Schwere Dieselmotoren ohne stinkende Abgase
Friedrichshafener Motorenbauer baut Produktpalette um und investiert 500 Millionen Euro – Co2-einsparungen von 35 Prozent ab 2030 geplant
- Mit Motoren und Energiesystemen hat das Friedrichshafener Traditionsunternehmen Rolls-royce Power Systems (RRPS) im Vorpandemiejahr 2019 erstmals mehr als vier Milliarden Euro umgesetzt und 407 Millionen Euro verdient. Vor allem mit den großen und schweren Dieselmotoren der 2000erund 4000er-baureihe. Die Aggregate, die in Zügen und Fähren, Yachten und schweren Baumaschinen zum Einsatz kommen, haben allerdings einen großen Nachteil: Sie stinken – und stoßen über ihre gesamte Lebenszeit 109 Megatonnen Kohlendioxid aus. Das ist doppelt so viel klimaschädliches Gas, wie die Metropolregion London jedes Jahr in die Luft bläst.
Aber das soll sich ändern: Im Jahr 2030 sollen alle Produkte, die RRPS in diesem Jahr verkauft, nur etwas mehr als 70 Megatonnen Kohlendioxid ausstoßen. „Das sind 35 Prozent weniger als im Jahr 2019“, erklärte RRPS-CHEF Andreas Schell bei der Vorstellung der Klimaziele des Unternehmens in einer virtuellen Konferenz am Dienstag. Dabei werde die Zahl der verkauften Motoren und Systeme 2030 deutlich über den 20 000 Produkten liegen, die RRPS aktuell jedes Jahr an Kunden ausliefert.
Schaffen will RRPS das, indem der Motorenbauer seine klassischen Produkte in den nächsten Jahren auf erneuerbare Kraftstoffe umstellt – entweder auf kohlendioxidneutrale oder auf kohlendioxidfreie.
Bei kohlendioxid- oder Co2-neutralen Kraftstoffen wird bei der Produktion das klimaschädliche Gas der Luft entzogen und bei der Verbrennung im Motor wieder freigegeben. Zu Co2-freien Kraftstoffen gehört aus grünem Strom gewonnener Wasserstoff, der beim Verbrennungsvorgang im Motor nur Wasser freisetzt. „Unsere kleinen Motoren laufen schon heute mit Co2-neutralen Kraftstoffen, die großen Aggregate, die 85 Prozent unserer Produktion ausmachen, werden wir in den nächsten drei Jahren auf diesen Biodiesel umstellen“, erklärte Technikvorstand Otto Preiss. „Die Gasmotoren rüsten wir ebenfalls um, damit sie mit Wasserstoff laufen.“
Für die technologischen Weiterentwicklungen der Motorentechnik, die das Unternehmen bis zum Jahr 2026 plant, veranschlagt die Tochter des britischen Triebwerksbauers Rolls-royce nach Angaben Schells rund eine halbe Milliarde Euro. „Da müssen wir sehen, ob das reicht oder ob wir das noch nachlegen müssen“, erläuterte der RRPS-CHEF weiter.
Schell sprach im Hinblick auf die notwendigen Innovationen von einem „goldenen Zeitalter“des Ingenieurswesens, bei den Auswirkungen der Technikoffensive für den Stammsitz des Unternehmens in Friedrichshafen am Bodensee blieb der RRPSCHEF allerdings vage. „Es ist völlig klar, dass wir unsere Ingenieure weiterentwickeln und qualifizieren werden“, sagte Schell. „Es stellt sich aber die Frage nach der künftigen Fertigungstiefe.“Also die Frage danach, was RRPS in Zukunft selbst macht und was von Zulieferern gekauft wird. Technikvorstand Preiss erklärte, dass auch 2030 noch 60 bis 80 Prozent der Produkte verbrennungsbasiert sein werden, für die das Unternehmen auch mechanische Fertigkeit braucht. „Verbrenner sind nach wie vor ein hohes Gut“, sagte Preiss.
Die Strategie von RRPS ist Teil der konzernweiten Planungen, die vorsehen, dass Rolls-royce bis 2050 Klimaneutralität erreicht. Während der
Fahrplan für die Reduktion der Co2emissionen bei den Produkten feststeht, ist der Weg hin zur Klimaneutralität in Produktion und Lieferkette noch offen. „Aber noch in diesem Jahr werden wir Meilensteine festlegen, wie wir auch unsere Produktion und unsere Wertschöpfungskette langfristig klimaneutral gestalten können“, sagte Technikvorstand Preiss.
Dass der Plan von RRPS im Jahr 2030 und von Rolls-royce im Jahr 2050 erfolgreich sein kann, dafür ist nach Auffassung von Andreas Schell allerdings auch die Politik mitverantwortlich. „Wir brauchen klare Ansagen, damit unsere Kunden die neue Technik auch nutzen können“, sagte Schell. Im Blick habe RRPS da den „internationalen Flickenteppich“von Regularien, Kraftstoffanforderungen und fehlender Infrastruktur für die Wasserstoffnutzung. Solange da nicht die Voraussetzung für „technologieoffene Innovation“geschaffen werde, solange werden Züge, Fähren, Yachten und Baumaschinen weiter stinken.