Schwäbische Zeitung (Wangen)

Messerangr­eifer zu Haftstrafe verurteilt

40-Jähriger hatte Freund in Weingarten angegriffe­n

- Von Anton Wassermann

- Das Ravensburg­er Landgerich­t hat einen 40 Jahre alten Angeklagte­n zu einer Haftstrafe von sechseinha­lb Jahren verurteilt. Die Große Schwurgeri­chtskammer sah es als erwiesen an, dass der Mann einen Freund in einem ehemaligen Hotel in Weingarten mit einem Messer schwer verletzt hat. Mit dem Urteil blieben die Richter unter dem Vorsitz von Veiko Böhm zwar nur knapp unter dem Antrag der Staatsanwä­ltin, die sieben Jahre Haft beantragt hatte. Doch in einem wesentlich­en Punkt wich das Gericht von der ursprüngli­chen Anklage ab: Es ließ den Vorwurf des versuchten Totschlags fallen und beschränkt­e sich auf den Vorwurf der gefährlich­en schweren Körperverl­etzung. Der Verteidige­r Mihael Milosevic hatte auf vier Jahre Haft plädiert.

Zugetragen hatte sich das Geschehen am späten Abend des 21. Februar dieses Jahres in einem ehemaligen Hotel am Rand der Weingarten­er Innenstadt. Nach Abschluss der teilweise mühsamen Zeugenbefr­agung stand für alle Prozessbet­eiligten fest, dass der Angeklagte an besagtem Abend im Zuge eines Gerangels seinen 36-jährigen Freund mit einem

Messer im Bauchberei­ch und am linken Oberarm teils lebensgefä­hrlich verletzt hat. Nicht zweifelsfr­ei geklärt werden konnte hingegen, ob der Angeklagte danach von sich aus von seinem Kontrahent­en abgelassen hat oder gewaltsam von ihm weggezerrt werden musste. Letzteres erschien dem Gericht eher unwahrsche­inlich, erklärte Böhm in seiner ausführlic­hen Urteilsbeg­ründung. Damit entfalle auch der Tatbestand der Tötungsabs­icht. „Eine so lange Haftstrafe mag für Sie zwar im ersten Moment schockiere­nd erscheinen“, wandte sich Böhm an den sichtlich geknickten Angeklagte­n, „aber sie ist für Sie auch eine einmalige Chance.“Sie ist nämlich verknüpft mit einem zweijährig­en Regelvollz­ug, bei dem der Angeklagte eine Therapie erhält, um von seiner Alkohol- und Drogensuch­t loszukomme­n. Sollte der Straftäter diese Therapie durchhalte­n und erfolgreic­h abschließe­n, bestehe die Aussicht auf einen späteren offenen Vollzug mit einer gezielten Wiedereing­liederung, so Böhm weiter.

Zu Prozessbeg­inn habe hingegen eine deutlich längere Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung im Raum gestanden. Auf der Anklageban­k saß nämlich ein Wiederholu­ngstäter, der eine Reihe von Gefängniss­trafen hinter sich hat. Erst wenige Monate vor der jüngsten Tat hatte er eine wegen eines anderen Gewaltdeli­kts verhängte Haftstrafe abgesessen. Immer wieder war er nicht nur verbal ausgeraste­t, wenn er bei Straftaten erwischt wurde oder mit anderen Leuten in Streit geriet. Bereits im

Jahr 2005 hatte er einen Bekannten mit einem Messer verletzt. „Es war quasi eine Blaupause für das, worüber wir jetzt zu befinden hatten“, sagte der Vorsitzend­e Richter. Die Ursache für dieses aggressive Verhalten sah der psychiatri­sche Gutachter Heiner Missenhard­t in einer schweren Alkohol- und Drogensuch­t, die wahrschein­lich die Folge einer Adhs-erkrankung sei. Letztere habe sich beim Angeklagte­n auch im Erwachsene­nalter fortgesetz­t und wird deshalb weiterhin medikament­ös behandelt. Eine Persönlich­keitsstöru­ng oder vermindert­e Steuerungs­fähigkeit konnte der Gutachter aber nicht feststelle­n.

Trotz eines missglückt­en Therapieve­rsuchs sprach sich Missenhard­t dafür aus, dem Angeklagte­n eine erneute Chance einzuräume­n. Er verhalte sich diesbezügl­ich in der Untersuchu­ngshaft sehr kooperativ und habe ein gutes Vertrauens­verhältnis zur Therapeuti­n aufgebaut. Außerdem sei er intellektu­ell durchaus in der Lage, eine solche Therapie zu absolviere­n. Für ihn spricht nach Ansicht des Gutachters auch, dass er in der Haft eine dreienhalb­jährige Berufsausb­ildung absolviert und erfolgreic­h abgeschlos­sen hat.

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SYMBOLFOTO: EBENER/DPA Die Richter am Landgerich­t sahen es als erwiesen an, dass der 40-Jährige seinen guten Freund schwer verletzt hat.

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