Bahnhofsmord: Täterin ist voll schuldfähig
16-Jährige muss nach Bluttat in Ravensburg für neuneinhalb Jahre ins Gefängnis
- Keine Bluttat erschütterte in diesem Jahr die Bevölkerung so sehr wie der Raubmord an einer 62-jährigen Frau am Ravensburger Bahnhof: Ein damals 15-jähriges vorbestraftes Mädchen hatte am Abend des 9. Februar mit einem Küchenmesser in den Hals der ihr völlig unbekannten Frau gestochen und sie ausgeraubt. Am Mittwoch wurde die nun 16-Jährige zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt – mit möglicher anschließender Sicherungsverwahrung.
Weil das Mädchen noch minderjährig ist, führte das Landgericht Ravensburg den Prozess hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. An insgesamt fünf Verhandlungstagen versuchten die Richter unter Vorsitz von Franz
Bernhard zu ergründen, wie es zu der schrecklichen Tat kommen konnte – und ob die Jugendliche zum Tatzeitpunkt möglicherweise mit harten Drogen und Alkohol so zugedröhnt war, dass eine verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen haben könnte. Nach Sz-informationen gibt das Mädchen an, wegen des Drogenkonsums keinerlei Erinnerung an die Tat zu haben.
Daher hatte die Einschätzung der Psychiatrischen Gutachterin Renate Schepker vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg ein großes Gewicht in dem Fall. Offenbar konnte sie nicht ausschließen, dass die 15-Jährige nicht mehr wusste, was sie tat. „Nach Überzeugung der Kammer war die voll schuldfähige Angeklagte mit einem Messer bewaffnet auf Beutezug im Bereich des Bahnhofs in Ravensburg unterwegs, wo sie zufällig auf die spätere Geschädigte traf. Die Angeklagte attackierte ihr Tatopfer unvermittelt von hinten und stach diesem mit dem Messer mit großer Wucht in den Hals, um an die vom Opfer mitgeführte Handtasche – in der sich unter anderem eine geringe Menge Bargeld und ein Mobiltelefon befanden – beziehungsweise deren Inhalt zu gelangen.
Anschließend flüchtete die Angeklagte mit Teilen der Tatbeute vom Tatort und überließ das sterbende Opfer seinem Schicksal“, äußerte sich Gerichtssprecher Matthias Mages. Zu weiteren Details äußert sich das Gericht aus Jugendschutzgründen nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Süleyman Yildirim kündigte noch am Abend an, in Revision zu gehen.
Die Täterin konnte seinerzeit vor allem deswegen so schnell von der
Polizei ermittelt werden, weil sie zufällig auf der Aufnahme einer Überwachungskamera eines am Bahnhof ansässigen Unternehmens zu sehen war. Zudem hatte ein Sozialarbeiter, der wusste, dass die Jugendliche erst wenige Tage zuvor wegen eines früheren Raubes aus dem Gefängnis entlassen worden war, den richtigen Riecher. Nach der Tat, die in Ravensburg für blankes Entsetzen sorgte, entspann sich eine gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit von mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum – vor allem an neuralgischen Punkten wie dem Bahnhofsumfeld, wo zahlreiche Drogen in Umlauf sind und sich viele Passanten unwohl fühlen. Da die gesetzlichen Hürden dafür aber nach wie vor zu hoch sind, verstärkte die Polizei zumindest ihre Präsenz am Bahnhof.