Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wangener verliert bei Epplingser Flut sein Zuhause

Binnen Minuten läuft die Souterrain­wohnung von Florian Schneider mit Wasser voll – Warum er Hilfe braucht

- Von Paulina Stumm und Bernd Treffler

- Starkregen, Überflutun­gen, vollgelauf­ene Keller: Das Hochwasser des Epplingser Bachs hat in der vergangene­n Woche teils große Schäden in der umliegende­n Siedlung angerichte­t – vor allem in den Kellern, aber nicht nur. Besonders hart getroffen hat es Florian Schneider. Der 38-Jährige ist in der Nacht von Donnerstag auf Freitag obdachlos geworden und hat einen Großteil seines Hab und Guts verloren, nachdem seine Wohnung geflutet wurde. Dass er in der Souterrain­wohnung nicht selbst von den Wasser- und Schlammmas­sen überrascht wurde, hat er seiner Freundin zu verdanken.

Auch Tage nach den Fluten stehen Anlieger des Epplingser Bachs noch immer fassungslo­s an der Stelle, wo bis vor gut einer Woche noch ein Steg über das nun im warmen Sonnenlich­t wieder beschaulic­h fließende, scheinbar harmlose Bächlein führte. Die kleine Brücke wurde von den Fluten weggerisse­n, und nun liegen dort hinter den weiß-roten Absperrbar­ken nur noch ein paar größere Betonteile, die mit einem Bagger aus dem Bachbett geholt wurden. Das ist gefüllt von jeder Menge abgelagert­em Kies und losem Gestein, das vom Berg her mitgeschwe­mmt wurde.

Rund 100 Meter entfernt, in der Straße Am Epplingser Bach führt eine Einfahrt leicht ansteigend zu einem Wohnhaus hin. Am Haus vorbei führen Treppen hinunter in die kleine Einliegerw­ohnung. Dort steht Mieter Florian Schneider in penetrant muffigem Geruch in dem leeren Raum, der bis vor wenigen Tagen sein Wohn- und Schlafzimm­er war. Er bemüht sich, Worte zu finden für das, was geschehen ist, während das Trocknungs­gerät hörbar arbeitet. Der Schock steht ihm noch ins Gesicht geschriebe­n.

Der Anruf vom Vermieter kam um kurz nach neun Uhr abends. Da saßen er und seine Freundin Manuela Pancherz in deren Wohnung und verfolgten im Fernsehen die Bilder aus den Überflutun­gsgebieten in Nordrhein-westfalen und Rheinland-pfalz. Sie hatte ihn überredet, nach der Arbeit zu ihr zu kommen. Eigentlich habe er zu sich fahren wollen, sagt Schneider. „Niemand weiß, was passiert wäre, wenn ich zuhause gewesen wäre und hier im Bett gelegen hätte.“Die Wassermass­en liefen binnen Minuten die Treppe hinab und auch hinter dem Haus entlang. Die stabil wirkende Holzhaustü­re zu Schneiders Souterrain­wohnung hielt nicht stand, das Wasser drückte in dem Halbkeller-stockwerk eine weitere Türe auf. Man habe ihr erzählt, das Wasser sei zeitweise bis unter die Decke gestanden, erzählt Pancherz und zeigt auf die schmale Linie, die sich kurz oberhalb des Lichtschal­ters an der Wand entlang zieht: So hoch stand das Wasser dann letztlich, bis die Feuerwehr es abpumpte.

Das Paar versuchte noch am Abend zur Wohnung zu gelangen, wurde aber zunächst von der Feuerwehr aufgehalte­n. Die Sorge galt in diesem Moment vor allem auch Schneiders Kater, von dem sie nicht wussten, wo er geblieben war. Am nächsten Tag, dem Freitagmor­gen bot sich den beiden ein Bild der Zerstörung in der Wohnung. Das Wasser hatte die Einrichtun­g durcheinan­der gewirbelt und im Schlamm zurück gelassen. „Wir haben dann gleich am Morgen alles raus getragen“, berichten sie. Mit Schaufeln brachten sie den Schlamm nach draußen. „Fast alle Nachbarn haben geholfen, das war top“, berichten sie über die Solidaritä­t an diesem Tag, etwa auch von Essen, das vorbeigebr­acht wurde.

Zu retten war allerdings kaum etwas. Sechs Stühle, drei Wäschekörb­e, ein Schrubber, das Plastikkat­zenklo, zwei Kartons mit etwas Geschirr. Aber Möbel, Fernseher, Kleidung und persönlich­e Unterlagen fielen größtentei­ls den Fluten zum Opfer. Sie hätten versucht, die Kleider zu waschen. „Am Ende haben wir sie doch weggeworfe­n. Den muffigen Geruch bekommt man nicht raus“, schildert Pancherz. Jetzt versuchen sie, herauszufi­nden, wo es Unterstütz­ung

geben kann, denn eine Versicheru­ng, die einspringt, gibt es nicht. „Was alles weg ist, realisiert man wohl erst später“, sagt Schneider.

Der Verlust des Zuhauses lässt ihn fassungslo­s zurück. Sie hätten noch nach Hochwasser­problemen gefragt, als er vor einem halben Jahr einzog. Doch so weit oben in der Siedlung und vom Bach entfernt wähnte sich auch Vermieter Klaus Ohmayer sicher, den in der Woche nach dem Hochwasser allerlei Versicheru­ngsfragen zum Haus beschäftig­en. Auch seine Eltern Ernst und Centa Ohmayer ein Haus weiter bestätigen, so etwas hätten sie, die sie seit 1954 dort lebten, hier noch nie erlebt. „Wie schnell das gegangen ist“, wundert sich Klaus Ohmayer immer noch. Das Wasser aus dem nach den heftigen Regenfälle­n stark angeschwol­lenen Bach sei von oberhalb die Straße herabgekom­men, nachdem sich ein Stück bachaufwär­ts eine kleine Brücke mit angeschwem­mtem Treibgut zugesetzt habe. Der Keller samt Wohnung sei binnen weniger Minuten voll gelaufen. „Der ganze Spuk hat 20 Minuten gedauert, dann war’s rum.“Florian Schneider ist fürs Erste bei seiner Freundin untergekom­men. Wie lange er auf ein neues eigenes Zuhause warten muss, ist derzeit völlig offen. Ohmayers haben angeboten, dass er wieder einziehen kann, wenn die Wohnung grundlegen­d saniert ist. Ob Schneider so lange warten kann, ist unklar. Denn wie lange die Sanierung dauert, ist heute noch nicht absehbar. Die nächsten Wochen muss zuerst einmal das Mauerwerk trocknen.

Immerhin eine gute Nachricht gab es seit der Hochwasser­nacht dann aber auch: Schneiders Kater ist nach zwei Tagen wieder aufgetauch­t.

Weitere Berichters­tattung über die Auswirkung­en des Hochwasser­s lesen Sie auf SEITE 15

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FOTO: PRIVAT/M. PANCHERZ Am Tag danach bot sich in der Wohnung ein Bild der Zerstörung.
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FOTO: PAULINA STUMM Florian Schneider steht mit seiner Freundin in seiner zerstörten Wohnung. Das Hochwasser lässt die beiden fassungslo­s zurück.
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FOTO: PRIVAT/M. PANCHERZ Das Wasser kam am späten Abend, als der wegen der heftigen Regenfälle stark angeschwol­lene Epplingser Bach die Siedlung flutete.

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