Eine 1950er-harley genau unter der Lupe
Bei Motorradkontrolle in Brugg arbeitet die Polizei mit Mikrofon, Spiegel und Meterstab
- Mikrofon, Spiegel, Schraubenschlüssel und Meterstab gehörten am Sonntag zur Ausrüstung der Polizisten an der Bundesstraße 465 bei Bad Wurzach-brugg. Dort befand sich eine von rund 100 Kontrollstellen des landesweiten Aktionswochenendes „Motorrad“.
„Ihr Tacho befindet sich nicht im Sichtbereich.“Das fällt Polizeikommissar Peter Lehmann beim gerade herausgewunkenen Fahrer einer Harley Davidson sofort ins Auge. Die Geschwindigkeitsanzeige wurde auf die linke Seite noch unter Tankhöhe geschraubt. „Nicht verkehrssicher“, stellt Lehmann fest. Zu lange sei der Fahrer da abgelenkt, wenn er auf den Tacho schaut.
Auch den Rückspiegel, der sich nicht über, sondern unter dem Lenker befindet, kritisiert der Kontrolleur. „Da sehen Sie einfach zu wenig vom rückwärtigen Verkehr.“
„Und was ist das für ein Schutzblech?“, will der Kommissar vom Harley-biker aus dem Raum Göppingen wissen. „Das ist ein Notfallschutzblech“, entgegnet der, „das normale ist gerade beim Lackieren.“Noch einige andere Umbauten an der Maschine Baujahr 1950 bemerkt Peter Lehmann, der mit einem kleinen Spiegel auch nach Bauteilen schaut, die im Motorbock dem Augen verborgen bleiben. Diese Änderungen sind aber alle in den Papieren ordnungsgemäß eingetragen.
Bemängelt wird ganz offiziell das verschmutzte Nummernschild der Harley Davidson. „Das hat schon lange keinen Lappen mehr gesehen“, sagt Lehmann scherzhaft und fährt ernst fort: „Das geht so nicht, das Kennzeichen muss deutlich lesbar sein.“
Dass den Lenker der Harley mittig ein hochmodernes „Navi“ziert, beanstandet der Kommissar, selbst ein begeisterter Motorradfahrer, indes nur deshalb, weil es ihm ein bisschen in der Seele weh tut. „Das ist ein ganz schöner Stilbruch.“„Aber immer noch besser als früher, als man sich einen Zettel auf den Tank geklebt hat“, so der Fahrer.
Er erhält am Ende der rund 20minütigen Inaugenscheinnahme einen Mängelbericht. Den und den Nachweis, dass er diese hat beheben lassen, muss er innerhalb einer Frist bei der Polizei vorlegen. „Kostet das was“, will er von Lehmann wissen. „Nein, wir wollen nicht abkassieren“, sagt der, „uns geht es heute vor allem darum, dass alle sicher unterwegs sind.“
Richtig glücklich schaut der Harley-fahrer am Ende zwar nicht drein. „Aber wenn so eine Kontrolle wie hier mit erkennbar viel Sachverstand abläuft, dann kann ich damit leben.“
Das sehen ganz offensichtlich auch die allermeisten der kontrollierten Biker an diesem Tag so. Am Rande der Kontrollen entwickeln sich immer wieder Gespräche und Fachsimpeleien zwischen ihnen und dem Kontrolleur. Denn die zwölf eingesetzten Beamten der Verkehrspolizei sind Experten, was Motorräder betrifft. „Sie haben zum einen natürlich eine Fortbildung für solche Kontrollen“, sagt Daniela Baier, Sprecherin der Polizeidirektion Ravensburg vor Ort. Zum anderen seien ihre Kollegen aber auch selbst privat gerne mit dem Motorrad unterwegs.
Auch deswegen wissen sie, wo sie nach Mängeln und unerlaubten Bauteilen zu suchen haben. Neben dem schon erwähnten Spiegel geht es da auch häufiger mit dem Schraubenschlüssel ans Werk, um neuralgische Stellen genau in Augenschein nehmen zu können.
Zur Ausstattung gehört auch ein Messgerät samt Mikrofon zum Überprüfen der Lautstärke des Motorrads. „An der Auspuffanlage was zu ändern, um Optik und Sound zu pushen, ist sehr beliebt“, weiß Peter Lehmann. Überhaupt gebe es kaum ein Motorrad, das sein Besitzer nicht irgendwie getunt hat. In den allermeisten Fällen legal, manchmal aber überschreite das eben die Grenze des Erlaubten.
„Tuning is not a crime, but sometimes it’s a Ordnungswidrigkeit“, steht auf einem Aufkleber, der an einer Mappe eines Polizisten angebracht ist. Das treffe es, sagt Peter Lehmann. „Biker sind keine Verbrecher, wenn sie etwas an ihrer Maschine ändern.“
Dass die Kontrollen in Brugg wie überall im Land in allererster Linie nicht dem Piesacken der Motorradfahrer dient, sondern der Sicherheit aller im Straßenverkehr, werden Peter Lehmann und Daniela Baier nicht müde zu betonen. Auch deswegen verteilen sie an diesem Tag auch gelbe Warnwesten an die Biker. „Jeder weiß, wie schwer ein schwarz gekleideter Motorradfahrer selbst mit angeschaltetem Licht zu erkennen ist“, sagt Daniela Baier und weist auf den schweren Unfall hin, bei dem am Freitag nahe Amtzell ein Motorradfahrer verletzt wurde, als ihn eine Autofahrerin übersah und ihm die Vorfahrt nahm.
Und weil es den Polizisten nicht ums Abkassieren oder Piesacken geht, sondern sie mit deutlich erkennbarem Sachverstand die Kontrollen durchführen und bestimmt, aber freundlich im Grundton auf Mängel hinweisen und Ordnungswidrigkeiten ahnden, herrscht am Samstag in Brugg eine insgesamt entspannte Atmosphäre. Dass erstmals seit längerem wieder herrliches Wetter herrscht, trägt sicherlich auch dazu bei.
Auffällig war, dass viele der Biker keine „Jungspunde“mehr waren. „Motorradfahrer sind oft in einem höheren Alter“, weiß Peter Lehmann, „Da hat man eher die Zeit und vor allem das Geld, sich so ein Hobby leisten zu können.“Ein Hinweis liegt ihm dabei am Herzen: „Wer viele Jahre nach der Führerscheinprüfung mit dem Motorradfahren wieder beginnt, sollte möglichst nochmal ein paar Fahrschulstunden nehmen, auf jedem Fall aber ein Sicherheitstraining absolvieren.“
Insgesamt wurden zwischen 10.30 und 16.30 Uhr 72 Motorradfahrer in Brugg kontrolliert. Elf wurden laut Mitteilung der Polizei vom Montag beanstandet, davon wurden bei zehn technische Mängel festgestellt, vor allem bei Reifen, Beleuchtung und Auspuff.
Kontrolliert wurden übrigens nicht nur Motorradfahrer. Auch den einen oder anderen Autolenker, der bei zwei Radarstationen kurz vor dem Kontrollpunkt wegen hoher Geschwindigkeit und/oder unübersehbaren Tunings auffällig wurden, zogen die Beamten heraus. Und überprüfte auch schon mal auf dem Asphalt robbend mit dem Meterstab, ob das Fahrzeug nicht zu tief gelegt wurde.
Sechs Pkw wurden beanstandet. Bei zwei davon war die Betriebserlaubnis erloschen.