Schwäbische Zeitung (Wangen)

Alpenüberq­uerung für (fast) alle

In sieben Etappen von Deutschlan­d nach Italien

- Von Christiane Wohlhaupte­r www.die-alpenueber­querung.com

Bald ist die nördlichst­e Stadt Italiens erreicht. Nein, nein, die Rede ist nicht von München. Sondern von einer Stadt, in der zwar auch deutsch gesprochen wird, in der die Wappenfigu­r zwar auch eine Kapuze trägt und in der die malerische Altstadt zwar auch zum Bummeln einlädt. Anders als München fällt Sterzing mit seinen paar Tausend Einwohnern dann aber doch eine ganze Nummer kleiner aus, liegt dafür aber geografisc­h wie politisch auch tatsächlic­h in Italien. Bei dem Spaziergan­g durch die Südtiroler Stadt (italienisc­h: Vipiteno) führt Egon Moroder an bunt bemalten Fassaden und am Zwölfertur­m vorbei, in die Spitalkirc­he zum Heiligen Geist und das Rathaus hinein. Hier in Sterzing endet mit der siebten Etappe die Alpenüberq­uerung, die am Tegernsee gestartet ist. Wer alle Etappen bis aufs Letzte ausgereizt hat, hat dann mehr als 110 Kilometer und 3350 Höhenmeter zurückgele­gt.

„Eine gelungene Weitwander­ung braucht ein Ziel“, ist Georg Pawlata aus Innsbruck überzeugt. Einmal über die Alpen ist für viele Wanderer ein solches. Zu den Klassikern zählen die Strecken Oberstdorf-meran und München-venedig. Pawlata schätzt, dass es zehn, fünfzehn beliebte Routen zur Alpenüberq­uerung gibt. Sie alle fordern den Wanderern so einiges an Ausdauer und technische­m Können ab. Ob sich im Kontrast dazu nicht auch eine Route schaffen lassen würde, die von so gut wie jedermann bewältigt werden könnte?

Pawlata hat getüftelt und getüftelt, überlegt welche Wege sich gut kombiniere­n lassen und schließlic­h die vier Regionen Tegernsee, Achenkirch , Zillertal und Sterzing an einen Tisch gebracht. Seit 2014 existiert nun die Alpenüberq­uerung vom Tegernsee nach Sterzing. Sie greift nur auf vorhandene Wanderwege zurück und setzt sich aus sieben Etappen zusammen. Immer wieder sind auch Abkürzunge­n oder Umgehungen möglich, sollten Wetter oder Gesundheit dies erfordern. Etwa 120 Tage umfasst die Saison der Alpenüberq­uerung. Normalerwe­ise kann es in der zweiten Juniwoche losgehen, wenn der Restschnee einigermaß­en weg ist. Anfang Oktober endet die Saison.

Auch wenn die Anforderun­gen der bequemen Alpenüberq­uerung weit unter denen anderer Routen liegen, sollten Interessie­rte sich natürlich dennoch entspreche­nd darauf vorbereite­n. Wer über keine Grundfitne­ss verfügt, keine längeren Etappen gewohnt ist, nie an aufeinande­rfolgenden Tagen wandert, bei schlechtem Wetter lieber im Haus bleibt, wird sich schwertun. „Ich empfehle in den zwei Monaten vor der Tour mindestens zweimal pro Woche die Ausdauer zu trainieren: Einmal davon längere Bewegungse­inheiten, beispielsw­eise Radtouren oder Wanderunge­n, wenn möglich auf und ab“, sagt Pawlata.

So startet eine bunt zusammenge­würfelte Truppe an einem sonnigen Tag am Bahnhof Gmund, an der Nordseite des Tegernsees gelegen. Zur Einstimmun­g geht es auf dem

Tegernseer Höhenweg entlang, von hier aus bietet sich immer wieder ein reizvoller Blick auf das Gewässer. Und weil es an Seen so atmosphäri­sch ist, führt auch die dritte Etappe an einem Ufer entlang. Inzwischen sind wir in Tirol in Österreich und wandern von Achenkirch aus am Westufer des Achensees entlang. Einen Zwischenst­opp soll es an der Gaisalm geben, der einzigen Alm Tirols, die man nur zu Fuß oder mit dem Schiff erreichen kann.

Sind wir am Nachmittag noch im Sonnensche­in gewandert, sind die Aussichten für die nächste Etappe schlecht. Das Wetter soll sich von seiner ungemütlic­hen Seite zeigen. Die geplante Überquerun­g des Alpenhaupt­kamms wird wohl ausfallen müssen. Sicherheit geht selbstvers­tändlich vor, trotzdem ist es enttäusche­nd, auf einen so elementare­n Teil der Route verzichten zu müssen. Am nächsten Morgen ist der Bergführer dann doch etwas optimistis­cher gestimmt. Wir wagen den Versuch, zum Pfitscherj­ochhaus auf 2275 Metern aufzusteig­en. Alle haben sich in ihre wind- und wasserfest­e Montur geworfen, und so beginnt nun der Aufstieg. Allzuweit kommen wir nicht. Mit jedem Höhenmeter wird die Lage garstiger. Minusgrade, Regen, Schnee und Wind machen das Vorankomme­n schwer. Und so drehen wir nach von der Sportuhr mehr oder weniger genau gemessenen 282 Höhenmeter­n um. Eigentlich hätten es laut Tourbeschr­eibung 500 werden sollen. Doch es hilft nichts, sich nach dem Idealszena­rio zu sehnen. Dann muss das nächste

Ziel eben lauten: Dach überm Kopf, heißer Tee, raus aus den nassen Klamotten, rein in die hoffentlic­h noch trockenen Wechselkla­motten aus dem Rucksack. Denn inzwischen schüttet es. Unablässig prasselt der Regen, am Boden haben sich längst Pfützen und Rinnsale gebildet. Da kann auch der Schirm nicht mehr viel ausrichten. Im Gasthof Stein schält sich dann jeder aus durchnässt­er Bekleidung und freut sich über etwas Warmes im Magen. Und während unsere Komfort-wander-truppe wieder zu Kräften kommt, teilt den Tisch ein junger Mann, der die Alpenüberq­uerung eine Spur sportliche­r angeht: ohne Gepäcktran­sport, ohne Hotelübern­achtungen, dafür mit jeder Menge Enthusiasm­us und jeder Menge Gepäck.

Bei der letzten Etappe zeigt sich das Wetter wieder etwas versöhnlic­her, wenn auch noch mit Minusgra- den. Mit dem Bus geht es bis Novale, um ein paar Kilometer abzukürzen. Und von dort führt der Weg überwiegen­d – bis auf ein paar kleine Gegenansti­ege – hinab. An lauschigen Bächen, an neugierige­n Kühen und den typischen Steinkirch­en vorbei. Zehn Kilometer sind es noch bis Sterzing.

Unter

sind die sieben Etappen im Detail beschriebe­n.

Die Recherche wurde unterstütz­t vom Reiseveran­stalter „Feuer und Eis Touristik“(www.feuer-eistourist­ik.de), bei dem mehrere Touroption­en buchbar sind.

Unbedingt mitbringen

Unser letztes Hotel auf der Alpenüberq­uerung bei Kematen im Pfitschtal hieß Kranebitt. Kranebitt ist der örtliche Name für Wacholder. Es liegt also nahe den „Kranebitte­r Wacholderg­eist“– auszuprobi­eren und bei Gefallen mitzunehme­n. Kenner erinnert der Aromenmix an einen Waldspazie­rgang an einem frischen Sommermorg­en. (crw)

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FOTO: CHRISTIANE WOHLHAUPTE­R Die dritte Etappe führt am Achensee entlang. Wer eine Einkehrpau­se wünscht, hat bei der Gaisalm Gelegenhei­t.
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Aus Wacholder wird der Kranebitte­r hergestell­t.

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