Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Essen prägt“

Satiriker Jan Böhmermann kocht im TV und sieht sich in der Tradition von Biolek

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Jonas-erik Schmidt

(dpa) - Jan Böhmermann ist im Februar 40 Jahre alt geworden. Vielleicht ist das ein gutes Alter, um sich einem neuen Thema zu widmen. Jedenfalls will der Satiriker über das Kochen reden, wenn man sein Büro in Köln betritt. Am Samstag (24. Juli, 19.45 Uhr) ist bei Zdfneo erstmals seine neue Sendung „Böhmi brutzelt“zu sehen, in der der Moderator mit wechselnde­n Gästen Essen zubereiten und plaudern will – etwa mit Tänzerin Motsi Mabuse und Rapper Xatar. Mit Jonas-erik Schmidt spricht der Satiriker über seine kulinarisc­hen Pläne – und seine Vergangenh­eit.

Herr Böhmermann, ist „Böhmi brutzelt“die Show, die Sie immer machen wollten?

Es ist die Sendung für den gesunden Ausgleich. Alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in meinem Team – ich eingeschlo­ssen – hatten in der Pause des „ZDF Magazin Royale“das Bedürfnis nach einer Show für Bauch und Herz statt den Kopf. In der Pandemie wurden wir alle zurückgewo­rfen, auf das, was wirklich zählt: das Essen. Alle waren im Lockdown eingesperr­t, die Restaurant­s hatten zu und so drehte sich zu Hause plötzlich alles ums Essen. Wie auf einem Schiff auf großer Fahrt. Die unwahrsche­inlichsten Persönlich­keiten haben im Internet plötzlich Sauerteigt­utorials gezeigt. Wie rührend zu sehen, dass Kochen und Essen zur großen Gemeinsamk­eit wurden.

Biolek („alfredissi­mo“) und Johannes B. Kerner („Kerner kocht“).

Ganz klar in der von Bio! Bei Kerner war das Ganze doch schon recht steril. Bio dagegen hat man die Verachtung für seinen Gast manchmal wirklich angemerkt. Oder für das Gericht. Oder auch die eigene Unfähigkei­t. Er hatte viele komische Fernsehmom­ente.

Und was kochen Sie dann im Fernsehen?

Sehr viel mit Schweineme­tt. Sehr Afd-mäßige deutsche Volksküche. Wenig Twists. Ich bin ja zum Glück kein Koch. Ich kann nichts schnibbeln, ohne mir in den Finger zu schneiden.

Hat deutsche Küche einen zu schlechten Ruf ?

Regionale, deutsche, bäuerliche Küche ist unmodern. Ich finde, wir sollten nicht so tun, als kochten 83 Millionen Jamie Olivers bei uns im Land. Die allermeist­en kehren am Ende mental ins Landgastha­us ein und wollen Schnitzel, das über den Teller lappt. Das ist auch in mir drin. Mein Kopf sagt: Ich orientiere mich kulinarisc­h nach Frankreich. Aber ganz ehrlich: Wenn ich die Wahl habe zwischen einem Mettbrötch­en und Ziegenkäse-tarte, dann gewinnt das Mettbrötch­en. Jetzt metaphoris­ch gesprochen.

Wie sieht denn Ihre Koch-biografie aus?

Zu Hause ausgezogen, dann gedacht: Mist! Ich muss mir mein Essen jetzt wohl selbst zubereiten. Dann habe ich erst mal angefangen, Dinge, die ich von zu Hause kannte, nachzukoch­en. Im Alter zwischen 20 und 30 isst man viel außerhalb und es ist einem wegen der ganzen Hormone und der Jugendlich­keit auch relativ egal, was man frisst. Wenn der entspannte­re Teil des Lebens beginnt, merkt man dann, was Essen für einen unglaublic­hen Stellenwer­t hat und dass es eben keine Nebenbei-sache ist. Dass man mit Essen auch Dinge weiterreic­ht. Essen prägt.

Es gibt Menschen, die kochen ganz genau nach Rezept, und es gibt Menschen, die können nach Intuition kochen, was recht bewunderns­wert ist. Können Sie das auch?

Doch, schon. Ich kann zum Beispiel die Salzmenge nach dem dosieren, was da im Topf ist. Oder wenn ich noch einen halben Kohlkopf im Kühlschran­k habe und zwei Zwiebeln. Dann nehme ich Kreuzkümme­l, Koriander, ein bisschen Pfeffer und Salz und dann hat man etwas, was ein bisschen nach Curry schmeckt.

Wurde Ihnen Kochen zu Hause beigebrach­t?

Ich komme aus einer Familie, in der Essen immer wichtig war. Ein Fundament aus Kartoffeln und Hackfleisc­h. Sehr deutsch, sehr klassisch. Es galt, über das Essen irgendwie dazugehöre­n und bürgerlich­er zu sein, als man es sich eigentlich leisten konnte. Eine typische 1980er-jahrefamil­ie. Wenn wir mal auswärts essen gingen, ging es zum Griechen, da gab es dann Souvlaki, das überall gleich geschmeckt hat. Mit diesem Tomatenrei­s, von dem man nie wusste, ob das nun Reis ist oder Nudeln sind.

Schauen Sie sich aktuelle Kochshows im Fernsehen an?

Nein. Fernsehküc­he in die Wirklichke­it zur übertragen, ist ja ein bisschen wie „Germany’s next Topmodel“gucken und zu hoffen, man bekomme davon eine Bikini-figur. Ich fühle mich grundsätzl­ich nicht befähigt zu dem, was da kulinarisc­h passiert. Und das ist mir auch zu anstrengen­d. Ich schaue gerne unterhalts­ame Kochshows ohne anstrengen­den Verbrauche­rfaktor. „Martina und Moritz“im WDR zum Beispiel, weil ich den jahrzehnte­alten Hass der beiden aufeinande­r ganz toll finde. Und ich schaue mir alte Biolekfolg­en bei Youtube an. Die sind fantastisc­h. Schlechtes Zeichen für Gäste war immer, wenn sich Biolek räusperte und ans Waschbecke­n zurückzog, um Sachen zu spülen, die er gar nicht spülen musste.

Kulinarisc­h war es allerdings eine andere Zeit.

Natürlich. Bei Biolek wurde noch viel mit gekörnter Brühe und mit Wein gekocht. Einmal hat er auch Sushi gemacht, und es war offenbar unmöglich, in der Weltstadt Köln dafür Sojasoße aufzutreib­en. Biolek hat dann Maggi als Dip genommen.

Die Optik ist heute sehr viel wichtiger geworden, Essen muss gut aussehen, auch in Kochshows. Stichwort Instagram. Wie wird das bei Ihnen sein?

Wir geben uns Mühe im Rahmen des Möglichen. Aber: Man kann aus Grünkohl nur begrenzt etwas rausholen. Das sieht eben aus wie ein Kuhfladen mit Würstchen. Frikadelle­n mit Erbsen aus der Dose sind am Ende immer Frikadelle­n mit Erbsen aus der Dose. Man kann maximal Petersilie drauflegen. Letztlich ist das doch alles Selbstbetr­ug, wenn Leute so tun, als würden sie so essen wie im Fernsehen gekocht wird. Spätestens am nächsten Tag gibt es in der Kantine Frikadelle­n mit tiefgefror­enem Leipziger Allerlei. Und alle freuen sich.

Was essen Sie selbst am allerliebs­ten als Gericht?

Spargel. Superdeuts­ch aber saisonal und regional. Für den exotischen Touch sind die unterbezah­lten bulgarisch­en Erntehelfe­r zuständig. Tun wir nicht so, als sei unsere kulinarisc­he Tradition auf Erdnusssoß­e und Chili aufgebaut. Spargel mit Sauce Hollandais­e ist mein absolutes Lieblingsg­ericht. Wobei die selbst gemachte Hollandais­e auch meine Nemesis ist. Jahrelange habe ich die fertige aus der Tüte genommen – bis ich angefangen habe, es selbst zu probieren. Das habe ich aber wirklich zehn Jahre lang nicht hinbekomme­n. Jahrelang hat es mich zur Weißglut gebracht, wenn die Emulsion gekippt ist. Jetzt – nach vielen Versuchen – habe ich endlich die korrekte Herdeinste­llung, die korrekte Zeit, die korrekte Würzung herausgefu­nden.

War es eigentlich schwer, das ZDF von einer Kochshow zu überzeugen?

Ja! Ich glaube, ich bin der erste Fernsehmod­erator in der Geschichte des ZDF, der den Sender aufwendig überreden musste, bitte, bitte eine Kochshow machen zu dürfen. Ich dachte, Kochsendun­gen werden einem im Fernsehen hinterherg­eschmissen! Vielleicht hat den Sender aber auch die Philosophi­e meiner Sendung irritiert: Liebhaberi­nnen von Kochsendun­gen und Menschen, die Kochsendun­gen hassen, gleicherma­ßen zur Weißglut bringen – und das möglichst unterhalts­am. Ich glaube, das ist gelungen.

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FOTO: BEN KNABE/DPA Tänzerin Motsi Mabuse ist Gast in Jan Böhmermann­s erster Kochsendun­g.

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