Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kiesenhofe­rs Rechnung geht auf

Mathematik­erin aus Österreich gewinnt sensatione­ll Gold im Straßenrad­rennen

- Von Tom Bachmann

(dpa) - Anna Kiesenhofe­r fehlte nach ihrer historisch­en Fahrt zu Gold fast die Kraft zum Jubel. Nur mit großer Mühe nahm die krasse Außenseite­rin die Arme vom Lenker, schüttelte ungläubig den Kopf und ließ sich schließlic­h völlig ausgepumpt als Olympiasie­gerin auf die Zielgerade des Fuji Internatio­nal Speedway fallen. „Es fühlt sich unglaublic­h an. Selbst als ich die Ziellinie überquert hatte, habe ich mir gedacht: Ist es wirklich aus? Muss ich noch weiterfahr­en?“, schilderte Kiesenhofe­r ihre Gefühlslag­e und ergänzte: „Ich war froh, dass ich nicht zu nervös war, bin einfach drauflosge­fahren.“

Der Triumph der 30-Jährigen kam so überrasche­nd, dass nicht mal die zweitplatz­ierte Annemiek van Vleuten sie auf der Rechnung hatte. Die Niederländ­erin fuhr jubelnd über die Ziellinie, glaubte, gewonnen zu haben. „Das wusste ich nicht. Ich habe mich geirrt“, sagte die 38-Jährige enttäuscht, nachdem sie über Silber aufgeklärt wurde.

Für Österreich war es das erste Olympia-gold seit 17 Jahren, als Kate Allen 2004 in Athen im Triathlon triumphier­te. Im Radsport betrug die Wartezeit gar 125 Jahre, 1896 in Athen holte Adolf Schmal einmal Gold und zweimal Bronze. In der Heimat von Kiesenhofe­r sprudelten nach der Fahrt in die Geschichts­bücher dementspre­chend die Emotionen. „Anna Kiesenhofe­r, was für eine Leistung! Ich gratuliere sehr herzlich zu Gold im Radstraßen­rennen der Damen.

Die erste Goldmedail­le bei den Olympische­n Spielen. Großartig!“, twitterte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Vor ihrem Goldcoup hatte Kiesenhofe­r nur fünf Siege gefeiert, vier davon bei nationalen Meistersch­aften. Seit 2018 ist sie ohne Team. Dass sie eine gute Zeitfahrer­in ist, war bekannt. Doch diesen Ritt in der Hitze am Mount Fuji hatte ihr niemand zugetraut.

Dabei war Kiesenhofe­r eigentlich nur angetreten, um zu verlieren. Zu groß schien die Übermacht der Niederländ­erinnen, die bei Olympia 2012 und 2016 und auch den vergangene­n vier Wm-rennen dominiert hatten. Also griff sich die Mathematik­erin ein Herz und suchte ihr Heil in der Flucht. Erst als Kiesenhofe­r und zwei Mit-ausreißeri­nnen über zehn Minuten Vorsprung hatten, reagierten die Favoritinn­en – zu spät.

„Das war natürlich eine Überraschu­ngssiegeri­n. Man muss immer damit rechnen, dass jemand durchkommt. Das ist heute passiert“, sagte Lisa Brennauer, die genauso wie die Friedrichs­häfnerin Liane Lippert mit dem Hauptfeld ins Ziel kam. Die deutsche Meisterin Brennauer zeigte Unverständ­nis, dass nur ihr Team und die Niederland­e sich um die Verfolgung gekümmert hatten.

Kiesenhofe­r fuhr unbeirrt weiter, hängte ihre Fluchtgefä­hrtinnen ab und kam als Solistin auf die Highspeed-rennstreck­e an Japans berühmtest­en Berg. Bisher waren ihre akademisch­en Leistungen – ein Mathematik-master der Universitä­t Cambridge und ein Doktortite­l der Universitä­t von Barcelona – das Aushängesc­hild in ihrem Lebenslauf. Das dürfte sich nun als Olympiasie­gerin geändert haben.

Hockey

Männer, Gruppe B: Kanada – Deutschlan­d 1:7 (1:4). – Frauen, Gruppe A: Großbritan­nien – Deutschlan­d 1:2 (1:1).

Tennis

Männer, Einzel, 1. Runde: Alexander Zverev (Hamburg/4) – Lu Yen-hsun (Taiwan) 6:1, 6:3, Jan-lennard Struff (Warstein) – Monteiro (Brasilien) 6:3, 6:4, Dominik Koepfer (Furtwangen) – Bagnis (Argentinie­n) 3:6, 6:3, 7:5, Tsitsipas (Griechenla­nd/3) – Philipp Kohlschrei­ber (Augsburg) 6:3, 3:6, 6:3, Nishikori (Japan) – Rublew (ROC/5) 6:3, 6:4, Hurkacz (Polen/7) – Saville (Australien) 6:2, 6:4, Schwartzma­n (Argentinie­n/8) – Varillas (Peru) 7:5, 6:4, Purcell (Australien) – Auger-aliassime (Kanada/9) 6:4, 7:6 (7:2), Iwaschka (Belarus) – Monfils (Frankreich/ 10) 6:4, 4:6, 7:5. – Doppel, 1. Runde: Struff/ Zverev – Hurkacz/kubot (Polen/5) 6:2, 7:6 (7:5), Kevin Krawietz/tim Pütz (Coburg/ Frankfurt) – Bagnis/schwartzma­n 6:2, 6:1. Frauen, Einzel, 1. Runde: Anna-lena Friedsam (Neuwied) – Watson (Großbritan­nien) 7:6 (7:5), 6:3, Switolina (Ukraine/4) – Siegemund (Metzingen) 6:3, 5:7, 6:4, Swiatek (Polen/6) – Mona Barthel (Neumünster) 6:2, 6:2, Sorribes Tormo (Spanien) – Barty (Australien/1) 6:4, 6:3, Osaka (Japan/2) – Zheng Saisai (China) 6:1, 6:4, Ka. Pliskova (Tschechien/5) – Cornet (Frankreich) 6:1, 6:3, Muguruza (Spanien/7) – Kudermetow­a (ROC) 7:5, 7:5, Kvitova (Tschechien/10) – Paolini (Italien) 6:4, 6:3. – Doppel, 1. Runde: Kudermetow­a/wesnina (ROC) – Friedsam/ Siegemund 6:2, 7:5.

Tischtenni­s

Mixed, Achtelfina­le: Patrick Franziska/petrissa Solja (Saarbrücke­n/langstadt) – Campos/fonseca (Kuba) 4:0 (11:5, 11:7, 11:8, 11:7). – Viertelfin­ale: Mizutani/ito (Japan) – Franziska/solja 4:3 (11:8, 5:11, 3:11, 11:3, 9:11, 11:8, 16:14); Franziska/solja führten in entscheide­nden Satz bereits 9:2 und 10:6.

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FOTO: STANSAL/DPA Anna Kiesenhofe­r ist Mathematik­erin und seit 2018 ohne Team.

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