Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eine 1950er-harley genau unter der Lupe

Bei Motorradko­ntrolle in Brugg arbeitet die Polizei mit Mikrofon, Spiegel und Meterstab

- Von Steffen Lang

- Mikrofon, Spiegel, Schraubens­chlüssel und Meterstab gehörten am Sonntag zur Ausrüstung der Polizisten an der Bundesstra­ße 465 bei Bad Wurzach-brugg. Dort befand sich eine von rund 100 Kontrollst­ellen des landesweit­en Aktionswoc­henendes „Motorrad“.

„Ihr Tacho befindet sich nicht im Sichtberei­ch.“Das fällt Polizeikom­missar Peter Lehmann beim gerade herausgewu­nkenen Fahrer einer Harley Davidson sofort ins Auge. Die Geschwindi­gkeitsanze­ige wurde auf die linke Seite noch unter Tankhöhe geschraubt. „Nicht verkehrssi­cher“, stellt Lehmann fest. Zu lange sei der Fahrer da abgelenkt, wenn er auf den Tacho schaut.

Auch den Rückspiege­l, der sich nicht über, sondern unter dem Lenker befindet, kritisiert der Kontrolleu­r. „Da sehen Sie einfach zu wenig vom rückwärtig­en Verkehr.“

„Und was ist das für ein Schutzblec­h?“, will der Kommissar vom Harley-biker aus dem Raum Göppingen wissen. „Das ist ein Notfallsch­utzblech“, entgegnet der, „das normale ist gerade beim Lackieren.“Noch einige andere Umbauten an der Maschine Baujahr 1950 bemerkt Peter Lehmann, der mit einem kleinen Spiegel auch nach Bauteilen schaut, die im Motorbock dem Augen verborgen bleiben. Diese Änderungen sind aber alle in den Papieren ordnungsge­mäß eingetrage­n.

Bemängelt wird ganz offiziell das verschmutz­te Nummernsch­ild der Harley Davidson. „Das hat schon lange keinen Lappen mehr gesehen“, sagt Lehmann scherzhaft und fährt ernst fort: „Das geht so nicht, das Kennzeiche­n muss deutlich lesbar sein.“

Dass den Lenker der Harley mittig ein hochmodern­es „Navi“ziert, beanstande­t der Kommissar, selbst ein begeistert­er Motorradfa­hrer, indes nur deshalb, weil es ihm ein bisschen in der Seele weh tut. „Das ist ein ganz schöner Stilbruch.“„Aber immer noch besser als früher, als man sich einen Zettel auf den Tank geklebt hat“, so der Fahrer.

Er erhält am Ende der rund 20minütige­n Inaugensch­einnahme einen Mängelberi­cht. Den und den Nachweis, dass er diese hat beheben lassen, muss er innerhalb einer Frist bei der Polizei vorlegen. „Kostet das was“, will er von Lehmann wissen. „Nein, wir wollen nicht abkassiere­n“, sagt der, „uns geht es heute vor allem darum, dass alle sicher unterwegs sind.“

Richtig glücklich schaut der Harley-fahrer am Ende zwar nicht drein. „Aber wenn so eine Kontrolle wie hier mit erkennbar viel Sachversta­nd abläuft, dann kann ich damit leben.“

Das sehen ganz offensicht­lich auch die allermeist­en der kontrollie­rten Biker an diesem Tag so. Am Rande der Kontrollen entwickeln sich immer wieder Gespräche und Fachsimpel­eien zwischen ihnen und dem Kontrolleu­r. Denn die zwölf eingesetzt­en Beamten der Verkehrspo­lizei sind Experten, was Motorräder betrifft. „Sie haben zum einen natürlich eine Fortbildun­g für solche Kontrollen“, sagt Daniela Baier, Sprecherin der Polizeidir­ektion Ravensburg vor Ort. Zum anderen seien ihre Kollegen aber auch selbst privat gerne mit dem Motorrad unterwegs.

Auch deswegen wissen sie, wo sie nach Mängeln und unerlaubte­n Bauteilen zu suchen haben. Neben dem schon erwähnten Spiegel geht es da auch häufiger mit dem Schraubens­chlüssel ans Werk, um neuralgisc­he Stellen genau in Augenschei­n nehmen zu können.

Zur Ausstattun­g gehört auch ein Messgerät samt Mikrofon zum Überprüfen der Lautstärke des Motorrads. „An der Auspuffanl­age was zu ändern, um Optik und Sound zu pushen, ist sehr beliebt“, weiß Peter Lehmann. Überhaupt gebe es kaum ein Motorrad, das sein Besitzer nicht irgendwie getunt hat. In den allermeist­en Fällen legal, manchmal aber überschrei­te das eben die Grenze des Erlaubten.

„Tuning is not a crime, but sometimes it’s a Ordnungswi­drigkeit“, steht auf einem Aufkleber, der an einer Mappe eines Polizisten angebracht ist. Das treffe es, sagt Peter Lehmann. „Biker sind keine Verbrecher, wenn sie etwas an ihrer Maschine ändern.“

Dass die Kontrollen in Brugg wie überall im Land in allererste­r Linie nicht dem Piesacken der Motorradfa­hrer dient, sondern der Sicherheit aller im Straßenver­kehr, werden Peter Lehmann und Daniela Baier nicht müde zu betonen. Auch deswegen verteilen sie an diesem Tag auch gelbe Warnwesten an die Biker. „Jeder weiß, wie schwer ein schwarz gekleidete­r Motorradfa­hrer selbst mit angeschalt­etem Licht zu erkennen ist“, sagt Daniela Baier und weist auf den schweren Unfall hin, bei dem am Freitag nahe Amtzell ein Motorradfa­hrer verletzt wurde, als ihn eine Autofahrer­in übersah und ihm die Vorfahrt nahm.

Und weil es den Polizisten nicht ums Abkassiere­n oder Piesacken geht, sondern sie mit deutlich erkennbare­m Sachversta­nd die Kontrollen durchführe­n und bestimmt, aber freundlich im Grundton auf Mängel hinweisen und Ordnungswi­drigkeiten ahnden, herrscht am Samstag in Brugg eine insgesamt entspannte Atmosphäre. Dass erstmals seit längerem wieder herrliches Wetter herrscht, trägt sicherlich auch dazu bei.

Auffällig war, dass viele der Biker keine „Jungspunde“mehr waren. „Motorradfa­hrer sind oft in einem höheren Alter“, weiß Peter Lehmann, „Da hat man eher die Zeit und vor allem das Geld, sich so ein Hobby leisten zu können.“Ein Hinweis liegt ihm dabei am Herzen: „Wer viele Jahre nach der Führersche­inprüfung mit dem Motorradfa­hren wieder beginnt, sollte möglichst nochmal ein paar Fahrschuls­tunden nehmen, auf jedem Fall aber ein Sicherheit­straining absolviere­n.“

Insgesamt wurden zwischen 10.30 und 16.30 Uhr 72 Motorradfa­hrer in Brugg kontrollie­rt. Elf wurden laut Mitteilung der Polizei vom Montag beanstande­t, davon wurden bei zehn technische Mängel festgestel­lt, vor allem bei Reifen, Beleuchtun­g und Auspuff.

Kontrollie­rt wurden übrigens nicht nur Motorradfa­hrer. Auch den einen oder anderen Autolenker, der bei zwei Radarstati­onen kurz vor dem Kontrollpu­nkt wegen hoher Geschwindi­gkeit und/oder unübersehb­aren Tunings auffällig wurden, zogen die Beamten heraus. Und überprüfte auch schon mal auf dem Asphalt robbend mit dem Meterstab, ob das Fahrzeug nicht zu tief gelegt wurde.

Sechs Pkw wurden beanstande­t. Bei zwei davon war die Betriebser­laubnis erloschen.

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FOTO: LANG Polizeikom­missar Peter Lehmann überprüft, ob bei der Harley Davidson, Baujahr 1950, alles in Ordnung ist.

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