Messerangreifer zu Haftstrafe verurteilt
40-Jähriger hatte Freund in Weingarten angegriffen
- Das Ravensburger Landgericht hat einen 40 Jahre alten Angeklagten zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Die Große Schwurgerichtskammer sah es als erwiesen an, dass der Mann einen Freund in einem ehemaligen Hotel in Weingarten mit einem Messer schwer verletzt hat. Mit dem Urteil blieben die Richter unter dem Vorsitz von Veiko Böhm zwar nur knapp unter dem Antrag der Staatsanwältin, die sieben Jahre Haft beantragt hatte. Doch in einem wesentlichen Punkt wich das Gericht von der ursprünglichen Anklage ab: Es ließ den Vorwurf des versuchten Totschlags fallen und beschränkte sich auf den Vorwurf der gefährlichen schweren Körperverletzung. Der Verteidiger Mihael Milosevic hatte auf vier Jahre Haft plädiert.
Zugetragen hatte sich das Geschehen am späten Abend des 21. Februar dieses Jahres in einem ehemaligen Hotel am Rand der Weingartener Innenstadt. Nach Abschluss der teilweise mühsamen Zeugenbefragung stand für alle Prozessbeteiligten fest, dass der Angeklagte an besagtem Abend im Zuge eines Gerangels seinen 36-jährigen Freund mit einem
Messer im Bauchbereich und am linken Oberarm teils lebensgefährlich verletzt hat. Nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte hingegen, ob der Angeklagte danach von sich aus von seinem Kontrahenten abgelassen hat oder gewaltsam von ihm weggezerrt werden musste. Letzteres erschien dem Gericht eher unwahrscheinlich, erklärte Böhm in seiner ausführlichen Urteilsbegründung. Damit entfalle auch der Tatbestand der Tötungsabsicht. „Eine so lange Haftstrafe mag für Sie zwar im ersten Moment schockierend erscheinen“, wandte sich Böhm an den sichtlich geknickten Angeklagten, „aber sie ist für Sie auch eine einmalige Chance.“Sie ist nämlich verknüpft mit einem zweijährigen Regelvollzug, bei dem der Angeklagte eine Therapie erhält, um von seiner Alkohol- und Drogensucht loszukommen. Sollte der Straftäter diese Therapie durchhalten und erfolgreich abschließen, bestehe die Aussicht auf einen späteren offenen Vollzug mit einer gezielten Wiedereingliederung, so Böhm weiter.
Zu Prozessbeginn habe hingegen eine deutlich längere Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung im Raum gestanden. Auf der Anklagebank saß nämlich ein Wiederholungstäter, der eine Reihe von Gefängnisstrafen hinter sich hat. Erst wenige Monate vor der jüngsten Tat hatte er eine wegen eines anderen Gewaltdelikts verhängte Haftstrafe abgesessen. Immer wieder war er nicht nur verbal ausgerastet, wenn er bei Straftaten erwischt wurde oder mit anderen Leuten in Streit geriet. Bereits im
Jahr 2005 hatte er einen Bekannten mit einem Messer verletzt. „Es war quasi eine Blaupause für das, worüber wir jetzt zu befinden hatten“, sagte der Vorsitzende Richter. Die Ursache für dieses aggressive Verhalten sah der psychiatrische Gutachter Heiner Missenhardt in einer schweren Alkohol- und Drogensucht, die wahrscheinlich die Folge einer Adhs-erkrankung sei. Letztere habe sich beim Angeklagten auch im Erwachsenenalter fortgesetzt und wird deshalb weiterhin medikamentös behandelt. Eine Persönlichkeitsstörung oder verminderte Steuerungsfähigkeit konnte der Gutachter aber nicht feststellen.
Trotz eines missglückten Therapieversuchs sprach sich Missenhardt dafür aus, dem Angeklagten eine erneute Chance einzuräumen. Er verhalte sich diesbezüglich in der Untersuchungshaft sehr kooperativ und habe ein gutes Vertrauensverhältnis zur Therapeutin aufgebaut. Außerdem sei er intellektuell durchaus in der Lage, eine solche Therapie zu absolvieren. Für ihn spricht nach Ansicht des Gutachters auch, dass er in der Haft eine dreienhalbjährige Berufsausbildung absolviert und erfolgreich abgeschlossen hat.