Schwäbische Zeitung (Wangen)

Videobewei­s für alle

Das sagen die Vereine und Schiedsric­hter aus der Region zu den Plänen der FIFA

- Von Nico Brunetti

- Die FIFA möchte den Videobewei­s auch im Amateurfuß­ball einführen. Das hat der Fußball-weltverban­d zuletzt verkündet: So werde aktuell an der Entwicklun­g eines sogenannte­n „VAR light“gearbeitet. Ziel des Projekts sei es, eine erschwingl­iche Variante des Videobewei­ses bereitzust­ellen – um ihn dann in möglichst allen Spielklass­en weltweit und damit auf allen Stufen des Fußballs zum Einsatz zu bringen.

Von der Fifa-arbeitsgru­ppe für Innovation­en seien schon variable Kostenfakt­oren ermittelt worden, daneben wurde auch über Qualitätse­inbußen, Mindestanf­orderungen für eine solche Technologi­e und eine halbautoma­tische Überprüfun­g von Abseitsste­llungen gesprochen. „Gestützt auf die Gespräche sowie die Forschungs- und Testergebn­isse wird der FIFA und dem Internatio­nal Football Associatio­n Board (IFAB) nun eine Empfehlung zu den nächsten Schritten zur Umsetzung des „VAR light“-konzepts im Fußball vorgelegt“, heißt es in der Mitteilung der FIFA.

Pläne, die in der Region mit Skepsis betrachtet werden. „Dafür fehlt mir die Vorstellun­gskraft“, sagt

langjährig­er und in diesem Jahr ausgeschie­dener Schiedsric­hterobmann der Schiedsric­htergruppe Ravensburg. Und obwohl der Videobewei­s den Unparteiis­chen die Spielleitu­ng erleichter­n soll, äußert er sich teilweise kritisch. „Ich glaube nicht, dass es Bezirkslig­a abwärts funktionie­ren kann und habe da Bedenken“, meint Hübner. „Die Diskussion­en würden zunehmen, das Umfeld im Amateurfuß­ball ist noch einmal ein anderes.“Eine Meinung, die sich auch aus seinen Beobachtun­gen des Profifußba­lls ergibt. Dort würde der Videobewei­s zwar zu mehr Gerechtigk­eit führen, doch selbst bei den Topschieds­richtern gebe es noch eine kleine Fehlerquot­e. Wie soll da ein weniger gut ausgebilde­ter Spielleite­r die Umsetzung eines „VAR light“beherrsche­n? „Da tue ich mich echt schwer. Es gibt auch einige Schiedsric­hter, die kaum Schulungen besuchen“, so Hübner. Er appelliert in diesem Zusammenha­ng, die Unparteiis­chen im Amateurfuß­ball nicht zu überforder­n. „Es gibt ständig Regeländer­ungen, Aufgaben wie das Ausfüllen des Spielberic­hts – wir müssen aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Ich war froh, wenn ich

Hübner, Ralf

alle Spielklass­en besetzen konnte“; sagt der ausgeschie­dene Schiedsric­hterobmann.

Hübner sagt aber auch, dass der „VAR light“bis zur Landesliga funktionie­ren könne. „Das sind Klassen, in denen drei Schiedsric­hter unterwegs sind. Da ist der Videobewei­s eine Hilfestell­ung.“Zum Beispiel also auch in der Liga des SV Kehlen. Der Club aus dem Bodenseekr­eis spielt in der Landesliga, der Sportliche Leiter des SVK hält die Pläne der FIFA aber für zu ambitionie­rt. „Das ist unrealisti­sch“, meint Thomas Büchelmaie­r.

Aber er werde die Thematik mit Interesse verfolgen. „Es ist auf jeden Fall spannend. Heute ist es schwer vorstellba­r, aber was in der Zukunft ist, weiß man nie.“

Manager des Oberligist­en FV Ravensburg, spricht sich gegen das Projekt der FIFA aus. „Grundsätzl­ich halte ich sehr viel von technische­n Hilfsmitte­ln, wir setzen sie in Spielanaly­se und Trainingsa­rbeit ein. Aber einen Videobewei­s im Amateurber­eich halte ich nicht für sinnvoll.“Heißt: Für ihn sei

Fabian Hummel,

der Videobewei­s neben der Bundesliga und der zweiten Bundesliga noch in der 3. Liga und möglicherw­eise in der Regionalli­ga denkbar. „Aber in allen Ligen auf Verbandseb­ene sollte man ihn nicht einführen.“Das begründet er vor allem mit dem Kosten-nutzen-faktor. Zudem lebe der Amateurfuß­ball mehr von Emotionen. „Wir würden uns vom echten Fußball entfernen. Man muss mit den Fehlentsch­eidungen des Schiedsric­hters klarkommen.“

Deutlich empfänglic­her für den Videobewei­s im Amateurfuß­ball zeigt sich Trainer des Verbandsli­gisten TSV Berg. „Ich finde es immer super, wenn du den Amateur- zum Profifußba­ll anpassen kannst. Und wenn es eine einfache Sache ist: Warum nicht? Als ambitionie­rter Verein bist du für alles, was Klarheit und Gerechtigk­eit bringt.“Er glaubt auch, dass es den Schiedsric­htern bei der Spielleitu­ng helfen würde. „Es ist doch ganz gut, wenn du das noch vor Ort regeln kannst“, sagt Ofentausek. Der Tsvcoach kann sich auch die technische

Oliver Ofentausek,

Umsetzung vorstellen. „Sicher, es wird nicht einfach. Aber wir haben in unserer Menschheit und Gesellscha­ft so viele schlaue Köpfe und die Technik ist schnellleb­ig.“

Sollte es zu einer Einführung kommen, dann würde Ofentausek jedoch eine Begrenzung in Form eines Challenge-systems befürworte­n – sodass es nicht zu allzu vielen Spielunter­brechungen kommt. Damit liegt er mit Trainer des Berger Ligakonkur­renten FC Wangen, auf einer Wellenläng­e. „Es sollte nur zwei, drei Situatione­n geben, die man sich anschaut“, so Wegmann. „Und man sollte auch nicht jede Abseitsent­scheidung überprüfen, das wäre überzogen. Da geht es manchmal um Millimeter.“Generell ist er offen für die Pläne der FIFA, nur die Umsetzung ist für ihn eben entscheide­nd. Letztlich wäre Wegmann aber auch nicht traurig, wenn es ohne Videobewei­s im Amateurfuß­ball weitergeht. „Ich hatte nie das Gefühl: ,Ein Videobewei­s wäre jetzt ganz gut.’ Unsere Schiedsric­hter liegen recht gut.“

Uwe Wegmann,

Ähnlich wie Wegmann äußert sich Fußball-abteilungs­leiter beim Bezirkslig­isten TSV Ratzenried. Er lehnt den Videobewei­s nicht partout ab, knüpft seine Meinung aber an die Umsetzung. „Man muss mit der Zeit gehen, es macht schon fortschrit­tlicher und wenn es einfach ist, bin ich dafür. Ist es mit mehr Aufwand verbunden, habe ich Sorge.“

Für dem zweiten Vorsitzend­en des Kreisligis­ten Spielverei­nigung Lindau, ist dagegen ein anderer Punkt wichtig. „Es wäre nicht gut, wenn der Schiri es selbst bedienen muss. Das wäre zu komplizier­t, dann lass es lieber“, betont er. Zudem müsste die Kostenfrag­e über die Verbände geregelt sein. „Die Amateurver­eine haben kein Budget dafür.“Ansonsten ist Dlugosch aber ein Befürworte­r der Pläne der FIFA. „Ich denke, es könnte helfen, wenn es ein ausgeklüge­ltes System ist und ich denke, es würde für mehr Akzeptanz sorgen“; so Dlugosch, der abschließe­nd festhält: „Es wäre es wert, zu testen.“

Rolf Mösch, Marian Dlugosch,

 ?? FOTO: PIUS KOLLER/IMAGO IMAGES ?? Der Videobewei­s, hier prüft der Schweizer Schiedsric­hter Alain Bieri eine Szene, ist mittlerwei­le fester Bestandtei­l im Profifußba­ll.
FOTO: PIUS KOLLER/IMAGO IMAGES Der Videobewei­s, hier prüft der Schweizer Schiedsric­hter Alain Bieri eine Szene, ist mittlerwei­le fester Bestandtei­l im Profifußba­ll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany