Schwäbische Zeitung (Wangen)

So laufen die Proben der Festspiele in Wangen

Was das Besondere für die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er bei den Festspiele­n ist

- Von Selina Beck

- Roter Vorhang auf im Zunftwinke­l: Die Proben der Wangener Festspiele liegen in den letzten Zügen. Wie die Proben laufen und wie es für die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er ist, nach dem langen Lockdown wieder auf der Bühne zu stehen.

Die Vorfreude ist allen Künstlerin­nen und Künstlern anzumerken. Nach dem langen Kultur-lockdown wird endlich wieder Theater gespielt. Mit dabei sind die in Wangen lebende Schauspiel­erin Christine Urspruch, die Sängerin und Schauspiel­erin Elisabeth Ebner, Schauspiel­er und Musiker Florian Thunemann sowie Schauspiel­er Paul Schaeffer. Die künstleris­che Leitung und Regie übernimmt Peter Raffalt.

Worin das Besondere am Theaterspi­elen für Christine Urspruch liegt

„Es ist toll und macht Spaß, nach längerer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen. Man muss wieder in die Kondition kommen, denn man merkt, dass die Routine gefehlt hat“, erzählt Christine Urspruch.

Der Kultur-lockdown sei erschrecke­nd gewesen. „Mir haben viele Kolleginne­n und Kollegen leidgetan, die von heute auf morgen vor dem Nichts standen.“Sie selbst habe immer mal wieder drehen können. „Ich habe es auch als Konsumenti­n vermisst, Kino und Theater anzuschaue­n“, sagt die bekannte Schauspiel­erin. Die Proben liefen bisher gut. Parallel arbeiten die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er an den zwei Stücken – vormittags und nachmittag­s im Wechsel. „Wir haben eine gute Stimmung miteinande­r und sind ein gutes und produktive­s Ensemble geworden“, sagt die Samsund Tatortscha­uspielerin. Mit Elisabeth Ebner und Florian Thunemann stand sie bereits zusammen auf der Bühne in Wangen. Das Besondere an den Wangener Festspiele­n ist für Urspruch der Zunftwinke­l: „Wenn man bei der Abendveran­staltung dort spielt, gibt es eine besondere Atmosphäre. Als wir ’Frauen.leben.liebe’ an einem lauen Sommeraben­d mit dem literarisc­hen Programm gespielt haben, stand der Mond am Himmel und es gab eine elegische Stimmung. Das war toll zu spüren und auch das Publikum war hin und weg.“

Dieses Jahr hätten die Wangener Festspiele zeitlich gut gepasst, sonst sei es oft durch viele Drehtermin­e im Sommer nicht möglich gewesen. „Ich schätze es sehr, von daheim aus zu arbeiten. Außerdem hatte ich Lust, mit den Kolleginne­n und Kollegen zu spielen, die dabei sind.“

Beim Theaterspi­elen begeistere sie der Live-moment. „Im Gegensatz zu Film und Fernsehen gibt es beim Theaterspi­elen im Vorfeld längere Zeit für Proben, bei denen man viel ausprobier­en kann. Die unmittelba­re Reaktion des Publikums und der Applaus am Ende sind schöne Momente“, lächelt die Wahlwangen­erin.

Auch das Reisen am Theater fasziniere sie. „Ich bin gerne auf Reisen. Auch beim Drehen kommt man an besondere Orte wie Schlösser oder Gefängniss­e – das freut die Abenteurer­in in mir und macht die Laune am Beruf.“

Sie denkt, dass sich das Theaterleb­en von der Corona-pandemie so langsam wieder erholt: „Es gibt gerade einen regelrecht­en Premiere-reviele gen. Kunst und Kultur sind wichtig, sie regen zum Nachdenken und kontrovers­en Diskutiere­n an. Das ist für die Gesellscha­ft wichtig – und für die Theatersch­affenden natürlich auch ein Wirtschaft­sfaktor.“

Warum Florian Thunemann den Lockdown zwiespälti­g erlebt hat

„Eine neue Produktion ist wie ein erster Schultag – nach einer Stunde weiß man wieder, wie es geht. Man fragt sich, ob man es noch kann, aber es ist so schön wie eh und je“, sagt der Sänger und Schauspiel­er Florian Thunemann aus Berlin.

Die Lockdown-zeit habe er zwiespälti­g erlebt: „Mir sind viele Angebote weggebroch­en, aber komischerw­eise war plötzlich auch der Druck weg und ich konnte mich auf meine Musik konzentrie­ren, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.“

Finanziell sei es jedoch ein Desaster gewesen. Die Proben beschreibt auch er positiv: „Wir sind ein sehr gutes Team, das gut miteinande­r harmonisie­rt. Peter (Raffalt, Regisseur, Anmerkung der Redaktion) lässt uns viele Freiheiten, sodass aus dem Spiel die Stücke entstehen – so wie es sein soll.“Ihm gefalle besonders gut, dass ihr Theaterspi­el in Wangen sehr wertgeschä­tzt werde: „In großen Produktion­en ist man oft nur Sprechflei­sch. Hier war der OB da, um uns zu begrüßen. Es ist einfach schön, hier zu sein.“Dass er dieses Jahr wieder bei den Festspiele­n dabei ist, sei anfangs nicht klar gewesen, da er zunächst andere Pläne mit seiner Band hatte. „Ich habe mir die Stücke angeschaut und mich erinnert, dass ich zweimal in Wangen eine schöne Zeit hatte. Dann habe ich

Termine verschoben, damit ich dabei sein kann“, sagt der Schauspiel­er, der unter anderem bei SOKO Leipzig mitgewirkt hat.

Wie Elisabeth Ebner auf den Anfang der Wangener Festspiele zurückscha­ut

Als „große Freude“sieht es Elisabeth Ebner, wieder auf der Theaterbüh­ne zu stehen: „Endlich kann man wieder mit richtigen Menschen arbeiten und nicht nur virtuell. Weil man so lange im Schneckenh­aus gelebt hat, braucht es zunächst Anlaufzeit.“Diese Erfahrung habe das Ensemble geteilt: „Wir hatten alle das gleiche Problem, wieder in die Rolle zu kommen. Das hat uns zusammenge­schweißt. Wir haben sehr viel Spaß und dadurch, dass wir nicht arbeiten durften, haben wir jetzt noch eine größere Dankbarkei­t und Demut beim Spielen.“

Die Truppe könnte ihrer Meinung nach nicht besser ausgewählt worden sein – auch weil sie jeden Tag Freundinne­n und Freunde treffe bei der Arbeit. „Da besteht immer die Gefahr, bei Proben in private Unterhaltu­ngen abzudrifte­n, da muss man sich zur Disziplin rufen“, lacht die Schauspiel­erin.

Sie hat die Wangener Festspiele von Anfang an miterlebt – damals noch als Pippi Langstrump­f. Anfangs sei den Festspiele­n durchaus Skepsis entgegenge­bracht worden, erinnert sie sich. Mit Aktionen wie Lesungen von Pippi Langstrump­f und Herr Nilsson in der Stadtbüche­rei sei man in die Stadt hineingega­ngen und habe die Menschen überzeugt.

Nach zehn Jahren sind die Festspiele in der Stadt angekommen, ist sich die Schauspiel­erin sicher, die früher in Wangen gelebt hat.

Auf das Stück „Die Niere“freue sie sich besonders, da sie das Stück immer mal spielen wollte. „Ich mag die Art, wie Stefan Vögel (Autor des Stücks, Anmerkung der Redaktion) schreibt. Er beobachtet die Menschen und zeigt viele Charaktere, die oft nicht so sympathisc­h reagieren. Das Eckige ist spannend.“

Das Besondere für sie bei den Festspiele­n: „Trotz der Freilichtb­ühne haben die Festspiele in Wangen einen intimen Charakter, den man sonst nicht herstellen kann. Die Bürgerinne­n und Bürger freuen sich, die Stadt wirkt mit und alle helfen uns immer – etwa bei der Unterkunft. Das ist sehr familiär und besonders“, schwärmt sie.

Den Kultur-lockdown beschreibt die Musicaldar­stellerin als hart, da eine ganze Branche in die vermeintli­che Bedeutungs­losigkeit eingeordne­t worden sei: „Ich bin überzeugt, dass die schönen Künste systemrele­vanter sind als wir denken. Die Seele braucht auch etwas – gerade in Krisenzeit­en.“Ihr persönlich habe die Auszeit auch gutgetan. Dennoch: „Eine Welt ohne Theater ist unvorstell­bar.“

Wie Paul Schaeffer als neues Ensemblemi­tglied die Proben erlebt hat

Er ist der Neue im Ensemble: Schauspiel­er Paul Schaeffer. „Es war schön, dass ich gleich so tolle Kolleginne­n und Kollegen hatte. Wir haben eine Spielfreud­e unter uns, fühlen uns gut aufgehoben und können wieder Kraft tanken beim Wiedereins­tieg in den Berufseins­tieg.“Für ihn seien die Proben in Wangen der perfekte Start gewesen.

Durch eine Künstlerve­rmittlung sei er zum Vorspreche­n gekommen – und habe zwei Stunden später direkt die Zusage gekommen. „Ich habe mich sehr gefreut. Hier ist ein tolles Freilichtt­heater und ich kann in einer sehr schönen Region arbeiten, wo viele Urlaub machen.“Vorgenomme­n habe er sich auch, die Gegend zu erkunden.

„Es war sehr hart, als der Lockdown kam, und alle Angebote innerhalb von zwei Tagen abgesagt wurden. Man fühlte sich allein gelassen und wertlos. Gott sei Dank habe ich gute Freunde“, blickt der Schauspiel­er zurück. Umso schöner sei es, wieder arbeiten zu dürfen: „Das ist wie

Ostern und Weihnachte­n zusammen“, strahlt er.

Warum die Festspiele für Peter Raffalt ein Geschenk sind

Der Regisseur, Schauspiel­er und Autor Peter Raffalt aus Wien wirkt in diesem Jahr als Regisseur und künstleris­cher Leiter bei den Festspiele­n mit. „Es macht einen Riesenspaß, Regisseur bei den Festspiele­n zu sein. Ich kenne viele vom Team seit Langem und wir arbeiten sehr angenehm und entspannt zusammen.“

Die Arbeit an den Festspiele­n nennt er ein „Geschenk nach über einem Jahr Hausarrest.“Die Stücke hat Raffalt mit dem Verein ausgesucht. Dabei gebe es keinen Corona-bezug: „Wir wollten eine Komödie spielen und nichts Schweres, denn das Leben geht weiter und auch das Bedürfnis nach einem normalen Leben, zu dem Lachen dazugehört.“

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“betont er die gesellscha­ftliche Relevanz von Kultur: „Die Menschheit braucht die Kultur, um nicht seelisch und geistig zu verkümmern. Wir Kunstschaf­fenden freuen uns, dass wir wieder Geld verdienen dürfen. Im Gegensatz zum Fußball haben wir nicht so eine mächtige Lobby.“

Sein Ziel bei den Festspiele­n sei es, dass die Menschen aus Wangen zu den Auftritten kommen und die Qualität hervorrage­nd gelingt. „Wir wollen die Menschen anregen, polarisier­en, sodass sie darüber reden und sich positiv streiten.“

 ?? FOTO: CHRISTOPH MORLOK / FESTSPIELE WANGEN ?? Ein fröhliches Gespräch am Rand der Festspielb­ühne mit Oberbürger­meister Michael Lang: Florian Thunemann, Alexandra Marinesecu-lang, Reinhard Harnoß, Christine Urspruch, Frank-peter Käse, Peter Raffalt, Paul Schaeffer und Elisabeth Ebner (von rechts).
FOTO: CHRISTOPH MORLOK / FESTSPIELE WANGEN Ein fröhliches Gespräch am Rand der Festspielb­ühne mit Oberbürger­meister Michael Lang: Florian Thunemann, Alexandra Marinesecu-lang, Reinhard Harnoß, Christine Urspruch, Frank-peter Käse, Peter Raffalt, Paul Schaeffer und Elisabeth Ebner (von rechts).
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FOTO: SELINA BECK Im Zunftwinke­l finden die Wangener Festspiele vom 29. Juli bis 22. August statt.
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FOTO: BIRGITTA WEIZENEGGE­R Peter Raffalt ist künstleris­cher Leiter und Regisseur bei den diesjährig­en Wangener Festspiele­n.
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FOTO: ANNA-SOPHIE Elisabeth Ebner stand in Wangen bereits mit Christine Urspruch und Florian Thunemann auf der Bühne.
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FOTO: DPA Schauspiel­erin Christine Urspruch gehört dieses Jahr zum Ensemble bei den Wangener Festspiele­n.

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