeit im Kirchengemeinderat, davon zwölf Jahre als Laien-vorsitzender, ein Jahr davon sogar während der Vakanz eines Pfarrers. „Da musste ich schauen, dass ich den Laden am Laufen gehalten habe“, erklärt Rockhoff.
Es folgten zahlreiche Ehrenämter, die ihn in seinem beruflichen und politischen Wirken maßgeblich mitprägten. Neben diversen politischen Ehrenämtern in Vorständen und Fachausschüssen der CDU auf Bezirksund Kreisebene war Rockhoff unter anderem Kreisvorsitzender der praktizierenden Tierärzte und Vertreter der Tierärzte an der Besamungsstation in Bad Waldsee, seit 1995 Mitglied im Lions-club Wangen-isny und Vorsitzender der Bürgerinitiative Dezentrale Wasserverund -entsorgung (BDW) sowie Vorsitzender des Abwasservereins Schurtannen (AWS).
Dabei ist die Bürgerinitiative Dezentrale Wasserver- und -entsorgung eines seiner „Herzensprojekte“. Als Tierarzt sei er immer als Vertreter der ländlichen Bevölkerung wahrgenommen worden, was schlussendlich seine Motivation gewesen sei, für die dezentrale Wasserversorgung Kißleggs zu kämpfen. 1989 wurde die
BDW Oberschwaben gegründet, die sich seither für die Erhaltung und Stärkung der dezentralen Wasserversorgung im ländlichen Raum, eine Stärkung der Eigenverantwortung für die dezentrale Wasserversorgung und den Schutz des Grundwassers einsetzt. Seit dem Jahr 2012 führt Rockhoff auch hier den Vorsitz.
Seine Grundmotivation für die zahlreichen Ehrenämter sieht der Großvater von heute acht Enkelkindern in der Art, wie er aufgewachsen ist. Nachdem der Vater im Krieg gefallen war, wuchs Rockhoff als Kind einer „Kriegerwitwe“auf. „Der Staat hat uns seinerzeit aber nicht im Stich gelassen“, blickt er zurück.
Trotz des fehlenden Vaters wuchs Rockhoff in der Nachkriegszeit ohne Not auf und hatte sogar die Möglichkeit zu studieren. „Ich denke, es ging mir in mancher Hinsicht sogar besser als Gleichaltrigen aus kinderreichen Familien.“Aus diesen Erfahrungen heraus sei es für ihn selbstverständlich, der Gesellschaft durch ehrenamtliche Tätigkeiten etwas zurückzugeben.
Seit 2009 führt Rockhoff zudem als Fraktionsvorsitzender die CDU im Gemeinderat Kißlegg an. Umso erstaunlicher, da er es die längste Zeit seines Lebens ablehnte, überhaupt einer politischen Partei beizutreten. Er habe zwar immer eine Meinung vertreten, die mit den Vorstellungen der CDU vereinbar gewesen ist, ein Parteieintritt stand für ihn aber nie wirklich zur Debatte. Dennoch wurde er ab 1999 auf der Liste der CDU in den Gemeinderat gewählt. Aus Unzufriedenheit mit seinen damaligen Kollegen entschloss er sich später, die politische Führung der CDU im Rat zu übernehmen.
„Damit war ich Fraktionsvorsitzender,
ohne Parteimitglied zu sein“, berichtet er heute mit einem Lachen. Dann hätten ihn aber ein Bundestagsund ein Landtagsabgeordneter gemeinsam „in die Zange genommen“und ihm einen Eintritt in die Partei nahegelegt. Da er die Linie der Partei immer vertreten konnte, habe er sich zur Mitgliedschaft durchgerungen, auch wenn er das Fehlen eines Mitgliedsausweises selbst nie als Ausschlusskriterium gesehen habe. Bis heute ist ihm das tatsächliche Wirken wichtiger, als die offizielle Zugehörigkeit. „Ich glaube nicht, dass ich schon zehn Jahre Cdu-mitglied bin, aber ich weiß es gar nicht genau.“
Egal ob mit oder ohne Parteiausweis, über die Jahre hat Rockhoff aktiv an der Gestaltung Kißleggs mitgewirkt. Rückblickend sagt er, dass die Arbeit im Gemeinderat über die Jahre komplizierter geworden ist. Ein Phänomen, das seiner Ansicht nach aber in jedem Parlament zu finden sei. „Wenn die CDU früher etwas vorgeschlagen hat, war es quasi schon so gut wie beschlossen. Heute sind die Zusammensetzungen deutlich zersplitterter und man muss die Kollegen mit guten, fachlichen Argumenten überzeugen, um etwas mehrheitlich beschließen zu können.“Das sei arbeitsaufwendiger, aber „eine gute Sache.“
Mit der Frage nach persönlichen Erfolgen tut sich Rockhoff schwer. Wichtig sei ihm immer gewesen, eine gute Politik für Kißlegg zu machen, damit das Leben vor Ort funktioniert. „Wir sind ein kleines Zentrum, mit lebendigem Vereinsleben, welches ich immer erhalten und fördern wollte.“Das sei gelungen und im Umkehrschluss sei es daher umso schmerzhafter, dass das Land dem Ort Kißlegg den Status als Unterzentrum verwehrt. „Es ist mir bis heute völlig unverständlich, wieso wir diesen Status nicht bekommen haben.“Diese Entscheidung hemme die Entwicklung Kißleggs und habe ihn politisch gesehen in den zurückliegenden Jahren am meisten getroffen.
Die Führung der Kißlegger Cdufraktion hat Rockhoff jetzt in die Hände des gut 30 Jahre jüngeren Christoph Dürr (45) gegeben. Frei nach dem Motto: „Anfangen ist oft schwer, aber im richtigen Moment aufhören noch schwerer“, sei der richtige Moment für ihn jetzt gekommen. Vor allem, da er das Gefühl habe, es gebe junge Leute, die nachrücken und etwas bewegen wollen. „Wenn der langjährige Vorsitzende zu lange bleibt, steht er diesem Prozess der Verjüngung nur im Weg. Im schlimmsten Fall verlieren die jungen Kräfte irgendwann das Interesse.“Das wolle er mit diesem Schritt auf jeden Fall verhindern.
Aufs Altenteil möchte er sich jedoch noch nicht begeben. „Ich habe dem Bürgermeister versprochen, dass ich bis zum Ende der Legislaturperiode im Gemeinderat bleibe und auch weiterhin als sein Stellvertreter fungiere.“Als Fraktionsvorsitzender der CDU kosteten ihn aber gerade die hitzigeren Debatten im Rat so manche Stunde Nachtschlaf. Er habe danach oft noch stundenlang wachgelegen und sei die einzelnen Punkte noch einmal durchgegangen. „Ich habe mir den Kopf zerbrochen, ob ich anders oder besser hätte argumentieren können. Das kostet sehr viel Kraft und ich denke, ein Jüngerer steckt das besser weg.“
Im Großen und Ganzen sei er mit seiner kommunalpolitische „Karriere bis hierhin aber zufrieden. „Es hat mir Spaß gemacht, meine Zeit und meine Kraft für das Gemeinwohl einzubringen. Ich habe es gerne gemacht.“Als Ablenkung vom zum Teil stressigen Alltag als praktischer Tierarzt habe ihm das politische Engagement „immer Laune gemacht“. Allerdings habe er mittlerweile auch verstanden, dass man „die Welt mit 76 Jahren nicht mehr neu erfinden muss“.
Er wird es also künftig etwas ruhiger angehen und sich mehr auf das Private konzentrieren. Das früher beruflich weitgereiste Paar möchte vor allem die europäischen Nachbarländer mit dem eigenen Wohnmobil erkunden. „Schön wäre es, wenn vielleicht auch noch mal ein Enkelkind mitkommen würde“, schmiedet Rockhoff schon wieder neue Pläne für die Zukunft.