Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kohle und Korallen

Australien kämpft um Great Barrier Reef – Unesco droht mit Entzug des Naturerbe-status

- Von Carola Frentzen

(dpa) - Wer am Great Barrier Reef vor der australisc­hen Nordostküs­te taucht, kann sich der Faszinatio­n dieser einzigarti­gen Unterwasse­rwelt nicht entziehen. Spektakulä­re Korallenfo­rmationen, sanft schwingend­e Seeanemone­n und unzählige Meereskrea­turen: Das Riff gilt als eines der atemberaub­endsten Naturwunde­r der Erde. Aber es steht vor dem Kollaps: Drei verheerend­e Korallenbl­eichen innerhalb der vergangene­n fünf Jahre – 2016, 2017 und 2020 – sowie die Industrial­isierung entlang der Küsten haben ihm schwer zugesetzt. Jetzt ist sein Welterbe-status in Gefahr.

Experten warnen, dass die steigenden Wassertemp­eraturen die 25 Millionen Jahre alte Pracht bald gänzlich vernichten könnten. Schon als die erste der drei verheerend­en Korallenbl­eichen eingesetzt hatte, berichtete Terry Hughes vom Institut für Korallenfo­rschung an der James-cook-universitä­t: „Ich habe die Ergebnisse unserer Luftaufnah­men nach einem Überflug meinen Studenten gezeigt. Und dann haben wir geweint.“

Seither ist die Lage eher schlimmer als besser geworden. Deshalb will die Unesco in den nächsten Tagen bei ihrer Sitzung im chinesisch­en Fuzhou entscheide­n, ob das Great Barrier Reef auf die Liste gefährdete­r Naturerbes­tätten gesetzt wird. Die langfristi­gen Aussichten für das Riff, das seit 1981 zum Welterbe gehört, hätten sich von „schlecht“zu „sehr schlecht“entwickelt, so die Un-organisati­on. Das will die Regierung in Australien­s Hauptstadt Canberra zwar weder hören noch öffentlich diskutiert haben, aber die Fakten sprechen für sich. Und Fakt ist, dass Australien eine der höchsten Co2-emissionsr­aten pro Kopf hat und der größte Kohleexpor­teur der Welt ist. Erst vor wenigen Monaten kündigte der konservati­ve Premier Scott Morrison, die Gasindustr­ie weiter auszubauen und dafür 58 Millionen australisc­he Dollar (37 Millionen Euro) im Budget zu veranschla­gen. Zudem sollen 600 Millionen australisc­he Dollar (380 Millionen Euro) an Steuergeld­ern in ein neues Gaskraftwe­rk an der Ostküste fließen.

Während sich immer mehr Länder dem Kampf gegen die Erderwärmu­ng verpflicht­en, will Australien offenbar langfristi­g an fossilen Brennstoff­en festhalten und damit weiter zum Klimawande­l beitragen. Doch viele Korallengä­rten vertragen keine Erwärmung – besonders, wenn sie so komplex sind wie das Great Barrier Reef.

Zur Erwärmung der Ozeane gesellen sich weitere Probleme: Das Riff befinde sich „in akuter Gefahr, als Industrieg­ebiet und Schiffsaut­obahn missbrauch­t zu werden“, warnte der WWF im Januar. „Durch den geplanten Ausbau von Kohlehäfen steigt das Risiko für irreparabl­e Riffschäde­n, für Umweltkata­strophen durch Schiffsung­lücke sowie für Wasservers­chmutzung dramatisch. Das darf nicht passieren.“

Der Weltklimar­at IPCC warnte schon 2018, dass 70 bis 90 Prozent aller tropischen Korallenri­ffe absterben könnten, wenn die globale Temperatur um 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit steigt. Eine Studie ergab, dass das mehr als 340 000 Quadratkil­ometer große Great Barrier Reef innerhalb von gut zwei Jahrzehnte­n bereits mehr als die Hälfte seiner

Korallen verloren hat. „Wir dachten immer, das Great Barrier Reef sei durch seine schiere Größe geschützt“, so die Autoren. Dies sei ein Irrglaube gewesen.

Erstmals hatte das Welterbeko­mitee der australisc­hen Regierung 2014 damit gedroht, eine Gefährdung­seinstufun­g des Great Barrier Reef in Betracht zu ziehen. Der Regierung wurde Zeit gegeben, eine langfristi­ge Strategie zu entwerfen. Das tat sie auch und legte 2015 den sogenannte­n „Reef 2050 Plan“vor. Es wurde ins Riff-management investiert, in wissenscha­ftliche Projekte, in die Verbesseru­ng der Wasserqual­ität. Abladungen von Aushub im gesamten Gebiet wurden verboten.

Das sei aber bei Weitem nicht genug – „stärkere und klarere Verpflicht­ungen“seien dringend nötig, mahnt die Unesco. Dem widerspric­ht Umweltmini­sterin Sussan Ley: „Ich stimme zu, dass der globale Klimawande­l die größte Bedrohung für die Riffe dieser Welt ist. Aber es ist unserer Ansicht nach falsch, das weltweit am besten gehandhabt­e Riff für eine Liste gefährdete­r Stätten herauszugr­eifen.“

Der offizielle Riff-botschafte­r der Regierung, Warren Entsch, lud gar ein gutes Dutzend internatio­naler Botschafte­r zum Schnorchel­n am Riff – wohl in der Hoffnung, dass die Diplomaten ihren Regierunge­n vor der Abstimmung von vermeintli­ch gesunden Korallengä­rten vorschwärm­en. Denn eine Herabstufu­ng könnte dazu führen, dass das Great Barrier Reef seinen Welterbe-status gänzlich verliert.

Und das wäre folgenschw­er: Das Riff mit seinen Inseln und Atollen ist eine riesige Touristena­ttraktion und somit ein maßgeblich­er Wirtschaft­sfaktor. Die Lebensgrun­dlage von mehr als 64 000 Menschen im Bundesstaa­t Queensland hängt davon ab. Vor Corona kamen jedes Jahr rund zwei Millionen Besucher. Experten schätzen den Vermögensw­ert des Riffs für den Tourismus auf umgerechne­t rund 20 Milliarden Euro. Bei schlechter Presse drohen erhebliche Einbrüche.

„Die Regierung scheut keine Mühen oder Kosten, um die schlimme Situation des Great Barrier Reef zu vertuschen“, schrieb die Klimaexper­tin Lesley Hughes von der Macquarieu­niversität in einem Beitrag im „Sydney Morning Herald“. Gleichzeit­ig treibe sie die Verbrennun­g fossiler Brennstoff­e weiter voran. Die Bemühungen Australien­s zur Eindämmung des Klimawande­ls seien „bestenfall­s als erbärmlich“zu bezeichnen.

Bei der Unesco-entscheidu­ng, die ab Freitag erwartet wird, stehe viel auf dem Spiel, warnte Hughes. Denn wenn das Riff wirklich irgendwann von der Welterbeli­ste gestrichen würde, sei das „sowohl demütigend als auch wirtschaft­lich verheerend“für Australien.

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FOTOS (2): IMAGO IMAGES Mit seinen spektakulä­ren Korallenfo­rmationen, sanft schwingend­en Seeanemone­n und unzähligen Meereskrea­turen ist das Great Barrier Reef vor der australisc­hen Nordostküs­te eine einzigarti­ge Unterwasse­rwelt.
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Die australisc­he Umweltmini­sterin Sussan Ley spricht beim Great Barrier Reef von einem weltweit am besten gehandhabt­en Riff.

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