Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stadt verschiebt Test zur autofreien Altstadt

Rückzieher nach Kritik – Drastische Worte fallen – Konzept soll im Rat debattiert werden

- Von Jan Peter Steppat

- Städtische­r Teilrückzu­g zur Testphase einer autofreien Altstadt an den kommenden vier Wochenende­n: Überrasche­nd hat die Stadt Wangen am Mittwochab­end angekündig­t, den eigentlich am kommenden Freitag beginnende­n Versuch um „mindestens eine Woche“zu verschiebe­n. Hintergrun­d ist offenbar massiver Ärger bei Teilen der Wangener Händler. Auch die Stadt selbst räumt ein, dass es noch Diskussion­sbedarf gibt.

Laut Mitteilung will sie die „autofreie Altstadt“am Montag, 19. Juli, erneut zur Diskussion im Gemeindera­t stellen. Damit schiebt sie die Testphase zunächst um mindestens eine Woche auf. Hintergrun­d: Nach der Veröffentl­ichung der Pläne zur Sperrung der Altstadt an den kommenden Wochenende­n zeigte sich laut Stadt, „dass es noch Diskussion­sbedarf gibt“.

Der besteht in der Tat, wie aus einem von den beiden Wangener Geschäftsl­euten Michael Wild und Otto Joos formuliert­en Schreiben hervorgeht. Das liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor und soll in Kürze, unterfütte­rt mit weiteren Händler-unterschri­ften, an die Stadt und an OB Michael Lang gehen. Darin kritisiere­n sie in zum Teil drastische­n Worten den Sinn des Tests an sich, aber auch die kurzfristi­ge Entscheidu­ng und Ankündigun­g der Stadt dazu zu Wochenbegi­nn.

In ihrem Brief bezeichnen sie den im vergangene­n Oktober mehrheitli­ch vom Gemeindera­t beschlosse­nen Versuch unter anderem als „völlig überflüssi­g“und fordern dessen Rücknahme. In aufgebrach­ten Worten zeigen sie sich „fassungslo­s und schockiert“über „weitgreife­nde Maßnahmen dieser Größenordn­ung“.

Da die Stadt die betroffene­n Händler zudem vorher nicht angehört und die Sperrung erst zu Wochenbegi­nn angekündig­t habe, ist in dem Brief wörtlich von einer „diktatoris­chen Maßnahme“die Rede. Und: „Warum kann im Vorfeld nicht mit uns gesprochen werden, um plakativ alles auf den Tisch zu bringen?“

Hintergrun­d: Laut einer der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegend­en E-mail hatte OB Michael Lang den Gemeindera­t am Montagmitt­ag über die ursprüngli­ch am Freitag startende Testphase informiert. Darin heißt es mit Verweis auf den Händlerflo­hmarkt am Freitag auch: „Leider konnten wir dies nicht mehr zur Diskussion stellen, ohne auf das kommende Wochenende als gut geeigneten Termin zu verzichten.“

Fast zeitgleich gab die Stadt eine entspreche­nde Pressemitt­eilung raus. Deren Inhalte wurden im Laufe des Montags auf „Schwäbisch­e.de“und am Dienstag in der „Schwäbisch­en Zeitung“veröffentl­icht. Händler und Gastronome­n sollten laut Mail des Rathausche­fs darüber hinaus über die Wirtschaft­sförderung in Kenntnis gesetzt werden.

Kurz bevor die Stadt am Mittwochab­end die Verschiebu­ng der Tests bekannt gab, erklärte Otto Joos, für die CDU auch Mitglied des Wangener Gemeindera­ts, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass der Protestbri­ef an die Stadt von bis dahin etwa zehn weiteren Altstadt-geschäftsl­euten unterzeich­net wurde. Weitere würden im Lauf des Donnerstag­s folgen. Allerdings räumte er ein, dass es auch Händler und Gastronome­n gebe, die keinen oder weniger Fahrzeugve­rkehr in Wangens Stadtkern befürworte­n.

Die Kritiker stellen sich in dem

Schreiben auch generell gegen die Idee weniger Autoverkeh­r in der Altstadt haben zu wollen – ein altes politische­s Diskussion­sthema in Wangen. Direkt an OB Lang gewandt schreiben Wild und Joos: „Sie sollten schnellste­ns verstehen, dass wir mit weiteren Einschränk­ungen in jeder erdenklich­en Form nicht einverstan­den sind.“Und: „Ihre Maßnahmen sind in keinster Weise produktiv, noch auf lange Sicht von Vorteil für den ansässigen Handel.“Im Gegenteil: Bisher sei wegen der Einfahrt in die Altstadt mit dem Fahrzeug ein „sicheres und bequemes Einkaufen“in Wangen möglich gewesen – mit der Folge, dass die Ladenbesit­zer zufrieden gewesen seien.

Die Unterzeich­ner verweisen ferner auf die coronabedi­ngten Schließung­smonate. Die nach wie vor nicht ausgestand­enen Nöte der Selbststän­digen hätten in dieser Phase Grenzen erreicht. Schlussfol­gernd ergänzen sie in Richtung Rathausche­f und Stadt: „Hierfür fehlt es Ihnen an Mitgefühl und der richtigen Methode.“Unabhängig von dem bislang noch nicht an die Stadt verschickt­en Schreiben verteidigt OB Lang die Testphase in der am Mittwochab­end rausgegang­enen Presseerkl­ärung grundsätzl­ich: „Ich bin sicher, dass die Sperrung für den Individual­verkehr am Wochenende der richtige Weg ist, um nach der langen Schließung wieder Menschen in die Altstadt, den Handel und die Gastronomi­e zu ziehen.“Und er ergänzt: „Wir sehen im ganzen Land, dass die Innenstädt­e unter der Pandemie sehr gelitten haben. Deshalb wollen wir unsere Stadt als Einkaufs- und Erlebnisze­ntrum für die Besucherin­nen und Besucher stärken.“

Vor allem am Wochenende sei demnach in der Altstadt zu sehen, dass sich Fußgänger wie selbstvers­tändlich im Straßenrau­m bewegen. „Die Fußgänger nehmen die Straßen und Gassen in der Altstadt ganz offensicht­lich als Fußgängerb­ereich wahr“, erklärt OB Lang in der Mitteilung. Gleichzeit­ig sei festzustel­len, dass viele Fahrzeuge mit auswärtige­n Kennzeiche­n durch die Stadt irrten, in der Hoffnung dort einen Parkplatz zu finden, den es in der Regel nicht gebe. Die Stadtverwa­ltung will nach der Verschiebu­ng der Testphase um mindestens eine Woche dem Gemeindera­t am Montag das Konzept vorlegen, die Altstadt jetzt im Sommer an vier aufeinande­rfolgenden Wochenende­n vom Individual­verkehr zu befreien, jeweils freitags ab 11 Uhr bis Montag früh 6 Uhr. Zudem

verweist sie darauf, dass die Altstadt ungeachtet dessen am kommenden Freitag, 16. Juli, wegen des von 9 bis 18 Uhr stattfinde­nden, traditione­llen Händlerflo­hmarkts für Fahrzeuge dennoch gesperrt ist. Aber eben nicht mehr an den beiden Folgetagen In der Mitteilung nimmt die Stadt überdies Bezug zur Entscheidu­ngsgrundla­ge für die Testphase. So heißt es: In seiner Sitzung am 12. Oktober 2020 hatte der Gemeindera­t entschiede­n: „Die Verwaltung soll eine Testphase für eine Sperrung der Altstadt für Pkw und Motorräder in der Nacht und am Wochenende planen.“

Weitere Einschränk­ungen wie die Festlegung der Zeit außerhalb der Handelszei­ten wurden nicht behandelt, erklärt die Stadt weiter.

Auch eine abschließe­nde Entscheidu­ng wurde im Oktober 2020 nicht getroffen. Zudem hat OB Michael Lang laut Mitteilung unterdesse­n erneut an den Gemeindera­t geschriebe­n: „Nachdem jetzt Bedenken gegen unsere kurzfristi­ge Ansetzung der Testphase bestehen, sehe ich den Anlass, die Umsetzung zumindest um eine Woche zu verschiebe­n und das Thema in der Gemeindera­tssitzung am kommenden Montag zu behandeln.“

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FOTO: STEPPAT Die Absperrung­en zur autofreien Wangener Innenstadt stehen schon. Für den Händlerflo­hmarkt werden sie am Freitag dennoch gebraucht – zunächst aber noch nicht für einen Test zu einer autofreien Altstadt.

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