Stadt verschiebt Test zur autofreien Altstadt
Rückzieher nach Kritik – Drastische Worte fallen – Konzept soll im Rat debattiert werden
- Städtischer Teilrückzug zur Testphase einer autofreien Altstadt an den kommenden vier Wochenenden: Überraschend hat die Stadt Wangen am Mittwochabend angekündigt, den eigentlich am kommenden Freitag beginnenden Versuch um „mindestens eine Woche“zu verschieben. Hintergrund ist offenbar massiver Ärger bei Teilen der Wangener Händler. Auch die Stadt selbst räumt ein, dass es noch Diskussionsbedarf gibt.
Laut Mitteilung will sie die „autofreie Altstadt“am Montag, 19. Juli, erneut zur Diskussion im Gemeinderat stellen. Damit schiebt sie die Testphase zunächst um mindestens eine Woche auf. Hintergrund: Nach der Veröffentlichung der Pläne zur Sperrung der Altstadt an den kommenden Wochenenden zeigte sich laut Stadt, „dass es noch Diskussionsbedarf gibt“.
Der besteht in der Tat, wie aus einem von den beiden Wangener Geschäftsleuten Michael Wild und Otto Joos formulierten Schreiben hervorgeht. Das liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor und soll in Kürze, unterfüttert mit weiteren Händler-unterschriften, an die Stadt und an OB Michael Lang gehen. Darin kritisieren sie in zum Teil drastischen Worten den Sinn des Tests an sich, aber auch die kurzfristige Entscheidung und Ankündigung der Stadt dazu zu Wochenbeginn.
In ihrem Brief bezeichnen sie den im vergangenen Oktober mehrheitlich vom Gemeinderat beschlossenen Versuch unter anderem als „völlig überflüssig“und fordern dessen Rücknahme. In aufgebrachten Worten zeigen sie sich „fassungslos und schockiert“über „weitgreifende Maßnahmen dieser Größenordnung“.
Da die Stadt die betroffenen Händler zudem vorher nicht angehört und die Sperrung erst zu Wochenbeginn angekündigt habe, ist in dem Brief wörtlich von einer „diktatorischen Maßnahme“die Rede. Und: „Warum kann im Vorfeld nicht mit uns gesprochen werden, um plakativ alles auf den Tisch zu bringen?“
Hintergrund: Laut einer der „Schwäbischen Zeitung“vorliegenden E-mail hatte OB Michael Lang den Gemeinderat am Montagmittag über die ursprünglich am Freitag startende Testphase informiert. Darin heißt es mit Verweis auf den Händlerflohmarkt am Freitag auch: „Leider konnten wir dies nicht mehr zur Diskussion stellen, ohne auf das kommende Wochenende als gut geeigneten Termin zu verzichten.“
Fast zeitgleich gab die Stadt eine entsprechende Pressemitteilung raus. Deren Inhalte wurden im Laufe des Montags auf „Schwäbische.de“und am Dienstag in der „Schwäbischen Zeitung“veröffentlicht. Händler und Gastronomen sollten laut Mail des Rathauschefs darüber hinaus über die Wirtschaftsförderung in Kenntnis gesetzt werden.
Kurz bevor die Stadt am Mittwochabend die Verschiebung der Tests bekannt gab, erklärte Otto Joos, für die CDU auch Mitglied des Wangener Gemeinderats, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, dass der Protestbrief an die Stadt von bis dahin etwa zehn weiteren Altstadt-geschäftsleuten unterzeichnet wurde. Weitere würden im Lauf des Donnerstags folgen. Allerdings räumte er ein, dass es auch Händler und Gastronomen gebe, die keinen oder weniger Fahrzeugverkehr in Wangens Stadtkern befürworten.
Die Kritiker stellen sich in dem
Schreiben auch generell gegen die Idee weniger Autoverkehr in der Altstadt haben zu wollen – ein altes politisches Diskussionsthema in Wangen. Direkt an OB Lang gewandt schreiben Wild und Joos: „Sie sollten schnellstens verstehen, dass wir mit weiteren Einschränkungen in jeder erdenklichen Form nicht einverstanden sind.“Und: „Ihre Maßnahmen sind in keinster Weise produktiv, noch auf lange Sicht von Vorteil für den ansässigen Handel.“Im Gegenteil: Bisher sei wegen der Einfahrt in die Altstadt mit dem Fahrzeug ein „sicheres und bequemes Einkaufen“in Wangen möglich gewesen – mit der Folge, dass die Ladenbesitzer zufrieden gewesen seien.
Die Unterzeichner verweisen ferner auf die coronabedingten Schließungsmonate. Die nach wie vor nicht ausgestandenen Nöte der Selbstständigen hätten in dieser Phase Grenzen erreicht. Schlussfolgernd ergänzen sie in Richtung Rathauschef und Stadt: „Hierfür fehlt es Ihnen an Mitgefühl und der richtigen Methode.“Unabhängig von dem bislang noch nicht an die Stadt verschickten Schreiben verteidigt OB Lang die Testphase in der am Mittwochabend rausgegangenen Presseerklärung grundsätzlich: „Ich bin sicher, dass die Sperrung für den Individualverkehr am Wochenende der richtige Weg ist, um nach der langen Schließung wieder Menschen in die Altstadt, den Handel und die Gastronomie zu ziehen.“Und er ergänzt: „Wir sehen im ganzen Land, dass die Innenstädte unter der Pandemie sehr gelitten haben. Deshalb wollen wir unsere Stadt als Einkaufs- und Erlebniszentrum für die Besucherinnen und Besucher stärken.“
Vor allem am Wochenende sei demnach in der Altstadt zu sehen, dass sich Fußgänger wie selbstverständlich im Straßenraum bewegen. „Die Fußgänger nehmen die Straßen und Gassen in der Altstadt ganz offensichtlich als Fußgängerbereich wahr“, erklärt OB Lang in der Mitteilung. Gleichzeitig sei festzustellen, dass viele Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen durch die Stadt irrten, in der Hoffnung dort einen Parkplatz zu finden, den es in der Regel nicht gebe. Die Stadtverwaltung will nach der Verschiebung der Testphase um mindestens eine Woche dem Gemeinderat am Montag das Konzept vorlegen, die Altstadt jetzt im Sommer an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden vom Individualverkehr zu befreien, jeweils freitags ab 11 Uhr bis Montag früh 6 Uhr. Zudem
verweist sie darauf, dass die Altstadt ungeachtet dessen am kommenden Freitag, 16. Juli, wegen des von 9 bis 18 Uhr stattfindenden, traditionellen Händlerflohmarkts für Fahrzeuge dennoch gesperrt ist. Aber eben nicht mehr an den beiden Folgetagen In der Mitteilung nimmt die Stadt überdies Bezug zur Entscheidungsgrundlage für die Testphase. So heißt es: In seiner Sitzung am 12. Oktober 2020 hatte der Gemeinderat entschieden: „Die Verwaltung soll eine Testphase für eine Sperrung der Altstadt für Pkw und Motorräder in der Nacht und am Wochenende planen.“
Weitere Einschränkungen wie die Festlegung der Zeit außerhalb der Handelszeiten wurden nicht behandelt, erklärt die Stadt weiter.
Auch eine abschließende Entscheidung wurde im Oktober 2020 nicht getroffen. Zudem hat OB Michael Lang laut Mitteilung unterdessen erneut an den Gemeinderat geschrieben: „Nachdem jetzt Bedenken gegen unsere kurzfristige Ansetzung der Testphase bestehen, sehe ich den Anlass, die Umsetzung zumindest um eine Woche zu verschieben und das Thema in der Gemeinderatssitzung am kommenden Montag zu behandeln.“